Zwei Jahre EZ-Scout: Aus dem Rahmen des Gewohnten ausbrechen

Globales Engagement
© Detlef Eden
13.08.2019
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Dr. Annette Kleinbrod ist seit zwei Jahren im Rahmen einer Pilotmaßnahme Beraterin für internationale Zusammenarbeit – kurz: EZ-Scout – beim Bundesverband Deutscher Stiftungen. Der Newsroom des Bundesverbandes hat mit ihr über ihr Fazit nach zwei Jahren gesprochen. 

Annette, im letzten Jahr hattest du uns über deine Freude über die vielfältigen Tätigkeiten, die vor dir lagen, erzählt. Was ist daraus geworden?
Es ist tatsächlich so gut geworden wie erwartet: Das von der GLS Bank und dem Bundesverband Deutscher Stiftungen gemeinsam organisierte Mission Investing Forum und der Afrika Workshop im Januar 2019 waren die nächsten Schritte in eine intensivere Zusammenarbeit mit afrikanischen Partnerinnen und Partnern. Außerdem konnten wir weiter zu der 2030 Agenda mit den 17 Nachhaltigkeitszielen arbeiten, wie zum Beispiel auf den Partner for Review Netzwerktreffen in Berlin und Mexiko. Klasse war auch, dass wir auf dem Deutschen StiftungsTag 2019 in Mannheim jeweils ein Panel zu „Our Biggest Failures in Africa“ und „Democracy and the SDGs“ organisieren konnten, bei denen neben Vertreterinnen und Vertretern des deutschen Stiftungswesens auch Expertinnen und Experten aus Ungarn, Großbritannien und Südafrika dabei waren. Dann gab es noch vieles, was in der Next Philanthropy Initiative passiert ist, wie zum Beispiel die Interviews mit James Alexander, Direktor des Future Agenda Teams, und Benjamin Bellegy, Executive Director of the Worldwide Initiatives for Grantmakers Support (WINGS). Des Weiteren gibt es auch den Versuch, die täglichen Push News rund um das Thema Next Philanthropy über WhatsApp zu etablieren. 

Was muss deiner Ansicht noch besser oder mehr werden?
Wenn ich auf die Erfahrungen der letzten zwei Jahre zurückblicke, so denke ich, dass mehr Möglichkeiten für Austausch und Dialog rund um die Themen der 17 Nachhaltigkeitsziele und für die Zusammenarbeit der verschiedensten Akteure und Akteurinnen wichtig wären, um den transformativen Charakter der 2030-Agenda zu verwirklichen. Wir reden oft von der nötigen Transformation, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, doch den Worten folgen noch nicht die Taten. Viel zu sehr denken und bewegen wir uns noch in dem Rahmen des Gewohnten. 

© Detlef Eden
Panel „Our biggest failures in Africa“ auf dem Deutschen StiftungsTag 2019 mit Stiftungsvertreterinnen aus Deutschland und Malawi (Afrika).

Was wäre aus deiner Sicht nötig, um aus dem Rahmen des Gewohnten herauszukommen?
Dazu gehört viel, denn es erfordert ja, dass wir bereit sind, unsere Herangehensweise komplett zu hinterfragen und zu sondieren, wie die Ansätze aussehen können, die uns eine nachhaltige, gemeinsame Zukunft sichern. Ein erster Schritt ist, sich auf neue Gesprächspartner– und Partnerinnen einzulassen und ihnen mit Interesse zuzuhören. Wenn ich zu Meetings oder Veranstaltungen gehe, treffe ich in der Regel dieselben Menschen. Wir kennen uns und freuen uns über das Wiedersehen und die Austauschmöglichkeit, was auch gut ist. Ich denke jedoch, dass es wichtig ist, noch einmal genauer zu schauen: Haben wir alle relevanten Stakeholder im Raum? Wie wäre es, wenn wir noch andere im Raum hätten, die unsere Ansichten in Frage stellen oder ganz neue Aspekte dazu bringen? Menschen, die mit ganz anderen Erfahrungen auf eine Thematik blicken, die nicht in der gleichen Konnotation sprechen und die Sprache, Wörter und Gesten anders nutzen. 

Was denkst du, warum passiert das noch nicht öfter?
Ein Faktor ist sicherlich die Zeit. Vielfach stecken wir noch in einem recht vollen Tagesablauf oder Zeitplan, der wenig Zeit lässt, einmal wirklich neue Wege zu gehen. Dann gibt es auch immer Anforderungen, wie erfolgreiche Meetings und Veranstaltungen sein sollten. Etwas Neues zu wagen, kann dann auch ein Risiko sein, dass man nicht immer eingehen kann. Auch fehlen uns oft die Kontakte zu den Menschen, die wir eigentlich gern einladen würden, oder dass Wissen, dass es sie überhaupt gibt. 

Wie kann man solche Kontakte herstellen?
Zum einen ist es der Blick, den wir auf die Themen haben, die wir gerade bearbeiten. Hier immer wieder zu gucken, wie wir unterschiedlichste Facetten mit einbringen können, ist ein wichtiger Schritt. Dadurch sehen wir oft erst, welche Menschen an diesem Thema auch arbeiten oder betroffen und involviert sind. Das eigene Netzwerk auszubauen ist ein weiterer Schritt. Ich halte es aber auch für wichtig, immer wieder den Zielkonflikt zwischen mehr machen und Zeit haben – für das Zuhören, für Gespräche, für Reflexion, etc. – im Blick zu haben. Das bedeutet zum Beispiel auch, dass wir Dienstreisen noch einmal überdenken, insbesondere die Häufigkeit und Länge. Wie oft gibt es kurze Dienstreisen, in denen man schnell von A nach B huscht, häufig auch noch per Flugzeug. Ich habe mir nach den Erfahrungen in diesem Jahr vorgenommen, bei Dienstreisen selektiver zu sein – was ist wirklich notwendig und wie kann es deutlich nachhaltiger mit Blick auf den Klimawandel aussehen. 

Aber bedeutet das nicht wieder weniger Kontakte zu Menschen, die du anders nicht treffen würdest?
Nicht unbedingt. Ich denke, hier können wir noch einmal grundlegend über andere Formen von Austausch und Dialog nachdenken. Persönliche Begegnungen werden immer wichtig sein, aber nutzen wir die Möglichkeiten der Digitalisierung schon hinreichend genug? Auf dem von der Robert Bosch Stiftung und dem Bundesverband Deutscher Stiftungen gemeinsam veranstalteten Afrika Workshop im Januar 2019 wurde zum Beispiel die Idee einer digitalen Plattform vorgestellt, auf der sich Menschen zu Lösungen für die Nachhaltigkeitsziele austauschen können. Das geschah mit dem Wunsch, auch den Menschen Zugang zu ermöglichen, die sonst eher nicht die Möglichkeit haben, bei größeren Meetings dabei zu sein oder zu Veranstaltungen zu reisen. Diese Idee wird gerade weitergetragen und ich bin gespannt, ob es sich materialisieren wird. Ein weiterer Weg ist viel mehr in Netzwerken zu denken, dann muss man auch nicht überall selbst vor Ort sein. 

Die Pilotmaßnahme, in der du arbeitest, läuft noch bis Ende des Jahres. Wie wirst Du die Zeit nutzen?
Die drei großen Themenblöcke, zu denen ich im Bundesverband beitragen durfte, waren: Next Philanthropy, der Beitrag der Philanthropie zu den Nachhaltigkeitszielen und der Aufbau neuer partnerschaftlicher Ansätze in der Zusammenarbeit mit Afrika. Ich hoffe, dass ich in den nächsten Monaten all das, woran ich mitarbeiten konnte, noch so weit bringen kann, damit es hinterher auch im Bundesverband weitergeführt werden oder aber zu nächsten Schritten führen kann. Derzeit wird auch über eine Verlängerung der Pilotmaßnahme diskutiert. Das wäre natürlich klasse, dann gäbe es mehr Zeit, die Arbeit nachhaltig zu verankern, denn zweieinhalb Jahre sind für eine neue Pilotmaßnahme eine recht kurz Zeitspanne. 

EZ-Scouts für Stiftungen

Um die Zusammenarbeit zwischen Stiftungen und der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) zu fördern, sind seit Sommer 2017 deutschlandweit sogenannte EZ-Scouts bei stiftungsnahen Organisationen im Einsatz. Sie sind als entwicklungspolitische Beraterinnen im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) tätig und werden über Engagement Global durch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) an Stiftungen oder Verbände entsendet.

Service für Stiftungen vom Team Internationales

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