Schöne grüne Digitalwelt

Homeoffice und cloudbasiertes Arbeiten können den CO2-Fußabdruck senken – wenn einige Regeln beachtet werden.

Vor Kurzem undenkbar, jetzt Realität: Ein großer Teil der arbeitenden Bevölkerung sitzt im Homeoffice. Das Coronavirus hat das Berufsleben in die Cloud gezwungen. Meetings finden in virtuellen Räumen statt und Abstimmungen passieren im Chat. Die tatsächlichen Auswirkungen auf Arbeit und Alltag sind zwar noch nicht abzusehen, doch bereits jetzt steht fest: COVID-19 wirbelt alles gehörig durcheinander und wird nachhaltige Veränderungen in der Art unserer Zusammenarbeit hinterlassen.

Neben der Sorge um die Gesundheit und unser Miteinander und der Angst vor dem wirtschaftlichen Absturz stellt sich die Frage, welche Chancen durch die Krise entstehen. In der chinesischen Stadt Wuhan, dem Ausgangspunkt der Pandemie, ist die Luftverschmutzung drastisch zurückgegangen und in Norditalien sanken die Kohlendioxid-Emissionen im Februar um 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch wenn dies nur ein vorübergehendes Durchatmen in der fortschreitenden Klimakrise ist, sollten wir uns mit den Chancen für mehr Nachhaltigkeit durch den kollektiven Umzug ins Homeoffice beschäftigen.

Welche Möglichkeiten ergeben sich, wenn wir konsequent Cloudbasierte Dienste wie Microsoft Office365, Skype, Zoom, Jitsi, Trello, Slack oder Google Docs nutzen? Was passiert mit unserem ökologischen Fußabdruck, während wir von zu Hause arbeiten, ortsungebunden Daten auf Cloud-Servern hin- und herbewegen, uns nicht persönlich treffen, sondern in virtuellen Räumen? Verbrauchen wir weniger Strom oder sogar mehr? Bleibt die drohende Klimakatastrophe aus, wenn wir papierlos und rein digital unserer Beschäftigung nachgehen?

Ist Arbeiten in der Cloud
wirklich grüner?

Wahrscheinlich eher nicht. Auch wenn die Cloud uns nicht greifbar erscheint, sie ist doch real. Denn hinter ihr steht ein weltweites Netzwerk an Computern mit schier unfassbaren Speicherkapazitäten, miteinander verbunden über schnelle Datenleitungen. Dank ihr arbeiten wir jederzeit und überall, unsere Daten und die Software sind stets verfügbar.

Doch jede Chatnachricht, Videokonferenz oder Bearbeitung eines Dokuments in der Cloud erfordert Rechenleistung und Speicherplatz. Dazu betreiben die Anbieter von Internet- und Clouddiensten gigantische Rechenzentren mit einem entsprechenden Energiebedarf. Die Greenpeace-Studie „Grüner Klicken“ fand bereits 2017 hierzu klare Worte: „Wäre das Internet ein Land, so hätte es weltweit den sechstgrößten Stromverbrauch.“ Für das Jahr 2020 haben die Experten von Greenpeace vorhergesagt, dass „alle zwei Minuten eine Datenmenge übers Internet ausgetauscht wird, die sämtlichen jemals gedrehten Spielfilmen zusammen entspricht“.

Selbst wenn es vor allem Netflix, YouTube und Co. sind, die das Datenvolumen in die Höhe treiben, tragen auch die „ernsthaften“ Internetanwendungen, die das Arbeiten in der Cloud ermöglichen, ihren Teil bei. Und in Zeiten der Corona-Pandemie wird dies kaum abnehmen. Vergrößert die zunehmende Nutzung von Cloud-Diensten also unseren ökologischen Fußabdruck? Nicht zwangsläufig. Denn Server können klimaneutral betrieben werden, wie zum Beispiel der Server, auf dem die Website des Bundesverbandes liegt. Wer seine Daten nicht bei einem der großen Dienstleister lagern möchte, kann über einen Dienst wie ownCloud eine CO2-neutrale und zudem datenschutzkonforme Cloud auf eigenen oder gemieteten Servern betreiben.

Doch was ist, wenn der Weg nicht an einer der gängigen Cloud-Lösungen, wie beispielsweise Office365 von Microsoft, vorbeiführt? Laut dem Konzern kein Problem. Nach eigenen Angaben gilt er seit 2012 als klimaneutral. Google behauptet, schon seit über einem Jahrzehnt klimaneutral zu sein. Auch der E-Commerce-Gigant Amazon, der mit Amazon Web Services die weltweit am häufigsten genutzte Cloud-Plattform und damit der größte Cloud-Dienstleister ist, will bis 2040 (!) CO2-neutral sein.

Also doch schöne, grüne Digitalwelt?

Hier ist Vorsicht angebracht. Denn die vollmundigen Ankündigungen müssen sich erst noch bewahrheiten. Der Daten- und Energiehunger unserer globalisierten Welt wird auch während des Corona-Lockdowns zunehmen. Zudem haben wir es hier mit komplexen Ketten zu tun. Ein klimaneutraler Cloud-Server macht das Arbeiten im Homeoffice noch lange nicht klimaneutral. Auch für den Computer im Homeoffice und bei der Geräteproduktion werden große Mengen an Energie benötigt. Obendrein ist es fraglich, ob es derzeit möglich ist, den Energiebedarf des Internets restlos aus regenerativen Energien zu betreiben.

Eine weitere Herausforderung stellen die Mobilfunknetze dar. Diese werden immer leistungsfähiger, um den mobilen Datenhunger zu bedienen. Und mit der bevorstehenden Einführung der 5G-Netze steht ein weiterer Meilenstein in der Verbreitung des Internets kurz bevor. Das Streamen von Filmen und Musik über die Handynetze wie auch das ortsunabhängige Arbeiten wird zunehmen. All dies kurbelt den Energiebedarf des Internets weiter an.

Stiftungen sollten daher folgende Punkte beachten

Kennen Sie Ihre Anbieter

Nehmen Sie Ihre Cloud-, Software- und Hardware-Anbieter genauer unter die Lupe. Achten Sie darauf, ob diese klimaneutral arbeiten oder dies zumindest anstreben.

Nachhaltige Smartphone-­Nutzung

Wer mobil arbeitet, muss erreichbar sein. Die meisten Smartphones sind Hightech-Wegwerfprodukte. Bereits die Herstellung ist eine große Belastung für unsere Umwelt. Zum Glück gibt es Alternativen wie das Fairphone und WEtell, ein nachhaltiger Mobilfunkanbieter.

Betreiben Sie digitale Hygiene

Speicherplatz, ob in der Cloud oder auf dem eigenen Server, ist günstig, sodass eher aufgerüstet als ausgemistet wird. Kein Wunder, dass auf den meisten Festplatten Unmengen an digitalem Müll liegen. Vielleicht ist jetzt die Zeit für einen Frühjahrsputz. Noch besser: weniger Daten produzieren und regelmäßig aufräumen. Bewahren Sie nicht von jedem Dokument drei Varianten auf.

Software richtig nutzen

Viele Programme bieten die Möglichkeit, Änderungen nachzuverfolgen. Sie brauchen ein Dokument also nicht nach jeder Überarbeitung unter neuem Namen abzuspeichern. Das ist fehleranfällig und produziert unnötig Daten. Eine E-Mail-Software dient dem Schreiben von E-Mails. Nicht zum Chatten, nicht fürs Projektmanagement und nicht für das Speichern von Daten. Eine Excelliste ist kein Planungstool, sondern für die Tabellenkalkulation konzipiert. Wenn Sie Anwendungen wie Teams, Trello oder Asana konsequent für Ihr Projektmanagement nutzen, verschlanken Sie Prozesse, schaffen Transparenz und speichern deutlich weniger Daten.

Die ­gesamte digitale Arbeitskette im Blick behalten

Ein erster Schritt zu mehr Nachhaltigkeit ist, bei Dienstleistern auf CO2-neutrale Angebote zu achten. Doch was ist mit den Kollegen und Kolleginnen, die im Homeoffice arbeiten? Nutzen sie Ökostrom? Und: Für viele Anwendungen reichen Gebrauchtgeräte. Über Programme wie „Stifter helfen“ bekommen Stiftungen gebrauchte Hardware.

Austauschen und dranbleiben

Die gesamte digitale Datenkette ist hochkomplex. Ob die einzelnen Entscheidungen jeweils einen richtigen Schritt zum nachhaltigen Digitalarbeiten darstellen, ist oft nicht gleich zu erkennen. Umso wichtiger ist es, miteinander ins Gespräch zu kommen und Erfahrungen auszutauschen. Nutzen Sie ihre Netzwerke – auch die im Stiftungswesen!

 

Eine Übersicht zu klimaneutral arbeitenden Dienstleistern finden Sie hier

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