“Nicht klagen, sondern selbst aktiv werden”

Unsere Demokratie
© Thomas Müller
29.04.2019
Unsere Demokratie
Zurück zur Übersicht

Doris Elfert engagiert sich seit 15 Jahren in der Bürgerstiftung Weimar. Im vergangenen Jahr erhielt sie für ihre langjährige ehrenamtliche Tätigkeit das Bundesverdienstkreuz. Wir haben sie gefragt, weshalb sie sich für die Belange der Klassikerstadt einsetzt und was andere Bürgerstiftende aus ihren Erfahrungen lernen können.

© privat
Doris Elfert

Frau Elfert, Sie haben im vergangenen Jahr das Bundesverdienstkreuz für Ihr ehrenamtliches Engagement erhalten. Herzlichen Glückwunsch auch von unserer Seite! Wie lange sind Sie schon als Bürgerstifterin aktiv?
Die Idee, eine Bürgerstiftung in Weimar zu initiieren, kam mir im Frühjahr 2003. Mit einer kleinen Gruppe konnten wir die Idee vorantreiben. Bei der Gründung am 24. Januar 2004 waren wir insgesamt 28 Stifterinnen und Stifter. Seither bin ich als Vorstandsvorsitzende der Bürgerstiftung Weimar mehrfach wiedergewählt worden.

Was war der Auslöser für die Gründung der Bürgerstiftung Weimar und welche Rolle spielt bürgerschaftliches Engagement für Sie persönlich?
Der Auslöser waren Debatten und Klagen über die Schließung verschiedener Einrichtungen, wie das Stadtmuseum oder das Bienenmuseum, weil die Stadt die Kosten nicht mehr übernehmen konnte. Dass hier die Bürgerinnen und Bürger aktiv werden und sich einbringen wollten, lag nahe und war Grund und Motivation zugleich, um eine Bürgerstiftung zu errichten. Da ich nicht zur Politikerin tauge, mich aber gestalterisch in die Gesellschaft einbringen will, ist eine Bürgerstiftung für mich eine gute Möglichkeit, Ziele zu erreichen und die Lebensbedingungen vor Ort ein wenig zum Besseren zu verändern.

Was macht den besonderen Reiz aus, sich für unsere Gesellschaft, für unsere Demokratie einzusetzen?
Nicht klagen, sondern selbst aktiv werden, wenn man etwas verändern will.

Auf welches Ihrer Projekte sind Sie besonders stolz und warum?
Auf alle Einrichtungen der Bürgerstiftung Weimar, die inzwischen seit vielen Jahren stabil und mit engagierten Mitarbeiterinnen laufen. Ob die EhrenamtsAgentur, der Kinder- und Jugendfonds oder „Weimars Gute Nachbarn” – sie alle füllen Lücken und decken Bedarfe, die in der Stadt sichtbar wurden. Auch das Vertrauen der Menschen, die unsere Stiftung als „Dach für bürgerschaftliches Engagement“ wahrnehmen und bei uns thematische Spenden- und Kapitalfonds anlegen oder über uns ihre Ideen umsetzen, freut mich sehr. 

© René-T. Kusche
Cem Özdemir zu Besuch bei den Projekten ARRIVE und Teatime & Herz

Als Mitglied im Bündnis der Bürgerstiftungen Deutschlands ist die Bürgerstiftung Weimar Teil eines starken Netzwerkes. Was können andere Stiftungen von der Bürgerstiftung Weimar lernen?
Nach 15 Jahren Erfahrung in Weimar und einigen Jahren Erfahrung als Regionalkuratorin für Bürgerstiftungen in Thüringen kann ich ein paar Punkte nennen, die sicher eine gute Voraussetzung sind, um erfolgreiche Stiftungsarbeit zu leisten – wobei die Auflistung bestimmt nicht vollständig ist:  

  • eine Gruppe von Menschen, die sich Ziele setzt und an einem Strang zieht  
  • ein kleines Team in der Stiftung, das ohne Unterlass das „Rad drehen“ (und gleichzeitig den Nachwuchs aufbauen) muss. 
  • ein Gespür für Probleme und Bedarfe in der Stadt bzw. Region  
  • Tatkraft und Ideen, wie und mit wem man diese Bedarfe decken und die Probleme angehen und vielleicht sogar lösen kann 
  • ein Vorstand der Bürgerstiftung, der so mutig ist, auch mal „heiße Eisen“ anzufassen
  • die Bereitschaft, eine breiter werdende Basis von Engagierten, Ehrenamtlichen, Unternehmen und anderen Organisationen aufzubauen und vertrauensvoll im Netzwerk zu agieren
  • die Erfahrung, dass Trommeln zum Handwerk gehört und Öffentlichkeitsarbeit unverzichtbar ist
  • Zeit, Energie, Geld und Kraft nicht nur für die Umsetzung kurzfristiger Projekte, sondern auch dafür, die Nachhaltigkeit dieser Projekte sicherzustellen 
  • die Erkenntnis, dass Stiften und Spenden Vertrauenssache ist, die sich die Stiftung verdienen muss 

Der Deutsche Stifterpreis des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen geht in diesem Jahr an die rund 30.000 Bürgerstifter und Bürgerstifterinnen in Deutschland. Was bedeutet die Auszeichnung für Sie persönlich? 
Ich freue mich über die Auszeichnung, die so viele engagierte Stifterinnen und Stifter erreicht. Es hilft der Bürgerstiftungsbewegung, sichtbar und verstehbar zu werden. Es weckt zudem hoffentlich Interesse und bringt neue Bürgerstiftungen auf den Weg und Menschen in die bestehenden Bürgerstiftungen hinein.

Autorin

Anna Walther
Volontärin Newsroom

Deutscher Stifterpreis geht an alle Bürgerstifterinnen und Bürgerstifter in Deutschland
© David Ausserhofer

#IchBinBürgerstifterIN

Auf dem StiftungsTag 2019 wurde der Deutsche Stifterpreis an alle 30.000 Bürgerstifter und Bürgerstifterinnen in Deutschland verliehen.

 

Damit würdigte der Bundesverband Deutscher Stiftungen das Engagement jener Menschen die sich in ihren Städten und Dörfern für unsere Gemeinschaft engagieren.

 

In unserer Serie #IchBinBürgerstifterIN stellen wir Ihnen einige Bürgerstiftende vor.

Mehr zur Preisverleihung

Über die Bürgerstiftung Weimar

Die Bürgerstiftung fördert Projekte nach außen und initiiert eigene Projekte. Dabei tritt sie nicht in Konkurrenz zu anderen Einrichtungen in Weimar, sondern füllt Lücken und versucht die vorhandene Struktur zu unterstützen. Bürger Weimars können ihre Ideen an die Stiftung herantragen und sie unter dem Dach der Stiftung auch umsetzen. Doris Elfert ist Vorstandsvorsitzende der Bürgerstiftung Weimar, deren Gründung sie im Jahr 2003 mitinitiiert hat.

 

Mehr zur Bürgerstiftung Weimar
Veranstaltung auf dem Deutschen Stiftungstag
© Detlef Eden

Europas größter Stiftungskongress

Lernen, Austausch und Vernetzung: Der Deutsche Stiftungstag ist Europas größter Stiftungskongress für Stifterinnen und Stifter, Geschäftsführer und Stiftungsmitarbeiter sowie Multiplikatoren.

Mehr
Aktuelle Beiträge
Meldungen

Interview zur Strategie 2025 des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen

Aktive Interessenvertretung, eine starke Stimme der Zivilgesellschaft, zielgruppenspezifische Services und Netzwerke, Einsatz für die Zukunft des Stiftens: Generalsekretärin Kirsten Hommelhoff und die Vorstandsvorsitzende Friederike von Bünau sprachen mit Stifter TV über die Strategie 2025.

Mehr
Next Philanthropy

Die Alle-an-einen-Tisch-Bringer

ProjectTogether zählt zu den innovativsten Initiativen der Zivilgesellschaft. Auch Stiftungen können beitragen – und mit jungen Ideen die eigene Wirkung potenzieren.

Mehr
Geschlechtergerechtigkeit

Die Kraft der Frauen

Auch zum 100. Jubiläum des internationalen Frauentages gibt es in Sachen Gleichberechtigung noch viel zu tun. Nur langsam ändern sich Jahrhunderte alte Gesellschaftsstrukturen von Machtverteilung und Diskriminierung. Wie es gehen kann, zeigt die erfolgreiche Arbeit der Vicente Ferrer Stiftung zur Stärkung der Frauen im ländlichen Indien.

Mehr

Mehr zum Thema

Unsere Demokratie

„Wir haben uns etwas sagen zu lassen“

Als im Mai dieses Jahres der Afroamerikaner George Floyd von einem Polizisten getötet wurde, erklärte sich das Stadtmuseum Berlin als eine von wenigen Stiftungen in Deutschland offen solidarisch mit der weltweit aufkommenden #BlackLivesMatter-Bewegung. Im Gespräch erklären Direktor Paul Spies und Diversitäts-Agentin Idil Efe, wie sie ihr eigenes Haus bunter machen wollen.

Mehr
Unsere Demokratie

Oh wie Ostdeutschland – Impulse aus der Zivilgesellschaft

Trotz oder gerade aufgrund der Covid19-Pandemie wird deutlich, dass es einer starken und vielfältigen Zivilgesellschaft bedarf. Die Initiative Zukunftslabor Ost setzt sich für langfristige Partnerschaften und nachhaltiges demokratisches Engagement in Ostdeutschland ein.

Mehr
Unsere Demokratie

Die verbindende Kraft von Dialog und Begegnung

Religionen motivieren Menschen, sich für andere und die Gemeinschaft einzusetzen. Sie können aber auch gesellschaftliche Konflikte, Abgrenzung und Intoleranz gegenüber Andersdenkenden und -gläubigen befeuern. Was können kirchliche und religionsnahe Stiftungen konkret für gesellschaftlichen Zusammenhalt tun? Über Ansätze der Stiftung Weltethos und der Hanns-Lilje-Stiftung habe ich mit Lena Zoller und Christoph Dahling-Sander gesprochen.

Mehr