Stiftungen – die großen Unbekannten?

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© Piktogramm: Adrien Coquet, Noun Project
28.03.2019
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Welches Bild haben die Menschen in Deutschland von Stiftungen? Und wie hat sich ihre Einstellung zu Stiftungen in den vergangenen zehn Jahren verändert? Um dies herauszufinden, hat der Bundesverband Deutscher Stiftungen im Januar 2019 das Meinungsforschungsinstitut Kantar Emnid beauftragt, eine entsprechende repräsentative Befragung aus dem Jahr 2010 zu wiederholen.

© Illustration: Bundesverband Deutscher Stiftun

Bei der aktuellen Befragung wurden insgesamt 1.025 Personen zwölf gegensätzliche Eigenschaftspaare vorgelegt, die sie auf Stiftungen beziehen sollten. Dabei konnten die Befragten ihr Urteil auf einer Skala von 1 bis 5 abstufen. Das erste Gegensatzpaar etwa lautete: „Stiftungen arbeiten sehr transparent / lassen sich sehr gerne in die Karten schauen“ versus „Stiftungen arbeiten nicht transparent / lassen sich nicht in die Karten schauen“. Wer sich zwischen 1 und 2 auf der Skala einordnete, der stimmt damit der Aussage, dass Stiftungen sehr transparent arbeiten, ganz oder weitgehend zu. Wer sich hingegen zwischen 4 und 5 verortete, der vertritt die Auffassung, dass Stiftungen nicht transparent arbeiten. Und diejenigen, die sich bei 3 eingruppierten, haben keine Meinung zu diesen beiden Aussagen oder wissen es nicht.

Ambivalentes Bild

Auf den ersten Blick scheint das Ergebnis der Umfrage durchaus erfreulich: Immerhin rund die Hälfte der Befragten findet Stiftungen seriös, wirkungsvoll und kompetent. Bei näherer Betrachtung differenziert sich dieses Bild allerdings. So meint fast ein Drittel der Befragten, dass Stiftungen nicht oder nicht sehr transparent sind, über ein Viertel sagt, dass sie hauptsächlich den Interessen der Stifterin / des Stifters dienen, und immerhin ein Fünftel hält sie für elitär und abgehoben. Diese Zahlen legen die Vermutung nahe, dass das Negativbild von Stiftungen als Steuersparmodell einer kleinen, privilegierten Bevölkerungsschicht eine gewisse Beharrungskraft hat. Grund genug für jede Stiftung, sich mit dieser verbreiteten Wahrnehmung selbstkritisch auseinanderzusetzen und sich zu fragen, wie sie ihr durch eigenes Handeln und Auftreten entgegenwirken kann.

Vergleich zu 2010

Zugleich zeigt der Vergleich der aktuellen Umfrage mit der von 2010: Das Image von Stiftungen hat sich in den vergangenen zehn Jahren insgesamt deutlich verbessert – ein höchst erfreulicher Befund, der für die Zukunft hoffen lässt. Werden die beiden besten Ausprägungen (1+2) jeweils addiert, schneiden Stiftungen heute in fast allen zwölf Eigenschaften, die abgefragt wurden, besser ab als im März 2010. So fand etwa vor zehn Jahren gut ein Viertel der Befragten, dass Stiftungen hauptsächlich der Allgemeinheit dienen. Anfang 2019 stimmten immerhin 38 Prozent dieser Aussage zu. Auch die Wirkung von Stiftungen wurde in der aktuellen Umfrage positiver bewertet als 2010: Während vor zehn Jahren 35 Prozent der Befragten sagten, dass Stiftungen viel bewirken, waren es Anfang dieses Jahres fast die Hälfte.

Wie oben bereits erwähnt, wird Stiftungen gern nachgesagt, dass sie elitär seien. Besonders freuen dürfte daher viele Stiftungen, dass die Befragten hier milder urteilen als noch vor zehn Jahren: Immerhin 38 Prozent stimmten in der aktuellen Umfrage der Aussage zu, dass Stiftungen sehr oder weitgehend „bodenständig und mitten unter uns“ sind; 2010 teilte nur knapp ein Viertel diese Auffassung.

Auf den letzten drei Plätzen befinden sich damals wie heute die Eigenschaften Innovationsfreude, Fortschrittlichkeit und – als absolutes Schlusslicht – Transparenz. Immerhin konnten Stiftungen aber auch in diesem Punkt aufholen: So fand 2010 nur gut ein Viertel der Befragten, dass Stiftungen innovativ oder sehr innovativ sind, während 2019 immerhin über ein Drittel dieser Auffassung ist. Und während vor zehn Jahren sogar nur 19 Prozent der Umfrageteilnehmenden Stiftungen als transparente oder weitgehend transparente Einrichtungen einstuften, kletterte dieser Wert in der aktuellen Befragung auf 23 Prozent.

Mehr Kommunikation!

Bei aller Freude über die insgesamt positive Entwicklung in der Wahrnehmung von Stiftungen durch die Öffentlichkeit, die sich im Vergleich der Ergebnisse der beiden Umfragen zeigt, müssen diese allerdings differenziert betrachtet werden. So finden zwar 38 Prozent der aktuell Befragten, dass Stiftungen hauptsächlich der Allgemeinheit dienen. Allerdings sind immerhin 27 Prozent der gegensätzlichen Meinung, dass Stiftungen hauptsächlich den Interessen des Stifters dienen, und weitere 28 Prozent haben keine Meinung zu diesem Gegensatzpaar.

Noch deutlicher wird dies beim Merkmal Transparenz, das in der Rangfolge der Zustimmung zu den abgefragten positiven Eigenschaften das Schlusslicht bildet: Während weniger als ein Viertel der Befragten der Aussage zustimmt, dass Stiftungen sehr oder überwiegend transparent arbeiten, teilt knapp ein Drittel diese Auffassung offensichtlich nicht, das ist der Spitzenwert bei den Negativbewertungen. Und weitere 35 Prozent haben keine Meinung zu dieser Aussage oder können dies nicht beurteilen.

Das ist ein Ergebnis, das weder die Stiftungen in Deutschland selbst noch ihren Bundesverband zufriedenstellen kann. Stiftungen können hier mit wenig Aufwand dazu beizutragen, dass sich diese Werte verbessern. Ein Beispiel: Dem Stiftungsfokus „Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit“ von Juni 2018 zufolge veröffentlichen nur zwei Drittel der Stiftungen ihren Jahresbericht auf ihrer Internetseite, während ihn ein Drittel lediglich an die Stiftungsaufsicht schickt. Dabei stellt die Veröffentlichung des Jahresberichtes im Netz eine einfache Möglichkeit dar, für mehr Transparenz zu sorgen. Daher auch an dieser Stelle noch einmal die Empfehlung an Stiftungen, von dieser Möglichkeit auch Gebrauch zu machen.

Ein zweiter Wermutstropfen aus Stiftungssicht liegt darin, dass in der aktuellen Umfrage bei fast allen Eigenschaften zwischen 30 und 40 Prozent der Befragten den Mittelwert 3 wählen, sich also nicht festlegen. Hinzu kommen jeweils 7 bis 17 Prozent, die gar keine Angabe machen. Diese große Zahl der Unentschiedenen legt den Schluss nahe, dass die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland kein klares Bild von Stiftungen vor Augen hat.

Eindeutiger Auftrag

Ein Grund dafür mag darin liegen, dass gut drei Viertel der Befragten bisher keinen persönlichen Kontakt zu einer der über 22.000 Stiftungen bürgerlichen Rechts in Deutschland hatten. Denn betrachtet man die Bewertungen aller Eigenschaften unter diesem Aspekt, fällt auf, dass bei denjenigen, die bereits Kontakt zu einer Stiftung hatten (das sind ein Viertel der Befragten), die Bewertungen deutlich positiver ausfallen als bei denjenigen, die bisher noch nicht mit einer Stiftung in Berührung gekommen sind (drei Viertel der Befragten).

So hat zum Beispiel knapp die Hälfte derjenigen, die bereits Kontakt zu einer Stiftung hatten, gesagt, dass Stiftungen hauptsächlich der Allgemeinheit dienen, während bei denjenigen, die sagen, dass Stiftungen dies nicht tun, nur 35 Prozent schon einmal mit einer Stiftung zu tun hatten. Ähnlich auffällig ist die Diskrepanz in der Wahrnehmung zwischen denen mit Berührungspunkten zu Stiftungen und denen ohne beim Merkmal Transparenz: Hier bescheinigt fast ein Drittel derjenigen, die Kontakt zu einer Stiftung hatten oder haben, dass Stiftungen transparent oder ziemlich transparent sind, während dies nur ein Fünftel derjenigen tut, die bisher noch nicht mit einer Stiftung in Berührung gekommen sind. Offensichtlich haben diejenigen, die bereits eine Stiftung kennen, ein deutlich besseres Bild von Stiftungen allgemein als diejenigen, die noch nie mit einer Stiftung zu tun hatten.

Angesichts der großen und trotz anhaltender Niedrigzinsphase weiter steigenden Zahl von über 22.000 Stiftungen bürgerlichen Rechts in Deutschland und ihres vielfältigen Engagements quer durch alle gesellschaftlichen Bereiche müssen die Ergebnisse der aktuellen Umfrage aufhorchen lassen. Sie lassen sich als eindeutiger Auftrag an die Stiftungen und ihre Kommunikationsverantwortlichen verstehen, die Öffentlichkeit künftig noch besser über das mannigfache Wirken von Stiftungen zu informieren und stärker den Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern zu suchen. Dazu gehört auch, dass Stiftungen mehr Transparenz insbesondere beim Thema Finanzen an den Tag legen. Der Vergleich der aktuellen Umfrage mit der aus dem Jahr 2010 kann dabei nur ermutigen. Denn er zeigt: Stiftungen sind hier bereits auf dem richtigen Weg. 

Wie bewerten Sie die Umfrageergebnisse?

Und welche Schlüsse ­ziehen Sie daraus für die Kommunikation Ihrer Stiftung? Diskutieren Sie mit uns.

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