So kann Geschlechtergerechtigkeit gelingen

Workshop Geschlechtergerechtigkeit in Berlin
Geschlechtergerechtigkeit
© Detlef Eden
17.10.2019
Geschlechtergerechtigkeit
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In einem interaktiven Workshop diskutierten Stiftungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter gemeinsam mit Expertinnen konkrete Handlung- und Umsetzungssempfehlungen für mehr Geschlechtergerechtigkeit in Stiftungen.

„Geschlechtergerechtigkeit in der Stiftungspraxis“ – unter diesem Titel hatten der Bundesverband Deutscher Stiftung und das Beratungshaus Phineo am 1. Oktober, dem europaweiten Tag der Stiftungen, zu einem interaktiver Workshop für Stiftungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter ins Haus Deutscher Stiftungen in Berlin-Mitte eingeladen. Ziel der Veranstaltung: Gemeinsam mit Expertinnen und Experten konkrete Handlung- und Umsetzungssempfehlungen zu erarbeiten, die dazu beitragen sollen, Geschlechtergerechtigkeit in der eigenen Organisation wie auch in den Projekten umzusetzen.

Und das Interesse war da: Über zwanzig Teilnehmerinnen fanden sich in dem denkmalgeschützten Haus nahe dem Checkpoint Charlie zum Diskutieren und zum Erfahrungsaustausch ein. Zugleich zeigte bereits der erste Blick in den Veranstaltungsraum, wie schwer es das Thema Geschlechtergerechtigkeit immer noch hat. Denn die Zahl der männlichen Teilnehmer war mehr als überschaubar.

Dass dieses mangelnde Interesse an einem vermeintlichen „Frauenthema“ nicht nur fatal für die Frauen selbst ist, sondern für die Gesellschaft insgesamt, machte Anke Pätsch bei ihrer Begrüßung deutlich. So wies Pätsch, Mitglied der Geschäftsleitung des Bundesverbandes und seit einigen Monaten Ansprechpartnerin für alle Mitgliedsstiftungen, die sich mit dem Thema intensiver auseinandersetzen wollen, unter anderem darauf hin, dass im beruflichen Kontext gemischte Teams deutlich innovativer sind als Teams, die etwa nur aus Männern bestehen.  

Gleichberechtigung als Hebel

Zugleich machte sie auf die ganz grundlegenden Herausforderungen aufmerksam, vor denen ein wirklich gleichberechtigtes Miteinander steht. So würden Männer und Frauen oft ganz unterschiedlich sprechen. Ihr selbst komme die männliche Kommunikation manchmal wie eine Fremdsprache vor. „Ich kann ja schon einige Sprachen. Jetzt kann ich also auch noch ‚Männisch‘ lernen“, so Pätsch und stieß mit dieser Bemerkung auf belustigte Zustimmung unter den vorwiegend weiblichen Zuhörerinnen.

Auch die drei Themenmoderatorinnen, die sich anschließend vorstellten, wiesen auf die fundamentale Bedeutung des Themas hin. So sagte etwa Kathrin Hartkopf, Geschäftsführerin der Stiftung Hilfe mit Plan / Stiftung von Plan International Deutschland mit Blick auf die globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals – SDGs): „Das SDG 5, in dem die Geschlechtergleichheit festgeschrieben ist, ist das Haupt-SDG. Wenn wir dieses Ziel ernsthaft verfolgen, bekommen wir auch die anderen SDGs eher geknackt. Gleichberechtigung der Geschlechter ist der Hebel für alle anderen Nachhaltigkeitsziele.“

Anschließend tauschten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter Leitung von Kathrin Hartkopf, Christiane von Bernstorff, Wirkungsexpertinnen beim Beratungshaus PHINEO, sowie Helene Wolf, Gründerin und Vorstandsvorsitzende der Initiative FAIR SHARE of Women Leaders, an drei Thementischen über die Erfahrungen aus, die sie in ihren Stiftungen mit dem Thema Geschlechtergerechtigkeit gemacht haben. Die Diskussionen orientierten sich an drei Leitfragen: Was wollen Sie tun, um das Thema in ihrer Stiftung voranzubringen? Was machen Sie bereits? Und: Welche Hürden gibt es und wie können wir diese Hürden gemeinsam nehmen?  

Das Narrativ ist zentral

Am Ende fassten die drei Moderatorinnen die Ergebnisse der Diskussionen an ihrem jeweiligen Thementisch zusammen. Mit Blick auf die Organisations- und Führungskultur wies Helene Wolf darauf hin, dass viele Stiftungen dem gesellschaftlichen Anspruch einer gleichberechtigten Besetzung von Führungspositionen offensichtlich hinterherhinken.  Christiane von Bernstorff sagte, an ihrem Thementisch  sei es vor allem um die Macht der Sprache gegangen und darum, wie sich verschiedene Zielgruppen ansprechen lassen. „Das Narrativ ist ganz zentral, wenn man an die Entscheider herangeht“, so von Bernstorff.  Um die noch überwiegend männlichen Entscheider zu erreichen, müsse ihnen deutlich gemacht werden, dass es „nicht um das Mann-Frau-Ding geht, sondern um Diversität“.

Und Kathrin Hartkopf wies auf die verschiedenen Faktoren hin, welche die Debatte um Gendergerechtigkeit befördern bzw. behindern. Hinderlich seien etwa das Einnehmen einer Opferhaltung und das Schüren von Ängsten. Förderlich seien die MeToo-Debatte, Humor und  vor allem die Fähigkeit, die Perspektive zu wechseln und die Welt aus der Sicht des jeweils anderen Geschlechts zu sehen.

Insgesamt machte die Veranstaltung deutlich, dass es noch viel zu tun gibt auf dem Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit – auch und gerade im Stiftungssektor. Und so entließ Anke Pätsch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit den Worten: „Der Anfang ist leicht, Beharren ist Kunst. Ihr alle seid jetzt ein Stück weit Künstlerinnen und Künstler.“

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