Hunde als Lebensretter im Iran

Hunde als Lebensretter
Globales Engagement
© Iranischer Roter Halbmond
30.11.2017
Globales Engagement
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Das Deutsche Rote Kreuz unterstützt u.a. mit Geldern aus der Stiftung für Rotkreuz-Auslandshilfe den Iranischen Roten Halbmond beim Aufbau und der Ausbildung seiner Rettungshundestaffeln.

Rettungshundeführer
© Iranischer Roter Halbmond
Rettungshundeführer

Am frühen Morgen des 13. November 2017 meldet Tiana Hickel, Sachgebietsleiterin für den Nahen und Mittleren Osten und Nordafrika im Team Internationale Zusammenarbeit beim Deutschen Roten Kreuz:

"Ein schweres Erdbeben mit der Stärke 7,3 hat in der Nacht zum 13. November die nördliche Grenzregion des Iran und Irak erschüttert. Im Laufe der Nacht kam es zu hunderten von Nachbeben. Über 440 Menschen sollen dabei in den betroffenen acht Städten und 2.000 Dörfern ums Leben gekommen sein. Tausende wurden verletzt, Zehntausende sind auf Hilfe angewiesen. Rettungs-Teams des Iranischen Roten Halbmonds befinden sich im Einsatz, um Hilfe zu leisten. Das Deutsche Rote Kreuz steht zur Unterstützung bereit. Der Iranische Rote Halbmond wird aber voraussichtlich keine internationale Hilfe benötigen."

Angesichts der Neuigkeiten über anhaltende, dramatische humanitäre Krisen mag diese Meldung trivial erscheinen. Einem Außenstehenden wäre vielleicht auch nicht aufgefallen, dass Tiana Hickel an besagtem Tag gelassen ist. Sie weiß, der Iranische Rote Halbmond (IRH) ist eine starke Rothalbmondschwestergesellschaft, die die Folgen des Erdbebens wahrscheinlich alleine ohne direkte Hilfe des Deutschen Roten Kreuzes bewältigen kann, gerade was die zeitkritische Suche nach Überlebenden des Erdbebens unter den Trümmern angeht.

Die Geschichte dahinter ist eindrücklich

Als 2003 ein Erdbeben der Stärke 6,6 nahezu die gesamte Stadt Bam im Südosten des Iran zerstörte, kamen über 26.000 Menschen ums Leben, mehr als 30.000 Menschen wurden verletzt. Das DRK entsandte damals Rettungshunde und unterstützte die humanitäre Hilfe und Maßnahmen zum Wiederaufbau seiner lokalen Schwestergesellschaft, dem Iranischen Roten Halbmond, umfangreich.

Der Iran gilt als eines der gefährdetsten Länder für Erdbeben weltweit. Nachdem der Iranische Rote Halbmond den Einsatz der DRK Rettungshundestaffeln und ihre sinnvolle Arbeit in Bam gesehen hatte, trat er nun an das DRK mit der Bitte heran sie beim Aufbau eines technisch professionellen und eigenständigen Rettungshundewesens im Iran, welches das Land geografisch zu 100 Prozent abdeckt, zu unterstützen. Denn die Ortung von Opfern spielt beim Retten von Menschenleben eine maßgebliche Rolle. Erst wenn Opfer gefunden werden, können sie geborgen, kann ihr Leben gerettet werden. Die ersten 72 Stunden sind dabei von immenser Wichtigkeit, mit der Ortung muss also unmittelbar nach dem Beben begonnen werden. Es liegt folglich nahe, die Kapazitäten vorsorglich im Land zu haben. Für die Ortung von Opfern haben sich trotz verschiedener, technischer Ortungsgeräte Rettungshunde als am zuverlässigsten erwiesen. Zusätzlich können die Rettungshundeführer mit ihrer Ausbildung sofort mit Erste-Hilfe-Maßnahmen für die medizinische Grundversorgung der Opfer sorgen.

Hunde gelten als nicht willkommenes Tier

„Ich bin bei meinen Besuchen im Iran immer wieder über den Sinneswandel erfreut, dass der Hund als fester Bestandteil im Katastrophenschutz nun von großen Teilen der Bevölkerung anerkannt wird.“
Tiana Hickel

Während das DRK über eine jahrzehntelange Tradition im Rettungshundewesen verfügt, ist das Thema für den Iran relativ neu. Generell sind Hunde im Iran nicht im gleichen Maß in die Gesellschaft und den Alltag integriert wie in Deutschland. Traditionell ist der Hund ein nicht unbedingt willkommenes Tier im Iran. Sie gelten gemeinhin als unreine Tiere, denen man lieber aus dem Weg geht. Die Arbeit mit Rettungshunden war also Neuland für den Iranischen Roten Halbmond und die iranische Gesellschaft. Deshalb war und ist auch eine allgemeine Aufklärung zum Thema für die breite Öffentlichkeit notwendig.

Seit 2004 unterstützt das DRK u.a. mit Geldern aus der Stiftung für Rotkreuz-Auslandshilfe die iranische Schwestergesellschaft kontinuierlich beim Auf- und Ausbau der Rettungshundestaffeln. Mittlerweile konzentriert sich die Arbeit des DRK im Iran auf die Ausbildung der Trainer für Rettungshundeführer. So kann der Iranische Rote Halbmond langfristig auch ohne technische Unterstützung das Rettungshundewesen in der eigenen Nationalgesellschaft weiterführen. Dies findet durch Trainings im Iran mit einer DRK Rettungshundeausbilderin und bei Austauschtrainings mit Hundestaffeln des DRK in Deutschland statt. Mittlerweile verfügt der IRH über insgesamt 74 eigene Rettungshundeteams im gesamten Land. Zusätzlich gibt es im IRH inzwischen zehn Ausbilder. Jede Provinz des Iran verfügt nun mindestens über zwei Rettungshundeteams, bestehend aus einem Rettungshundeführer plus Hund.

Im Rahmen der Soforthilfe nach dem aktuellen Erdbeben kamen über einen Zeitraum von einer Woche 31 Rettungshundeteams zum Einsatz, die 6 Lebendfunde und 15 Todfunde zu verzeichnen hatten.

Mit den Geldern aus der Stiftung für Rotkreuz-Auslandshilfe finanziert das DRK Projekte, welche die Kapazitäten von Schwestergesellschaften stärken, um sie besser auf die Bewältigung von wiederkehrenden Natur-und Menschengemachte Katastrophen vorzubereiten. Angesichts des Klimawandels werden solche Maßnahmen immer wichtiger, die Finanzierung solcher langfristigen Projekte ist jedoch nach wie vor schwierig. Es gilt die Faustregel, dass ein Euro der in Katastrophenvorsorge investiert wird, 4 Euro im Katastrophenfall spart.

Autor

Lucy Schweingruber
ist Referentin für Stiftungskooperationen beim Deutschen Roten Kreuz. 
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