„Wie komme ich hier bloß raus?!“
Warum die Schauspielerin Maria Furtwängler am liebsten wieder aussteigen wollte, als sie und ihre Mitreisenden im Flieger nach München von einer Flugkapitänin begrüßt wurden, und was dieses Erlebnis mit ihrer Stiftung MaLisa zu tun hat, erzählt sie gemeinsam mit ihrer Tochter Elisabeth im Interview.
Stiftungswelt: Frau Dr. Furtwängler, Sie haben im Jahr 2016 die MaLisa Stiftung gegründet. Was hat es mit dem Namen auf sich?
Maria Furtwängler: Elisabeth und ich haben die Stiftung gemeinsam ins Leben gerufen, und so hat sich der Name ergeben: „MaLisa“. Wir engagieren uns bereits seit längerer Zeit im Globalen Süden, um dazu beizutragen, Frauen und Mädchen dort vor Gewalt zu schützen. Durch meine Einsätze mit German Doctors e.V. – ein Verein, dem ich schon seit 20 Jahren als Kuratoriumsvorsitzende verbunden bin – hatte ich bereits aus erster Hand erlebt, wie Frauen und Mädchen in vielen Teilen der Welt diskriminiert werden.
Was waren das für Einsätze?
M. Furtwängler: Ich habe Frauen behandelt, deren Ehemänner versucht hatten, sie zu ermorden, um mit einer anderen Frau eine weitere Mitgift zu ergattern, und weibliche Babys, die stark unterernährt waren, weil sie aus Sicht ihrer Eltern weniger wert waren als die Brüder. Das hat mich sehr berührt und geprägt. Nachdem Lisa durch ihre Arbeit mit Straßenkindern in Südostasien das Ausmaß des Menschenhandels dort erlebt hat, haben wir 2011 gemeinsam mit German Doctors das MaLisa Home gegründet, ein Schutzhaus für Mädchen, die auf den Philippinen von sexueller Ausbeutung betroffen sind. Die Stiftung war für uns ein nächster und logischer Schritt in unserem Engagement.
Die MaLisa Stiftung ist nun vor allem in Deutschland aktiv. Warum?
Elisabeth Furtwängler: Je mehr wir uns mit dem Thema Gewalt an Frauen und Mädchen beschäftigt haben, desto bewusster wurde uns, wie viel es auch hierzulande noch zu tun gibt. Bei unseren Überlegungen, wo wir uns am wirksamsten einbringen können, wurde uns schnell klar, welche Rolle einschränkende Geschlechterbilder spielen. Auch aus eigener Erfahrung war uns bewusst, dass diese oft durch die Medien vermittelt werden. Deshalb setzen wir genau hier mit unserer Arbeit an.
Nicht wenige in unserer Gesellschaft sind ganz zufrieden mit dem Stand der Gleichberechtigung in Deutschland; andere wiederum sagen, dass ihnen das ganze Thema „Gender“ sogar zu weit geht. Wieso sind die Beharrungskräfte gerade bei dieser Thematik so stark?
M. Furtwängler: Meine Erfahrung ist, dass Menschen sich generell schwertun, wenn es um die Veränderung bestehender Verhältnisse – insbesondere Machtverhältnisse – geht. Es fällt uns allen nicht leicht, uns von unseren jahrelang eingeübten Denk- und Verhaltensgewohnheiten zu lösen. Beim Thema Geschlechtergerechtigkeit ist der Widerstand gegen Veränderung womöglich noch etwas größer, da wir alle uns hier, insbesondere auch in unseren engen sozialen Beziehungen, hinterfragen müssen.
Wie meinen Sie das?
M. Furtwängler: Wir müssen auf einmal auch darauf schauen, wie in unseren Familien, in unserer Partnerschaft die Rollen verteilt sind. Das kann eine Verunsicherung mit sich bringen, die wir vielleicht lieber vermeiden würden. Und wenn man eine gerechtere Behandlung – ob in der Familie oder am Arbeitsplatz – einfordert, reagieren einige dann eher brüskiert, weil sie sich ja gar nicht bewusst waren, dass sie ungerecht gehandelt haben.
Diese zumeist unbewusste Übernahme der gesellschaftlichen Zuschreibung von Geschlechterrollen – sind Sie selbst davor gefeit?
M. Furtwängler: Keineswegs! Vor einigen Jahren hatte ich ein in dieser Hinsicht echtes Schlüsselerlebnis: Ich saß in einem Flieger und hörte eine weibliche Stimme: „Guten Tag, hier spricht Frau Meier, ich bin die Kapitänin auf Ihrem Flug heute nach München.“ Und mein erster Gedanke war: Auweia – wie komme ich hier bloß raus?! Dann bin ich über mich selbst erschrocken: Wieso traue ich es einer Frau nicht zu, warum habe ich kein Bild von einer Frau, die selbstverständlich ein Flugzeug sicher fliegen kann? Da ist mir klar geworden, dass es in allen Filmen, die ich gesehen, in allen Kinderbüchern, die ich gelesen habe, nur männliche Piloten gab. In dem Moment ist mir die Macht dieser Bilder – dieser Vor-Bilder – so eklatant bewusst geworden. Mir ist klar geworden, wie sehr Erzählungen unsere Vorstellungen beeinflussen, wie sie Möglichkeitsräume öffnen können – oder eben auch nicht.
Das gesamte Interview lesen Sie in der Herbstausgabe der „Stiftungswelt“ mit dem Titel „Auf dem Sprung. Wege zur Geschlechtergerechtigkeit“
Nicole Alexander
Alle Beiträge von Nicole AlexanderDr. Mario Schulz
Alle Beiträge von Dr. Mario SchulzÜber die Gesprächspartnerinnen
Dr. Maria Furtwängler ist promovierte Ärztin, Schauspielerin und Produzentin. Sie ist Kuratoriumspräsidentin der Hilfsorganisation German Doctors und Mitbegründerin der Digital Life Design-Konferenzreihe DLDwomen. Für ihr Engagement wurde sie mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Bundesverdienstkreuz, dem Bayerischen Verdienstorden und zuletzt mit dem Karl Kübel Preis 2017.
Elisabeth Furtwängler hat Kunstgeschichte in Cambridge und Musik in Los Angeles studiert. Unter dem Künstlernamen Lisa Fou tritt sie als Singer-Songwriterin auf. Gemeinsam mit ihrer Mutter, der Schauspielerin Maria Furtwängler, hat sie 2016 die MaLisa Stiftung gegründet, deren Vorstand sie heute bilden. Mit der Stiftung erweitern die beiden ihr Engagement für die Stärkung von Frauen und Mädchen und widmen sich der Überwindung von geschlechtsspezifischen Formen der Diskriminierung in Deutschland.
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