Vor 30 Jahren: Initialzündung für das Grüne Band

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© juergen_skaa / CC BY-SA 2.0
09.12.2019
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Der 9. Dezember 1989 ist die Geburtsstunde des Grünen Bandes. An der ehemaligen innerdeutschen Grenze wurde vor 30 Jahren die Grundlage für eines der bedeutendsten Naturschutzprojekte Deutschlands gelegt.

Vor 30 Jahren, am 9. Dezember 1989, kamen Natur- und Umweltschützer aus Ost und West mit einem großen Ziel zusammen: die Naturschätze entlang der deutsch-deutschen Grenze zu bewahren. Genau ein Monat war da erst seit dem Fall der Mauer vergangen. Einstimmig verabschiedeten die Teilnehmenden des wegweisenden Treffens in Hof (Bayern) eine Resolution, in der erstmals der Begriff „Grünes Band“ geprägt wurde. Damit wiesen sie den Weg für eines der größten und bedeutendsten Naturschutzprojekte in Deutschland, an dessen Erfolgsgeschichte auch viele Stiftungen mitschreiben. 

Wie es anfing 

Initiiert wurde die Zusammenkunft von zwei damaligen Mitarbeitern des BUND Naturschutz in Bayern (BN), die heute als Väter des Grünen Bandes gelten: Kai Frobel und Hubert Weiger. „Die Resonanz war überwältigend, knapp 400 Personen aus der gesamten DDR und Nordbayern kamen“, ist auf der Website des BN nachzulesen.  

Als die Mauer fiel, standen die Naturschützer schon in den Startlöchern. Auf der östlichen Seite war ihnen der Zugang zu der von Menschen 40 Jahre lang weitestgehend unbehelligten Grenzzone bisher verwehrt geblieben. Auf westlicher Seite hatte der BN das für den Artenschutz wertvolle Gebiet entlang des Kolonnenweges bereits seit Längerem beobachtet, kartiert und sich politisch in Stellung gebracht. Schon zehn Jahre zuvor hatte der BN im Bereich Obermaintal und Landkreis Coburg auf 1.005 Quadratkilometern eine ornithologische Rasterkartierung durchgeführt, bei der auf rund 140 Kilometern Länge auch der Grenzstreifen zu Thüringen erfasst wurde. „Hätten die etwa 40 mitwirkenden Ehrenamtlichen nicht Jahre an idealistischer Kartierungsarbeit im Gelände investiert, gäbe es heute wahrscheinlich kein Grünes Band“, so der BN. 

Erfolgsgeheimnis 

Kai Frobel, der den Begriff „Grünes Band“ erfand, erzählt in einem Interview: „Wir erkannten den überragenden Wert des Grünen Bandes seit den 70er-Jahren vom Westen aus mit unseren Ferngläsern.“ Der unmittelbar an der innerdeutschen Grenze aufgewachsene Naturfreund hatte die Vogelwelt nahe seines Elternhauses schon als Jugendlicher ab 1975 ins Visier genommen. „Als die Mauer fiel, haben wir die Chance ergriffen für unsere Idee, ein ‚Grünes Band‘ aus der Taufe zu heben. In der Naturschutzszene war dann schnell ein Netzwerk von Mitstreiter(inne)n geknüpft. Über die Jahre konnten wir entscheidende Personen auch in der Politik, in Fachbehörden und Medien für das Grüne Band gewinnen. Viele Menschen aus unterschiedlichen Kontexten, die sich für dieselbe Idee begeistern: Das ist das Erfolgsgeheimnis des Grünen Bandes“, so Frobel. 

Einzigartiges Biotop – Zahlen und Fakten zum Grünen Band 

  • Das Grüne Band Deutschland verläuft entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze fast ausnahmslos auf dem Gebiet der ostdeutschen Bundesländer. Es ist 1.393 Kilometer lang und bis zu 200 Meter breit und umfasst 17.712 Hektar Fläche.  
  • Über 5.200 Tier- und Pflanzenarten leben in diesem Gebiet. Mindestens 1.200 Arten davon stehen auf der Roten Liste gefährdeter Arten. 
  • 17 Naturräume und 146 verschiedene Lebensraumtypen gibt es hier. 65 Prozent der Fläche besteht aus gefährdeten Biotoptypen. 87 Prozent der Fläche und 1.120 km der Länge sind noch naturnah. Von der Fläche des Grünen Bandes Deutschland stehen ca. 12.700 Hektar unter strengem Schutz (Bundesnaturschutzgesetz, Nationales Naturmonument, Naturpark). Es gibt hier 158 Naturschutzgebiete, drei Biosphärenreservate und einen Nationalpark (Harz). 
  • Ca. 450 Straßen queren das Grüne Band; zwölfmal kreuzen Autobahnen. Rund 12 Prozent der Fläche werden durch Straßen, Gewerbegebiete und intensive Landnutzung gestört. Auf ca. 170 km weist das Grüne Band Lücken auf, die es zu schließen gilt. 
  • Neun Bundesländer, 37 Landkreise/kreisfreie Städte, 130 Gemeinden, über 15.000 Flurstücke und 48 Grenzmuseen und -gedenkstätten liegen am Grünen Band. 
  • Seit 2005 ist das Grüne Band als „Nationales Naturerbe“ eingestuft und seit 2007 im Bundesnaturschutzgesetz als Teil des „Nationalen Biotopverbundes“ verankert. 2018 wurde es in Thüringen und 2019 in Sachsen-Anhalt zum „Nationalen Naturmonument“ erklärt. 
  • Das Grüne Band Deutschland ist Teil des 12.500 Kilometer langen Grünen Bandes Europa. 

Quelle: BUND

Welche Stiftungen engagieren sich am Grünen Band? 

Noch immer befinden sich über 30 Prozent der Fläche im Besitz von Privatleuten, Kommunen und anderen Institutionen. Der BN, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und viele Stiftungen setzen sich für den Kauf solcher Flächen ein. Eine Liste aller am Grünen Band beteiligten Stiftungen gibt es bisher nicht. Ist Ihre Stiftung auch dabei? Dann schreiben Sie uns bitte!

1988 drehte Heinz Sielmann den Film „Tiere im Schatten der Grenze“. Schon früh setzten sich der Naturfilmer und seine Frau Inge für das Grüne Band ein. Seit dem Jahr 2000 ist Gut Herbigshagen im Eichsfeld bei Duderstadt, nur einen Kilometer von der ehemaligen Grenze entfernt, die Geschäftsstelle der Heinz Sielmann Stiftung. Heute engagiert sich die Stiftung innerhalb von Sielmanns Biotopverbund Eichsfeld-Werratal in Abschnitten entlang von 130 Kilometern am Grünen Band. Insgesamt umfasst das Naturschutzgroßprojekt „Eichsfeld-Werratal“ eine Fläche von 9.500 Hektar. Zahlreiche geschützte Tier- und Pflanzenarten nutzen das Grüne Band als Lebensraum und Wanderkorridor – darunter Wildkatze, Schwarzstorch, Rotmilan und Fischotter sowie seltene Orchideenarten. Die ökologische, aber auch die historische Bedeutung des ehemaligen Grenzstreifens den Menschen näherbringen – auch dieser Aufgabe widmet sich die Heinz Sielmann Stiftung vor Ort. Für ihr Engagement für das Grüne Band erhielt Inge Sielmann 2017 zusammen mit Dr. Kai Frobel und Prof. Dr. Hubert Weiger den Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Die Stiftung plant, sich ab 2020 auch an weiteren Abschnitten des Grünen Bandes zu engagieren, z.B. in der Thüringer Rhön.

www.sielmann-stiftung.de/natur-erleben-schuetzen/biotopverbund-eichsfeld-werratal/ 

In Thüringen liegt die größte Strecke des Grünen Bands: 763 der insgesamt 1.393 Kilometer laufen entlang der Grenze des Freistaats. Die Stiftung Naturschutz Thüringen wurde im Dezember 1995 auf Beschluss der Thüringer Landesregierung als rechtsfähige Stiftung öffentlichen Rechts gegründet. Am 2. September 2009 unterzeichnete sie eine Vereinbarung mit dem Freistaat Thüringen, mit der sie dessen Flächen am Grünen Band übernahm. Zum 1. Januar 2010 wurden die Flächen – etwa 3900 Hektar – an die Stiftung übertragen. Es bestehen allerdings noch rechtliche Ansprüche von Alteigentümern, an die ggf. Flächen zurückgegeben werden müssen. Die Stiftung geht davon aus, rund 3.600 bis 3.800 Hektar dauerhaft zu behalten.  

Die Stiftung ist Eigentümerin von etwa der Hälfte der Flächen des ehemaligen Grenzstreifens auf Thüringer Gebiet. Damit betreut sie mehr als ein Viertel der Gesamtfläche des Grünen Bandes Deutschland. Dazu gehören Landwirtschaftsflächen, die zu einer extensiven Nutzung verpachtet werden, Grünland und Wald, den die Stiftung naturnah bewirtschaftet. „All dies geschieht mit dem Ziel, das Grüne Band Thüringen erlebbar zu machen und seine Biotopverbundfunktion zu erhalten bzw. zu entwickeln“, so die Stiftung. Im November 2018 erklärte die Thüringer Landesregierung das Grüne Band Thüringen zum Nationalen Naturmonument, für das die Stiftung die Trägerschaft übernommen hat. 

www.stiftung-naturschutz-thueringen.de/gruenes-band-thueringen.html 

In Sachsen-Anhalt ist das Grüne Band 343 Kilometer lang. Die Stiftung Umwelt, Natur- und Klimaschutz des Landes Sachsen-Anhalt (SUNK) ist mit gut einem Drittel des Flächenanteils in Sachsen-Anhalt der größte Flächeneigentümer. Rund 1.600 Hektar des ehemaligen innerdeutschen Grenzstreifens wurden der SUNK übertragen, die im Juli 2005 per Gesetz von der Landesregierung als öffentlich-rechtliche Stiftung gegründet wurde. „Sicherung und Erhalt der biologischen Vielfalt durch die Entwicklung eines halboffenen Biotopverbundsystems und die Bewahrung der historischen Erinnerung an die friedlich überwundene Teilung sind Entwicklungsziele, die es im Rahmen des Flächenmanagements umzusetzen gilt“, beschreibt die SUNK ihre Aufgaben. „Als Grünes Band soll der Verlauf der einstigen Grenzlinie für künftige Generationen sichtbar und durch sanften Tourismus erlebbar gestaltet werden.“ Nach Thüringen erklärte im Oktober 2019 auch Sachsen-Anhalt seinen Anteil am Grünen Band zum Nationalen Naturerbe. Zu diesem Zeitpunkt standen bereits 77 Prozent der Flächen zwischen ehemaliger Landesgrenze und Kolonnenweg unter Naturschutz. Mit der Ausweisung als Nationales Naturmonument wurde der Schutzstatus auf die gesamte Fläche ausgeweitet. 

www.sunk-lsa.de 

Der NABU hat sich seit 1990 besonders im sächsischen Teil des Grünen Bands engagiert. Mehr als 200 gefährdete oder im Rückgang befindliche Tier- und Pflanzenarten leben dort. Dazu gehören etwa Neuntöter, Dorngrasmücke, Schwarzstorch, Schwarzspecht, Rotmilan, Braunkehlchen, Großer Perlmuttfalter, Skabiosen-Scheckenfalter, Waldeidechse und Kreuzotter. Auch Arnika und die Skabiosen-Flockenblume sind hier zu finden.  

Gemeinsam mit dem NABU-Regionalverband Elstertal kauft die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe seit 2001 Flächen im Grünen Band Sachsen, um hier den Naturschutz zu sichern. Das Geld für den ersten Flächenankauf brachte eine von Volkswagen initiierte karitative Autoversteigerung. 2004 konnte die Stiftung zusammen mit dem NABU Elstertal 10,16 Hektar des Naturschutzgebiets „Hasenreuth“ erwerben, das am Grünen Band gelegen ist, und ihren Flächenbesitz bis 2007 auf 15,4 Hektar ausweiten. Insgesamt gehören der Stiftung und dem NABU Elstertal nun über 35 Hektar am sächsischen Grünen Band. Weitere Flächen sollen in Zukunft hinzukommen.  

https://naturerbe.nabu.de/naturparadiese/sachsen/gruenes-band/ 

Der BUND setzt sich seit Langem dafür ein, durch Flächenkäufe Lücken im Grünen Band zu schließen. „Die Flächen, die vom BUND erworben wurden, sind entweder im Eigentum der BUNDstiftung oder der BUND-Landesverbände“, so Kathrin Schrepfer vom Fachbereich Grünes Band des BUND. Auch finanziert die Stiftung naturschutzfachliche Maßnahmen, die zur Bewahrung des Grünen Bandes beitragen.  

Über die Autorin:

Benita v. Behr, freie Journalistin und Lektorin in Berlin.

Kontakt: post[at]benita-von-behr[punkt]de

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