Daten, Stiftung, Datenstiftung

©yossarian6 - stock.adobe.com
Impuls
22.02.2019
Impuls
Zurück zur Übersicht

Seit Jahrhunderten sind Stiftungen der Ort, an dem unsere Gesellschaft das Eigentum an zentralen Werten und Infrastrukturen sichert. Warum künftig nicht auch die gemeinschaftliche Nutzung unserer Daten? Ein Debattenanstoß von Felix Oldenburg.

Wissen Sie, was Ihre Daten wert sind? Teilt man den Marktwert des Unternehmens durch die Anzahl seiner aktiven Nutzer, kommt man bereits auf fast 500 Euro. Rechnet man Twitter, Instagram, LinkedIn dazu, kommen sicher einige Hundert Euro hinzu. Noch wertvoller sind vermutlich die Informationen zu Suchgewohnheiten bei Google, nicht zu vergessen die Einkaufshistorie bei Amazon. Und so weiter. 

Seit einiger Zeit wird über ein Dateneigentum diskutiert, wobei die große Frage offen bleibt, wie man diese Ressource, die vermutlich zusammen mit dem Rohstoff Wasser zur wichtigsten unserer Zeit zählt, gemeinschaftlich nutzen könnte.  

Warum nicht in Form einer Stiftung? Das ist vielleicht nur auf den ersten Blick eine seltsame Idee. Die Stiftung ist seit Jahrhunderten der Ort, an dem unsere Gesellschaft das Eigentum an zentralen Werten und Infrastrukturen sichert: von den Bibliotheken der (auch "Stifte" genannten) Klöster über die Gesundheitsversorgung in Stiftungshospitälern oder die gemeinnützigen Wohnungsbauten des 19. Jahrhunderts bis zu den Vermögen und Verpflichtungen aus Stahl (Deutsche Bundesstiftung Umwelt), Kohle (RAG Stiftung) und Atomenergie (Entsorgungsfonds). 

Vom Nutzer zum Stifter 

Jeder könnte die eigenen Daten freiwillig einbringen, würde damit vom Nutzer zum Stifter. Eine Stiftung könnte mit Konzernen Bedingungen zur wirtschaftlichen Nutzung personenbezogener Daten aushandeln und Daten wie Erträge daraus gemeinnützigen Zwecken zur Verfügung stellen. Sie wäre unabhängig von Regierungen, könnte unberührt von Wahlzyklen und Standortwettbewerb handeln. Sie würde niemandem außer ihrem guten und unveränderlichen Zweck gehören. Sie bräuchte nur erstens einen schützenden Rechtsrahmen. Das ist keine triviale Voraussetzung, aber mehr als jede andere Rechtsform hat die Stiftung es in den letzten Jahrhunderten vermocht, über Krisen und Kriege hinweg Vermögen für die Gesellschaft zu erhalten. Und sie bräuchte zweitens kluge und vorausschauende Entscheidungsregeln. Heutzutage läge es auf der Hand, die Mitbestimmung jedenfalls teilweise durch die Stifterinnen und Stifter selbst online umzusetzen. 

Eine Stiftung steckt hinter dem größten kollektiven Werk der Menschheitsgeschichte

Erste Beispiele für diese Entwicklung gibt es bereits: Etwa bei der Wikimedia Foundation, die mit der Online-Enzyklopädie Wikipedia hinter dem größten kollektiven Werk der Menschheitsgeschichte steht. Auch die vielen Entwickler freier Software wie Apache oder Mozilla haben ihren Code in Stiftungen eingebracht. Initiativen wie myData.org vertreten bereits die Idee einer nutzerzentrierten Datenhaltung, und die Berliner IOTA Foundation nutzt die Rechtsform der Stiftung, um Regeln für autonome Transaktionen zwischen Maschinen festzulegen. 

Vielleicht der Start einer nächsten Generation von Datenstiftungen?

Mehr Informationen

Eine ausführlichere Version dieser Gedanken ist hier und eine Diskussion dazu auf Twitter abrufbar.

Aktuelle Beiträge
Next Philanthropy

Die Alle-an-einen-Tisch-Bringer

ProjectTogether zählt zu den innovativsten Initiativen der Zivilgesellschaft. Auch Stiftungen können beitragen – und mit jungen Ideen die eigene Wirkung potenzieren.

Mehr
Stiftungsrecht

Virtuelle Sitzungen auch ohne Sonderregelung? Hinweise zur aktuellen Rechtslage

Zum 31. August 2022 endet die Corona-Sonderregung für digitale Organsitzungen. Was plant der Gesetzgeber? Was sollten Stiftungen nun beachten? Ein Überblick. 

Mehr
Globales Engagement

Gemeinsam stärker in Europa und weltweit

Immer mehr Stiftungen denken globaler, tauschen grenzübergreifend Wissen aus, kooperieren bi- oder multinational.

Mehr

Mehr zum Thema

Impuls

"Zum Wohle der Witwen und Waisen" – neu interpretiert

Fünf soziale Einrichtungen, darunter einen Seniorentreff, unterhält die Koepjohann’sche Stiftung. In der DDR hatte der Berliner Stiftung, die in diesem Jahr 230 Jahre alt wird, noch das Aus gedroht. Ein Gespräch mit den ehemaligen und amtierenden Kuratoriumsvorsitzenden der Stiftung über die ewige Angst vor Enteignung und die Neuerfindung der Stiftung nach dem Mauerfall. 

Mehr
Impuls

"Stiftungen müssen einen unübersehbaren Beitrag zu den großen Fragen unserer Zeit leisten"

Bildung, Digitalisierung, Gesundheit, Klima, gesellschaftlicher Zusammenhalt: Stiftungen spielen eine wichtige Rolle in unserer Demokratie. In seiner Dankesrede ruft Stifterpreisträger Hans Schöpflin zu mehr Engagement von Stiftungen auf.

Mehr
Impuls

"Die Idee der Stiftung überdauert"

Michael Borgolte ist einer der führenden Experten für die ­Geschichte der Philanthropie. Im Interview erzählt der Historiker, wie er Stiftungskulturen weltweit erforscht, weshalb exzessives Stiften im alten Ägypten zum Zusammenbruch des Staates führte und warum der Ewigkeitsgedanke von Stiftungen nicht zu ernst genommen werden sollte.

Mehr