Über Kollaboration gemeinsam mehr erreichen
Wie wird philanthropisches Handeln möglichst effektiv? Durch Kollaboration oder wenn sich jeder auf seine Stärken konzentriert? Eine Bestandsaufnahme von Annette Kleinbrod, EZ-Scout im Bundesverband Deutscher Stiftungen.
Die großen Herausforderungen, vom Klimawandel über soziale Ungleichheiten bis hin zu Entwicklung von Zukunftschancen für Kinder und Jugendliche, können nur durch Kollaboration gelöst werden. Diese Erkenntnis bildet die Grundlage der „Next Philanthropy Initiative“, die sich den Fragen der Philanthropie am Übergang vom Heute zur Zukunft widmet.
Zusammenarbeit über Grenzen hinweg
Für Darren Walker, Präsident der Ford Foundation, sind Zusammenarbeit, Koordination und Partnerschaft die drei wesentlichen Elemente, um mit philanthropischem Wirken erfolgreich zu sein. Die Michael and Susan Dell Foundation stellt in ihrem „A Philanthropist’s Guide to the Future“ fest: „Von der Kooperation bis zur Zusammenarbeit: Philanthropen suchen nach neuen Wegen der Zusammenarbeit mit anderen, um Ergebnisse zu erzielen – über Branchen, Disziplinen und geografische Grenzen hinweg.“
Auf internationaler Ebene gibt es hierfür sehr viele und auch sehr unterschiedliche Beispiele:
- Die Leo DiCaprio Foundation hat mit Laurene Powell Jobs und dem Investor Brian Sheth die Earth Alliance gegründet, um gemeinsam Maßnahmen für Klima und Umwelt zu initiieren.
- Die Initiative Co-Impact versteht sich als „globale Kooperation, die sich auf den Systemwandel konzentriert, um das Leben von Millionen Menschen zu verbessern, indem sie Bildung fördert, die Gesundheit der Menschen verbessert und wirtschaftliche Möglichkeiten bietet.“
- Tata Trust und das Omidyar Network kooperieren mit der Regierung des Bundesstaates Odisha in Indien, um mit neuen Technologien informelle Siedlungen zu kartieren und Haushalte zu identifizieren, die so einen Anspruch auf Eigentumsrechte bekommen können.
Auch der sogenannte „Giving Pledge“, eine im Jahr 2010 von Bill Gates und Warren Buffet gestartete Kampagne, die anderen vermögenden Menschen zum Stiften bewegen möchte, basiert auf Kollaboration.
Oder doch „zur eigenen Trommel marschieren“?
Als ich vor über zwei Jahren mit meiner Arbeit in der Pilotmaßnahme „EZ-Scouts für Stiftungen“ begann, wurde in Gesprächen oft geäußert, dass deutsche Stiftungen ungern mit anderen kooperieren und eher „ihr Ding“ machen würden. Konnte das sein? Und was bedeutet dies für die Pilotmaßnahme, die explizit auf eine Zusammenarbeit unterschiedlichster Akteure angelegt ist. Ein ähnliches Bild gibt es auch in anderen Ländern. So berichteten zum Beispiel Willa Seldon, Thomas J. Tierney und Gihani Fernando von der Bridgespan Group in einem Artikel von 2013, dass es durchaus Stiftungen und Philanthropen gäbe, die Vorreiter in der Zusammenarbeit sind, um gesellschaftliche Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Die Mehrheit würde jedoch lediglich am Wissensaustausch oder der Koordination von Informationen zu Kooperationen interessiert sein. So kamen die Autoren zu dem Schluss: „Stiftungen und einzelne Philanthropen neigen dazu, zu ihrer eigenen Trommel zu marschieren.“
Doch es gab es auch andere Gespräche mit Stifterinnen und Stiftern. Friedrich Keller-Bauer, Gründer der Stiftung Sabab Lou, erzählte mir von einer erfolgreichen Kooperation mit der Universität Hohenheim, wo Studierende in dem Anshoe Women Project in Ghana die Arbeit durch Forschungen unterstützen und zugleich wertvolle Erfahrungen für ihren eigenen Berufsweg sammeln. Klaus Milke, Chair von Foundations 20 (F20), ließ mich hinter die Kulissen der Entwicklung dieser außergewöhnlichen und erfolgreichen globalen Stiftungsplattform schauen, die inzwischen über 50 Mitglieder aus dem Stiftungssektor hat. Und es gab Gespräche zwischen dem Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) und drei Stiftungen, die zu der gemeinsamen Initiative TEAM UP führten, durch die bessere Perspektiven für junge Menschen in Nordafrika geschaffen werden sollen. Die drei Stiftungen sind die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW), die Hanns R. Neumann Stiftung und die Siemens Stiftung.
Ein „Ja“ zur Kooperation, wo es Sinn macht
Kooperation ist kein eng definierter Begriff. Im Gegenteil, die Spannbreite von Zusammenarbeit ist sehr weit: von einer losen Absprache zu einer einzelnen Aktion über mehrjährige gemeinsame Projektarbeit bis hin zum Zusammenschluss von Organisationen. Sie macht dort Sinn, wo Partner sich aufeinander zubewegen wollen. Und wo durch die gemeinsame Arbeit Lösungen oder Wirkungen herbeigeführt werden, die alleine nicht erreicht werden. Dabei ist zu bedenken, dass Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure in der Regel Zeit braucht: zum Kennenlernen, Prozesse abstimmen, Koordinieren und vielem anderen mehr.
Ich sehe kein „Nein“ zur Zusammenarbeit mit anderen Akteuren bei deutschen Stifterinnen und Stiftern, sondern vielmehr die wohl überlegte Fragestellung: Was macht Sinn und was bringt uns weiter? So fasste zum Beispiel Michael Beier, Vorstandsvorsitzender der Heinz Sielmann Stiftung, es kurz zusammen: „Die Netzwerke müssen zum Stiftungszweck und den bestehenden Projekten passen, dann erzeugen sie einen Mehrwert für die Stiftung. Dabei muss die eigene Rolle sichtbar bleiben.“
Und wie sieht es mit meiner Arbeit als entsandter EZ-Scout im Bundesverband Deutscher Stiftungen aus? Im Rahmen meiner Tätigkeit konnte ich beispielsweise zu der Entwicklung der Next Philanthropy Initiative beitragen. Hier hat sich eine Gruppe von sieben internationalen Partnern aus dem philanthropischen Sektor unter Förderung der Stiftung Mercator zusammengefunden, um Erkenntnisse zur Zukunft der Philanthropie zusammen zu tragen und zu diskutieren. Das war – und ist noch – Neuland. Spannend war zu sehen, wie viel aus dieser Initiative durch die gemeinsame Arbeit innerhalb kurzer Zeit entstanden ist. Ein weiteres Beispiel ist die Arbeit mit und zu Afrika. In einem im Januar 2019 mit der Robert Bosch Stiftung GmbH veranstalteten Workshop, wurde über neue Partnerschaften mit Afrika diskutiert. Und das führen wir jetzt weiter fort, indem wir versuchen, eine Kooperation mit den beiden Netzwerken Africa Venture Philanthropy Alliance und Africa Philanthropy Network zu starten, um so eine bessere Infrastruktur für deutsche Stiftungen für philanthropisches Wirken in Afrika zu schaffen.

Dr. Annette Kleinbrod
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