Wie können Stiftungen zu den SDGs beitragen?

Wenn es um die Förderung der Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) geht, steht für Stiftungen häufig die Frage im Mittelpunkt, wie sie über ihr Wirken in Projekten dazu beitragen können. Der ihnen zur Verfügung stehende Werkzeugkasten geht aber weit über Projekte zur Erfüllung des Stiftungszwecks hinaus: Er enthält viele verschiedene Instrumente, angefangen bei der bewussten Anlage des Stiftungskapitals, der Vergabe von Fördergeldern und der politischen Fürsprache über Kampagnen und das Fördern von Partizipationsmöglichkeiten bis hin zur Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern. Auch die Durchführung von Monitoring und die Erstellung von Alternativberichten gehört dazu – ebenso wie die Umsetzung der SDGs im eigenen Büro.  

Kapitalanlage – eine einfache, effektive Lösung  

Ein wirkungsvoller Hebel, der Stiftungen zur Verfügung steht, um nachhaltige Entwicklung zu unterstützen, ist die Kapitalanlage. Dies gilt insbesondere für die Stiftungen des bürgerlichen Rechts, die aufgrund von stiftungs- und steuerrechtlichen Bestimmungen dem Grundsatz des Vermögenserhalts und der Sicherstellung eines angemessenen laufenden Ertrags zur Erfüllung des Stiftungszwecks verpflichtet sind.  

Dabei ist zu berücksichtigen, dass sowohl ertragsbringend als auch vermögenserhaltend angelegt werden muss. Der Grundsatz der Vermögenserhaltung zielt auf eine vergleichsweise sichere Anlage ab. Diese beiden Ziele zu vereinbaren stellt allerdings gerade in Zeiten der Niedrigzinsphase eine Herausforderung dar. Hinzu kommt ein Mangel an adäquaten Angeboten nachhaltiger Anlageformen und Beratungsdienstleistungen. Das hat dazu geführt, dass Stiftungskapital vielfach eher in traditionelle Investitionsmöglichkeiten geleitet wurde. 

Darüber hinaus wurde oft nicht hinterfragt, inwieweit Nachhaltigkeitsprinzipien in den Anlagen Berücksichtigung fanden. Mit dem Ergebnis, dass Stiftungen zum Teil gar nicht bekannt war, dass in ihrem Anlageportfolio auch explizit nicht nachhaltige Wirtschaftsbereiche gefördert wurden – Rüstungsgüter, Tabakindustrie, Kinderarbeit, Kohleindustrie und vieles andere mehr. Das ändert sich inzwischen zunehmend: Stiftungen suchen vermehrt aktiv nach Anlagemöglichkeiten mit einer nachhaltigen Wirkung und auch die Finanzindustrie arbeitet an neuen Instrumenten in diese Richtung. 

Wenn Stiftungen sich auf den Weg zu einer nachhaltigen Vermögensanlage machen wollen, sollten sie folgende Schritte gehen: Zunächst den Stiftungszweck analysieren, um den Rahmen sowie Möglichkeiten und Grenzen für die Kapitalanlage zu definieren. Im nächsten Schritt kann die Anlagerichtlinie erstellt und dann umgesetzt werden. Häufig folgt daraus, dass Kapital anders als bisher angelegt wird, um den Grundsätzen der Nachhaltigkeit besser gerecht zu werden. Längerfristig sind dann noch Monitoring und Evaluierung sowie eine ständige Optimierung zu etablieren.   

Die 2012 gestartete und inzwischen auch international bekannte Divestment-Bewegung hat sich zum Ziel gesetzt, Investitionen in die Kohle-, Öl- und Gasunternehmen zu beenden und in nachhaltige Investitionsformen umzulenken, um negative Auswirkungen auf das Klima zu eliminieren. Der Bewegung kann man sich über ein sogenanntes Pledge (Versprechen) anschließen. Weltweit haben das inzwischen 1.158 Institutionen mit einem geschätzten Divestmentbetrag in Höhe von über 12 Billionen US-Dollar sowie 58.000 Personen mit einem Betrag von über 5 Milliarden US-Dollar getan (Stand: Januar 2020). In Deutschland haben sich Städte, Unternehmen, Pensionsfonds, religiöse Organisationen und viele andere mehr der Bewegung angeschlossen – darunter auch Stiftungen wie die Bewegungsstiftung oder die Deutsche Bundesstiftung Umwelt.  

Ein weiterer an Bedeutung gewinnender Bereich ist das Mission Investment, bei dem Stiftungen ihr Kapital konsequent so anlegen, dass es den Stiftungszweck unterstützt. Hier sind Stiftungen in den USA Vorreiter und zeigen neue Wege auf, die auch für deutsche Stiftungen gangbar sind. Mission Investing kann darüber hinaus für das Wirken von deutschen Stiftungen in anderen Ländern, auch außerhalb Europas, von Interesse sein, wie die Ergebnisse des Mission Investing Forums 2018 zu Afrika und nachhaltiger Entwicklung gezeigt haben.  

Doch auch solche Mechanismen sind bei Weitem noch nicht ausreichend und viel zu langsam, um dem Transformationsgedanken der SDGs, der Dringlichkeit ihrer Umsetzung und der Forderung „Shifting the Trillions“ gerecht zu werden.  Es ist also ein erster Schritt, dem noch viele weitere folgen müssen.

Über den Stiftungszweck sichtbare Erfolge erzielen  

Mit den im Sinne des Stiftungszwecks zu vergebenden Fördergeldern und eigenen Projekten können Stiftungen viel dazu beitragen, die SDGs umzusetzen. Vielfach arbeiten Stiftungen bereits in Bereichen, die durch die Agenda 2030 konkretisiert wurden.  

Hier empfiehlt sich eine Zuordnung entlang der SDGs und ihrer Unterziele, um zu erschließen, in welchen Bereichen das Stiftungswirken die SDGs stärken kann. Im nächsten Schritt können Kriterienkataloge für die Vergabe von Fördergeldern und das Ausrichten von Projekten aufgesetzt werden, die wiederum eine stringente Ausrichtung des Wirkens entlang der SDGs ermöglichen. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) ist ein Beispiel dafür, wie das konsequent umgesetzt werden kann.

Ein flüchtiger Blick auf die SDGs kann zu der Annahme verleiten, dass Stiftungen ohnehin „alle irgendwie irgendetwas“ zu den SDGs beitragen. Es ist daher wichtig, sich die Ziele etwas genauer anzusehen und genau zu definieren, wo Elemente des eigenen Stiftungswirkens schon auf die Nachhaltigkeitsziele einzahlen – oder wie die eigenen Aktivitäten präziser und zielgerichteter auf die SDGs auszurichten sind. Dabei kann dann mit kleinen, überschaubaren ersten Maßnahmen begonnen werden.

Die Heinz Sielmann Stiftung hat diese Analyse zum Beispiel äußerst differenziert durchgeführt und die Kernergebnisse kurz in der Veröffentlichung „Vielfalt ist unsere Natur“ zusammengefasst. Im Kapitel „Vielfalt und Kreativität“ berichten andere Stiftungen – wie etwa die Bürgerstiftung München und die Maecenata Stiftung – von ihren Erfahrungen. 

Die Brücke zu den Bürgerinnen und Bürgern

In Deutschland ist das Wissen der Bürgerinnen und Bürger über die SDGs nach wie vor vergleichsweise gering. Laut DEval Policy Bericht 6/2018 vom Deutschen Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) kannten ca. 60 Prozent der Bürgerinnen und Bürger im Sommer 2017 die Abkürzung SDGs nicht. Dazu hat sicherlich beigetragen, dass die SDGs als ein eher entwicklungspolitisches Konzept wahrgenommen werden und sich viele der Begriffe nicht einfach in die deutsche Umgangssprache übersetzen lassen. Selbst der deutsche Begriff Nachhaltigkeit war im Deutschen lange schwierig zu umschreiben. Die „Fridays for Future“-Bewegung hat der breiten Öffentlichkeit bewusst gemacht, wie dringlich Nachhaltigkeit in den Bereichen Klima und Umwelt ist. Was weiterhin fehlt, ist ein breites Wissen über den umfassenderen, holistischen Ansatz der Agenda 2030.  

Daran können insbesondere die Bürgerstiftungen etwas ändern: Sie sind direkt in den Kommunen verankert und verstehen die Belange der Bürgerinnen und Bürger sehr gut. Beste Voraussetzungen, um die Kommunikation zu und mit ihnen zu fördern sowie effektive Partizipationsmöglichkeiten für sie anzubieten. Um europäische Bürgerstiftungen in dieser Hinsicht zu unterstützen, hat die European Community Foundation Initiative (ECFI) zahlreiche erfolgreiche Beispiele aus den europäischen Ländern zusammengetragen. 

Mit Interessenvertretung und Monitoring die Agenda 2030 vorantreiben  

Aufgrund ihrer Unabhängigkeit und ihrer starken Stellung innerhalb der Gesellschaft sind Stiftungen in besonderem Maße geeignet, die Agenda 2030 voranzutreiben. Das gilt insbesondere für die Umsetzung der Ziele durch Politik und Wirtschaft, sowohl auf nationaler als auch auf globaler Ebene. Hier lässt sich durch Interessenvertretung, durch politische Fürsprache und durch Kampagnen die Umsetzung der SDGs auch dann umsetzen, wenn es zu Interessenkonflikten oder Prioritätsverschiebungen kommt – etwa wenn auf G20-Ebene wirtschaftliche oder politische Interessen stärker berücksichtigt werden als die für Klima, Umwelt und andere Nachhaltigkeitsziele. Die von deutschen Stiftungen gegründete Stiftungsplattform Foundations 20 (F20) ist hierfür ein ebenso wichtiges wie erfolgreiches Beispiel. Inzwischen sind mehr als 60 Stiftungen und philanthropische Organisationen aus unterschiedlichsten Regionen der Welt der Plattform beigetreten. Das Ziel ist, zu gemeinsamen, transnationalen Aktionen für eine nachhaltige Entwicklung aufzurufen und dadurch auch Möglichkeiten zur Transformation und zur Lösung der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit aufzuzeigen.

Stiftungen spielen auch im Bereich Monitoring und bei der Erstellung von Schattenberichten eine wichtige Rolle. Die Bertelsmann Stiftung setzt in diesem Zusammenhang das Projekt Sustainable Development Goals Index um und hat klare SDGs-Indikatoren für Kommunen zusammengestellt. 

Und was machen Sie in der eigenen Organisation?  

In der oft entwicklungspolitisch geprägten Diskussion über die SDGs gerät leicht aus dem Blick, dass jeder und jede Einzelne sowie jede Organisation konkret zur Nachhaltigkeit beitragen können. Die 169 Unterziele geben dafür eine gute Orientierung. Sei es das Ziel 5.5: „Die volle und wirksame Teilhabe von Frauen und ihre Chancengleichheit bei der Übernahme von Führungsrollen auf allen Ebenen der Entscheidungsfindung im politischen, wirtschaftlichen und öffentlichen Leben sicherstellen“ oder das Ziel 8.6.: „Bis 2020 den Anteil junger Menschen, die ohne Beschäftigung sind und keine Schul- oder Berufsausbildung durchlaufen, erheblich verringern“. Ebenso das Ziel 12.3: „Bis 2030 die weltweite Nahrungsmittelverschwendung pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene halbieren und die entlang der Produktions- und Lieferkette entstehenden Nahrungsmittelverluste einschließlich Nachernteverlusten verringern.“  

Ein guter Ansatzpunkt, um die Arbeit in der eigenen Organisation SDGs-gerecht aufzusetzen, ist eine gemeinsam mit allen Mitarbeitenden erstellte Zuordnung der einzelnen Arbeitsbereiche und Aufgaben entlang der Unterziele der SDGs und ein kritischer Blick darauf, wo sich das eigene Handeln verbessern lässt. Die Heinz Sielmann Stiftung und die DBU sind zwei Beispiele für Stiftungen, die damit früh damit begonnen haben, und die DBU stellt zahlreiche Materialien zur Umsetzung von Nachhaltigkeit auf ihrer Webseite zur Verfügung.