Studie: Stiftungen achten auf Nachhaltigkeit und Wirkungsorientierung
Immer mehr Stiftungen fordern von ihren Vermögensverwaltern sowohl nachhaltige Kapitalanlagen wie auch Anlagen, die den Stiftungszweck unterstützen. Eine Studie gibt Einblicke, inwieweit dieser Trend in der Stiftungspraxis bereits verankert ist.
Bei der Vermögensverwaltung von Stiftungen geht es zunehmend darum, nicht nur die Rendite und das Risiko der Anlagen zu optimieren. Angesichts der geringen Zinserträge werden die Kosten näher angeschaut und optimiert. Auch ein inhaltlicher Wandel findet statt: Immer mehr Stiftungen fordern von ihren Vermögensverwaltern sowohl nachhaltige Kapitalanlagen wie auch Anlagen, die den Stiftungszweck unterstützen.
Angesichts diverser Empfehlungen und Leitfäden aus Stiftungsverbänden, Workshops und Arbeitsgruppen hat Responsible Impact Investing im Rahmen einer Studie evaluiert, inwieweit dieser Trend in der Praxis bereits verankert ist. Der Bericht auf der Basis von über 50 Interviews mit Stiftungsvertretern zeigt nicht nur den Status Quo der Umsetzung zu nachhaltigen und zweckbezogenen Anlagen auf. Es werden auch die entsprechenden Bedürfnisse der Stiftungen und die hemmenden Faktoren und Probleme bei der Umsetzung deutlich. Darauf aufbauend entwickelt die Studie Handlungsempfehlungen zur Weiterentwicklung des Marktes und bietet eine Übersicht zu Akteuren und Umsetzungsformen.
Zunehmende Sensibilisierung der Stiftungen
Die Befragung zeigt eine bereits deutliche Auseinandersetzung von Stiftungen mit zweckbezogenen Anlagen. Bei 84 Prozent der befragten Stiftungen wurde das Thema schon intern diskutiert. Drei Viertel der befragten Stiftungen haben mittlerweile sogar Vorgaben im Anlagereglement verankert.
Welche Hintergründe führen zu dieser Entwicklung? Führen die gesunkenen Erträge aus der Vermögensverwaltung und mitunter gekürzte Budgets für die Projektarbeit zu einer verstärkten Auseinandersetzung damit, wie auch das Vermögen den Stiftungszweck unterstützen kann? Können negative Pressebeiträge über Stiftungen wie der Bill und Melinda Gates Stiftung oder der Nobel-Stiftung über Investitionen in dem Stiftungszweck eher wiederstrebende Firmen zu einer Sensibilisierung beitragen?
Bei den Interviews für die Studie wurden neben Reputationsgründen und der Vermeidung von Widersprüchen auch die Umsetzung von Werten (eigene oder die des Stifters) als Motivation genannt. Ausserdem streben viele Stiftungen an, durch eine gezielte Gestaltung der Investitionen eine Wirkung zu erzielen. Die Logik dahinter ist klar: Warum nur einen geringen Bruchteil des Vermögens in Form von Zins- und Kapitalerträgen nutzen und nicht das komplette Vermögen in den Dienst des Stiftungszweckes stellen?
Zahlreiche Aktivitäten im Markt: Thema wird salonfähig
Heute finden keine Stiftungsveranstaltungen oder institutionelle Fondskongresse mehr statt, ohne entsprechende Workshops zu nachhaltigen Anlagen. Die Wirkung des Vermögens wird auch im Rahmen der Stiftungs-Governance aufgegriffen: Vor zwei Jahren hat der renommierte Swiss Foundation Code seine Leitlinien aktualisiert und mit einer konkreten Empfehlung für nachhaltige Anlagen einen Paradigmenwechsel für die Vermögensbewirtschaftung eingeleitet.
Wie setzen Stiftungen nachhaltige bzw. zweckbezogene Anlagen bisher um? Bei den meisten befragten Stiftungen kommen Ausschlusskriterien zum Zuge. Ausserdem spielen positive Nachhaltigkeits- oder ESG-Kriterien oder auch Impact Investments eine wichtige Rolle.
Trotz dieser positiven Impulse und der durchaus breiten Auseinandersetzung mit dem Thema gibt es weiterhin eine Zurückhaltung bei der Implementierung: Daher wurden die Interviewpartner auch nach den Faktoren befragt, die eine weitere Verbreitung nachhaltiger und zweckbezogener Anlagen hemmen. Dabei werden ideologische Vorbehalte, fehlendes Wissen oder mangelnder externer Druck als Faktoren genannt.
Für eine Förderung der Verbreitung zweckbezogener Anlagen
Zusammenfassend zeigt die Studie deutlich, dass das Thema nachhaltiger und zweckbezogener Anlagen nun auch in der deutschsprachigen Stiftungsszene eindeutig Fuss gefasst hat. Obwohl einige Stiftungen bereits konkrete Massnahmen umgesetzt haben, könnte das Potential noch besser ausgeschöpft werden. Folgende Faktoren werden auf der Basis der geführten Gespräche als besonders relevant eigeschätzt:
Aufbau von Knowhow bei Stiftungen: Der stärkere Aufbau von Finanz-Knowhow sowie ein modernes Selbstverständnis der Stiftungen, dass auch das Vermögen eine positive Wirkung erzielen kann, fördert Offenheit und schafft Anreize für entsprechende Lösungen. Auch bei der Umsetzung sind Fortschritte möglich: Wer Wirkung mit dem Vermögen anstrebt, sollte über Negativkriterien hinaus gehen!
Erhöhte Kompetenz seitens der Vermögensverwalter: Stiftungen wünschen sich Finanzakteure als glaubwürdige Partner, die individuell auf ihre Bedürfnisse eingehen und – auch in Bezug auf Nachhaltigkeit – Optionen aufzeigen. Ihre Kompetenz für nachhaltige und zweckbezogene Anlagen sollte im Beratungsprozess systematisch verankert werden und mit einer ehrlichen Kommunikation und einem fundierten Reporting einhergehen.
Transparentes Angebot und individuelle Lösungen: Der Zugang zu nachhaltigen Anlagen kann durch mehr Transparenz im Angebot sowie eine Kommunikation über positive Beispiele oder kreative Lösungen, auch unter Einbezug von Stiftungs-Knowhow, gefördert werden. Die vorliegende Studie zeigt hierzu einige Beispiele auf und bietet zudem einen Überblick über Ansätze und Akteure.
Öffentliches Interesse: Wenn die Öffentlichkeit mehr Transparenz für Stiftungsvermögen einfordern bzw. eine stärkere Sensibilisierung für Reputationsrisiken entstehen würde, wäre der Anreiz für Stiftungen höher, sich hier zu engagieren. Auch können konkrete Anregungen bzw. Informationen seitens der Behörden die Umsetzung beschleunigen.
Viele Stiftungen setzen sich mit der Thematik auseinander, doch liegt es nicht an ihnen allein, dass die Chance genutzt wird, mit ihrem Vermögen mehr Wirkung zu erzielen. Die unterschiedlichen Ebenen der Empfehlungen zeigen auf, dass alle Akteure im Umfeld der Vermögensverwaltung von Stiftung einen Beitrag leisten können, um die guten Ansätze im Markt und die bestehende Dynamik im Thema zu unterstützen.
Autorin
Dr. Ingeborg Schumacher-Hummel ist Geschäftsführerin von Responsible Impact Investing.
Die Studie "Mit Stiftungsvermögen Wirkung erzielen" wurde von Responsible Impact Investing in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern (Fachverbände sowie Finanzinstitutionen) initiiert und erarbeitet.
Transparenzhinweis
Artikel von externen Autoren: Transparenz und Selbstverständnis
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