Vereinheitlichung des Stiftungsrechts: Diese Nachbesserungen sind notwendig

11.03.2021
Stiftungsrecht
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Der Bundesverband Deutscher Stiftungen begrüßt grundsätzlich den Regierungsentwurf zur Stiftungsrechtsreform. Um rechtssicheres und effektives Handeln der Stiftungen auch in Zukunft zu ermöglichen, sind aber noch wesentliche Nachbesserungen und Klarstellungen notwendig.

Der Bundesverband Deutscher Stiftungen begrüßt grundsätzlich den Regierungsentwurf (RegE) und die Einführung eines bundeseinheitlichen Stiftungsrechts sowie eines Stiftungsregisters – Forderungen, für die der Verband sich seit vielen Jahren bei Bund und Ländern einsetzt.

Es gibt viele gute Regelungsvorschläge im RegE und deutliche Verbesserungen gegenüber dem Referentenentwurf. Allerdings behindert auch der RegE die notwendige Weiterentwicklung von Stiftungen noch zu sehr. Stifterinnen und Stifter möchten im Regelfall ein dauerhaftes gemeinnütziges Wirken der von ihnen errichteten Stiftung über Jahrhunderte erreichen und die dafür notwendigen Anpassungen in der Stiftungssatzung zulassen. Auch lässt der RegE unberücksichtigt, dass die 23.300 bestehenden Stiftungen in die Lage versetzt werden müssen, auf die geplante Rechtsänderung zu reagieren. Daher sind wesentliche Nachbesserungen und Klarstellungen im RegE notwendig, um rechtssicheres und effektives Handeln der Stiftungen auch in Zukunft zu ermöglichen und die nach herrschender Auffassung gegebene Rechtslage im Stiftungsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) abzubilden.

 

Unsere wichtigsten Forderungen in aller Kürze:

Auch wenn im RegE zu Recht die strenge Surrogationsthese des § 83b BGB-RefE aufgegeben wurde, zeigen sich in den Gesetzesformulierungen und der Gesetzesbegründung weiterhin Widersprüche und Unklarheiten. DieFinanzierungsstrukturen vieler (Kapital)Stiftungen hängen davon ab, dass auch Umschichtungsgewinne ohne ausdrückliche Erlaubnis in der Satzung bei Beachtung des Kapitalerhalts für die Zweckverwirklichung eingesetzt werden können. Aus Sicht der Praxis ist es wichtig, den zu engen Begriff der Nutzungen durch den Begriff der Erträge, der laufende Erträge aus der Nutzung von Kapitalanlagen und Gewinne aus der Veräußerung einzelner Anlagen gleichermaßen umfasst, zu ersetzen. Zudem muss zur Rechtssicherheit die Verwendung von Umschichtungsgewinnen zur Zweckverwirklichung im Gesetz ausdrücklich klargestellt, § 83 c Abs. 3 BGB-E gestrichen sowie die Möglichkeit für die Stifterinnen und Stifter, das Kapitalerhaltungskonzept in der Satzung näher vorzugeben, klargestellt werden.

Wir fordern eine Konkretisierung des Kapitalerhaltungsgrundsatzes zur Erhaltung der notwendigen Flexibilität der Stiftungen bei der Vermögenverwaltung. Für Stiftungsorgane ist es nicht zuletzt aufgrund der Niedrigzinsphase notwendig, rechtssicher im Rahmen eines pflichtgemäßen Ermessens über die Art und Weise der Kapitalerhaltung – ob nominell oder real oder, bei gestifteten Vermögensgegenständen, gegenständlich – zum Wohle der Stiftungen entscheiden zu dürfen. Zudem sollten, entsprechend der derzeitigen Praxis, Rücklagen ausdrücklich erlaubt werden.

Das Stiftungswesen braucht einen breiten gesetzgeberischen Spielraum, damit sich der individuelle Stifterwille entfalten kann. Im Gesetzestext wurde die Satzungsstrenge richtigerweise gestrichen. Allerdings wurde die Gesetzesbegründung, wonach Abweichungen vom jeweiligen gesetzlichen Leitbild in der jeweiligen Norm ausdrücklich zugelassen werden müssen (Seite 29), nicht angepasst. Daher ist eine ausdrückliche Klarstellung des Gesetzgebers erforderlich, damit die Gestaltungsfreiheit durch die Stiftungsaufsichten rechtssicherund bundeseinheitlich beachtet wird. Zudem sollte die „Errichtungssatzung“ im Gesetzestext durchgängig durch „Satzung“ ersetzt werden. Rechtsstaatlich ist es zudem geboten, die lebenden Stifterinnen und Stifter anzuhören. Sie können am besten ihren Willen bei Errichtung der Stiftung darlegen.

Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass die bewährte Praxis der bisherigen Schriftformerfordernis beibehalten werden soll. Daher sollte folgerichtig klargestellt werden, dass § 311b BGB und § 15 Abs. 4 GmbHG nicht anzuwenden sind.

Auch im Regierungsentwurf fehlt nach wie vor eine Übergangsregelung, die es den bestehenden Stiftungen erlaubt, zeitlich auf einen Zeitraum von drei Jahren befristet, einmalig eine Anpassung ihrer Satzung nach neuem Recht vorzunehmen. Das im RegE vorgesehene spätere Inkrafttreten, um Stiftungen die Möglichkeit zu geben, nach altem Recht ihre Satzungen anzupassen, reicht dafür nicht aus und würde zudem unweigerlich zu einer Welle von Satzungsänderungen und zu Überlastungen der Stiftungsaufsichten führen.

Bei der Kodifizierung der Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung sehen wir aufgrund vieler Fälle in der Praxis weiterhin Nachbesserungsbedarf. Die Voraussetzungen im RegE sind zu streng und werden den Bedürfnissen der Praxis nicht gerecht. Viele kleine Stiftungen befinden sich aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase in Not, und eine Nachbesetzung der Stiftungsgremien ist bei notleidenden Stiftungen kaum möglich. So sollte die Umwandlung bereits bei wesentlichen Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse möglich sein, wenn diese dazu führen, dass die von Stiftenden bei Errichtung der Stiftung gewählte Art und Weise der Zweckverwirklichung dauerhaft und mit einer gewissen Intensität nicht mehr möglich ist.

Zwar vereinfachen die neuen einheitlichen Regelungen zur Zu- und Zusammenlegung die Fusion von Stiftungen grundlegend, jedoch erschwert die Notwendigkeit einer wesentlichen Übereinstimmung der Zwecke die Auswahl der kompatiblen Stiftungen in der Praxis über Gebühr. Daher sollte § 86 Nr. 2 BGB-E gestrichen werden, da § 86 Nr. 3 BGB-E die notwendige Zweckkongruenz ausreichend regelt.

Für ein sinnstiftendes, zukunftsorientiertes und attraktives Stiftungswesen bedarf es in der Praxis eines erleichterten Änderungsrechts der Stiftenden zu Lebzeiten – sofern die gemeinnützige, mildtätige bzw. kirchliche Zwecksetzung bestehen bleibt. Heute wird – im Gegensatz zu früher – überwiegend zu Lebzeiten gestiftet. Es sollte der zukünftigen Rechtspraxis überlassen werden, welche Bestimmungen in der jeweiligen Satzung nach dem mutmaßlichen Willen des jeweiligen Stiftenden als prägend anzusehen sind.

Um die Vielfalt des Stiftens zu fördern und es damit attraktiver zumachen, ist eine Stiftung auf Zeit sinnvoll. Stattdessen werden Stifterinnen und Stifter, die Stiftungen nicht für die Ewigkeit errichten wollen, gezwungen detaillierte Verbrauchspläne vorzuschreiben. Es sollte den Stiftenden die Flexibilität gegeben werden, einer Stiftung eine bestimmte Bestandsdauer zu geben, nach deren Ablauf das Vermögen nicht verbraucht ist, sondern dann dauerhaft dem Vermögen eines anderen gemeinnützigen Rechtsträgers zugeführt wird.

Der Bundesverband regt zur Vermeidung von unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand für die überwiegend ehrenamtlich geführten Stiftungen an, dass Regelungen, bei denen ein berechtigtes Interesse der Stiftenden auf Vertraulichkeit anzunehmen ist, vor Einreichung der Unterlagen ohne Antrag von der jeweiligen der Stiftungen geschwärzt werden dürfen. Darüber hinaus regen wir eine automatische Datenübermittlung vom Stiftungsregister an das Transparenzregister – entsprechend dem Vorbild der Datenübermittlung des Finanzamts an das Gemeinnützigkeitsregister – an.

Auch fehlt im Regierungsentwurf das äußerst praxisrelevante Klagerecht von Organen zum Schutz der Stiftung, das den in der Praxis bestehenden strukturellen Defiziten bei der Durchsetzung von Ansprüchen und Rechten der Stiftungen entgegenwirkt. Vor dem Hintergrund der Rechtsschutzgarantie von Art. 19 Absatz 4 GG und der Verbesserung der Governance und Compliance betrachten wir es als erforderlich, Organmitgliedern eine Klagebefugnis im eigenen Namen zugunsten der Stiftung einzuräumen. Darüber hinaus besteht bei rechtwidrigen Auflösungen und Aufhebungen von Stiftungen eine eklatante Lücke im Rechtsschutz.

Die ausführliche Stellungnahme ist hier nachzulesen:

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