Internationale Arbeit von Stiftungen in einer unübersichtlichen Welt

Die Globalisierung hat auch das Stiftungshandeln internationalisiert - im Ausland, wie im Inland. Michael Schwarz, Geschäftsführer der Stiftung Mercator, zeigt vier Blickwinkel auf das Thema auf.

© Stiftung Mercator/Peter Gwiazda

Plädoyer für den Austausch von Menschen und Ideen

Unsere Welt erscheint vielen Menschen als zunehmend komplex und unübersichtlich. Diese Wahrnehmung des Äußeren verändert unsere Gesellschaften im Innern. Die Angst vor dem Fremden steigt, die Ablehnung von Andersdenkenden wird schroffer. Wenn man dieser Entwicklung nicht nur zusehen will, gibt es viele Möglichkeiten, sich als Stiftung zu engagieren.

Ein guter Weg, mit der Unübersichtlichkeit umzugehen, ist es, die Augen und den Kopf zu öffnen für die Welt um uns herum. Wir müssen – auch um einer besseren Wahrnehmung unserer eigenen Gesellschaft willen – die Welt besser verstehen lernen, wir müssen uns ein differenzierteres Bild von ihr machen. Durch Wissen und Erleben. Durch gemeinsame Arbeit über Grenzen hinweg. Wir können gemeinsame, globale Herausforderungen durch internationale Kooperation besser meistern. Und auch unsere Herausforderungen im Innern können wir durch einen Blick in andere Länder besser lösen. Viele Stiftungen tun dies bereits heute. Je mehr es in Zukunft werden, desto besser.

Was wichtig ist: Internationale Arbeit ist nicht nur großen Stiftungen vorbehalten. Und: Internationale Arbeit ist nicht nur Stiftungen vorbehalten, die Völkerverständigung oder Entwicklungszusammenarbeit in ihrem Zweck verfolgen. Denn so wie sich internationale Arbeit nahezu aller gesellschaftlichen Handlungsräume (z.B. Bildung, Wissenschaft, Kultur, Religion, Recht) bedienen kann, so sind umgekehrt jene Räume von sich heraus auf die Dimension internationaler Arbeit angewiesen. Eine Wissenschaftsförderung ohne internationale Dimension etwa kann es nicht mehr geben.

Kategorien internationaler Arbeit von Stiftungen

Ich schlage vor, die internationale Arbeit von Stiftungen aus vier Blickrichtungen zu betrachten: Die drei Perspektiven „Internationale Verständigung“, „Inlandsperspektive“ sowie „Auslandsperspektive“ sind vor allem für jene Stiftungen einschlägig, die sich gemäß Abgabenordnung der Förderung internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens sowie der Förderung der Entwicklungszusammenarbeit unmittelbar verschrieben haben.

Die Inlandsperspektive bedeutet, im Inland möglichst viele Menschen zu befähigen, internationale Zusammenhänge besser zu verstehen. Die Auslandsperspektive bedeutet Arbeit vor Ort, nicht notwendigerweise mit einer unmittelbaren Rückwirkung ins Herkunftsland. Die Perspektive „internationale Verständigung“ setzt auf den bi- oder multilateralen Austausch von Menschen und Ideen.

Daneben gibt es noch eine vierte Perspektive, die auch für Stiftungen relevant ist, die nicht im oben genannten Sinne internationale Verständigungsarbeit oder Entwicklungszusammenarbeit fördern. Diese Perspektive kann „Themenperspektive“ genannt werden. Hier steht das thematische Interesse an Erkenntnissen aus anderen Ländern im Vordergrund.

Welche internationale Perspektive für welche Stiftung?

Welche der vier Perspektiven man als Stiftung wählt, hängt von Zweckdefinition und Strategie der jeweiligen Stiftung ab. Oft werden drei Faktoren Berücksichtigung finden: zum Ersten persönliche Erfahrungen der Stifterinnen und Stifter, sei es durch Herkunft, eigene Kontaktnetzwerke oder andere biografische Verknüpfungen.

Ein zweiter Faktor ist das Wirkungspotenzial für die Stiftung. Die Frage, welche Wirkung das Handeln der Stiftung in einem spezifischen Land erzielen kann, hängt von der eigenen Methoden- oder Regionalkompetenz bzw. den Kosten zum Erwerb einer solchen Kompetenz ab. Auch spielen die Rahmenbedingungen im Zielland eine Rolle, da sie maßgeblich auf den Erfolg der Stiftungsarbeit Einfluss nehmen: Die meisten Stiftungen werden sich eher gegen die Arbeit in einem krisenbehafteten Land entscheiden, wo keine stabilen rechtlichen und politischen Voraussetzungen vorzufinden sind. Je nach Risikobereitschaft kann man sich schließlich für die Strategie entscheiden, dort hinzugehen, wo noch Raum für eigene Wirkung ist, oder man kann sich anderen Stiftungen, NGOs, Kulturmittlern oder staatlichen Akteuren anschließen.

Zum Dritten kann man sich die Frage stellen, ob und warum ein bestimmtes Land eine Rolle bei der Lösung von nationalen und internationalen Herausforderungen spielen kann. Viele gesellschaftliche Herausforderungen – etwa menschengemachte Klimaveränderung, demografischer Wandel, Migration, Armut, Seuchen – lassen sich daraufhin bewerten, wo die wirkmächtigsten Akteure verortet sind und / oder wo der Handlungsdruck am größten ist. Verfolgt z.B. eine Stiftung das Ziel, zum globalen Klimaschutz beizutragen, so wird sie sich sicherlich die Liste der größten CO2-Emittenten anschauen, um zu entscheiden, wo sie sich engagieren kann. Ist der demografische Wandel das Thema, wird es international Best Practice-Beispiele geben, von denen sie lernen kann.

Lesen Sie den gesamten Text inkl. Grafiken in der StiftungsWelt 03/2017

Über den Autor

Michael Schwarz (Geschäftsführer, Stiftung Mercator & Beiratsmitglied im Bundesverband Deutscher Stiftungen)

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