"Oft reicht eine Person, um dem Leben eine Wendung zu geben"

© Anna Spindelndreier

Herr Krauthausen, Sie haben den 2016 verstorbenen Roger Willemsen als ihren ersten Mentor bezeichnet. Wieso?
Ich weiß gar nicht mehr, wie wir auf diese Mentoren-Thematik gekommen sind. Für mich war er einfach jemand, der mich inspiriert hat. Ich habe mich damals sehr für die Medienwelt interessiert, was meine Eltern sehr skeptisch beäugt haben. Aber bei Roger Willemsen konnten sie nichts sagen, weil sie auch Fans von ihm waren. 

Was genau hat er Ihnen beigebracht?
Journalismus im Grunde. Dass es wichtig ist, Leute richtig kennenzulernen, neugierig zu bleiben und nicht einfach nur etwas herunterzubeten, dabei authentisch zu sein und sich ehrlich zu interessieren. Das waren Dinge, die mich sehr bewegt haben. Und es war für mich auch unglaublich faszinierend, in diese ganz andere Welt einzutauchen. Ich kannte bis dahin ja nur Schule.

Kennengelernt haben Sie sich 1997, da waren Sie 17 und er 42 Jahre alt. Wie kam es dazu?
Die Soziallotterie „Aktion Mensch“ hatte mich angefragt, ob ich Lust hätte, eine Galaveranstaltung zu mitzumoderieren und dort der Sidekick von Roger Willemsen zu sein. Das habe ich dann auch gemacht. In Vorbereitung der Gala haben wir uns vorab ein paar Mal getroffen und da haben wir uns so gut verstanden, dass wir uns von da an regelmäßiger sahen und er mich auch in seine Fernsehsendung eingeladen hat. 

Wie oft haben Sie sich seitdem getroffen oder Kontakt gehabt? 
Es war gar nicht so häufig, aber wenn wir uns sahen, dann war das, als würden wir uns ewig kennen. Und was mich sehr beeindruckt hat, war, dass er sich immer an alles erinnert hat, was ich ihm erzählt habe. Auch wenn wir uns vielleicht nur einmal im Jahr trafen. Wenn wir uns sahen, dann war das stundenlang und immer sehr schön. Und wir hatten sehr viel Kontakt per E-Mail oder davor teilweise sogar noch per Post.

Heute sind Sie selbst Teil der Medienbranche. Sie haben mehrere Bücher geschrieben, werden in Talkshows eingeladen und haben mit den Sozialhelden einen Verein gegründet, der sich für gleichberechtigte Teilhabe vor allem von Menschen mit Behinderungen einsetzt. Welchen Anteil hat Roger Willemsen an dieser Entwicklung? 
Den Anteil, den Willemsen daran hatte, würde ich mit „probier dich aus“ beschreiben. Geh deinen Weg. Und lass dich nicht mit billigen Ausreden abspeisen.

Von Ihrer inoffiziellen Mentoring-Erfahrung ausgehend, was macht eine gelungene Mentor-Mentee-Beziehung für Sie aus? 
Sich ernst genommen fühlen und jemanden ernst zu nehmen, egal, wo er oder sie gerade steht. Oft reicht eine Person im Leben eines Menschen, um dem Leben eine Wendung zu geben, zum Guten zum Beispiel. Er war einer dieser Menschen, die einfach da waren, er war präsent, ernsthaft interessiert. Ich glaube, er wusste nicht, was er für eine Bedeutung für mich hatte, und vielleicht habe ich da auch viel reininterpretiert, aber selbst wenn: Ich habe mich aufgehoben, geborgen und ernst genommen gefühlt. Und für ihn war es vielleicht einfach ein netter Zeitvertreib, auch nicht mehr. Ich glaube, ich war kein Projekt für ihn.  

 

Raul Krauthausen

Raul Krauthausen ist studierter Kommunikationswirt und Design Thinker. Seit über 15 Jahren arbeitet er in der Internet- und Medienwelt, unter anderem als Autor mehrerer Bücher, Inklusions-Aktivist und Gründer der Sozialhelden, einem Verein, der sich für mehr Teilhabe und Barrierefreiheit einsetzt. 

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