Der Oxfam-Skandal in Haiti – Welche Bedeutung hat er für Stiftungswirken?

Stopping the Abuse of Power through Sexual Exploitation: Naming, Shaming, and Ending Sextortion
Globales Engagement
© International Association of Women Judges
27.03.2018
Globales Engagement
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Welche Bedeutung haben die Missbrauchsvorfälle für Stiftungswirken? Und wie können Stiftungen in ihrer internationalen Arbeit dem Missbrauch von Macht und der Ausnutzung von Menschen vorbeugen?

In vielen Presseartikeln und in den sozialen Netzwerken herrscht Fassungslosigkeit über die Missbrauchsvorfälle von Oxfam in Haiti, die über die New York Times Anfang Februar in der Öffentlichkeit bekannt wurden. Im Zuge dessen veröffentlichten auch Ärzte ohne Grenzen Vorfälle sexuellen Missbrauchs in ihrer Organisation. Der U2 Sänger Bono entschuldigte sich für Vorfälle von Mobbing und Missbrauch in der Organisation One, die er mitgegründet hatte. Mehrere Menschen kündigten ihre Rolle als Oxfam-Botschafter, unter anderem die Schauspielerin Minnie Driver, der Friedensnobelpreisträger Desmond Tito und der Sänger Baaba Maal. Haiti suspendierte Oxfam für zwei Monate während das Land Untersuchungen zu den Vorfällen durchführte und einige Organisationen sowie zahlreiche Privatspender stoppten vorerst ihre Finanzmittelzuwendungen. Der Skandal weitet sich zunehmend auch auf andere Organisationen aus.

(K)ein neues Phänomen?

Ganz unvorbereitet dürften diese Meldungen die Öffentlichkeit jedoch nicht getroffen haben. Es gab immer wieder Berichte, die auf den Missbrauch von Macht und die Ausnutzung von Menschen hingedeutet haben. So war die Kanadierin Megan Nobert 2015 während eines Einsatzes als Entwicklungshelferin im Südsudan von einem Mitarbeiter eines UNICEF-Vertragspartners vergewaltigt worden und ist danach an die Öffentlichkeit gegangen. Sie startete zudem eine Online-Reporting-Plattform, über die Menschen über Vorfälle berichten und Anlaufstellen für Unterstützung erfahren können.

Auch über das „Sextortion“-Phänomen wurde in den vergangenen Jahren mehrfach berichtet. Dabei handelt es sich um eine Form von Korruption, deren Währung nicht Geld, sondern Sex ist. Die International Association of Women Judges (IAWJ) hat über das Thema berichtet und informiert darüber, was getan werden kann, um Sextortion zu bekämpfen. Über die International Anti-Corruption Conference (IACC) Young Journalists wurde ein kurzer, aber deutliche Worte findender Film mit dem Titel „This is Sextortion. It’s a Crime“ verbreitet, in dem UN Peacekeepers und andere angesprochen werden. Wichtig zu beachten ist, dass bei all diesen Fällen, nicht nur Mädchen und Frauen zu den Opfern zählen, sondern auch Jungen und Männer wie auch Menschen, die auf welche Weise auch immer, nicht den gesellschaftlich-normativen Konventionen entsprechen.


 

Was Krieg, Verfolgung oder Naturkatastrophen für das eigene Leben de facto bedeuten, ist für die meisten kaum vorstellbar. Dazu kommt die Sorge um Familienmitglieder und Freunde und die Notlage, in der es Zugang zu Lebensmitteln und ärztlicher Grundversorgung nur unter erschwerten Bedingungen gibt. Aber auch Menschen, die in Krisengebiete oder Armutsregionen reisen, um dort als Helfende in der Not zu arbeiten, erleben Extremsituationen, die oft nur schwierig zu bewältigen sind. Sie sind weit entfernt von Familie und Freunden und erhalten nicht immer die Unterstützung, die sie bräuchten, um mit derartigen Situationen angemessen umgehen zu können oder Ängste und Stress verarbeiten zu können.

Stiftungen sollten Verhaltensregeln aufstellen

Wie können Stiftungen all diesen Aspekten in ihrer internationalen Arbeit vorbeugen? Es kommt dabei auf jeden einzelnen an – welche Aktionen vorgenommen werden, in welcher Art und Weise die eigene Arbeit hinterfragt wird und ob es erwünscht ist, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über Situationen, über die zu sprechen ihnen schwerfällt, offen reden können. Wichtig ist, Verhaltensregeln für die Arbeit in der Stiftung aufzustellen, diese bekannt zu machen, regelmäßig über sie zu sprechen und sie aktiv zu leben. Darüber hinaus empfiehlt sich ein Reporting-System einzurichten, zum Beispiel in Form einer „Whistleblower-Hotline“, und die Berichtsfälle systematisch aufzuarbeiten. Für Opfer von Missbrauchsfällen sollte konkrete Unterstützung angeboten werden. Die bereits erwähnte IAWJ hat in diesem Sinne konkrete Handlungsanweisungen gegeben, die auch für Stiftungen hilfreich sind.

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