Fallstudie: Stiften über alle Grenzen hinweg

Die Entwicklung hin zu einer globalisierten Welt betrifft fast alle Lebensbereiche. Der internationale Handel, die Überführung von Waren und Wissen sowie der Austausch zwischen Menschen aller Länder sind Ausdruck einer zusammenwachsenden weltweiten Gesellschaft. Dies gilt auch im Bereich des Stiftens. Immer mehr Stiftende und Stiftungen sind international aktiv und wollen ihre gemeinnützigen Zwecke wie Bildung, Jugendhilfe oder Mildtätigkeit über Ländergrenzen hinweg verwirklichen.   

Grenzüberschreitendes stifterisches Handeln ist allerdings in komplexe rechtliche Zusammenhänge eingebettet, die das internationale Wirken gemeinnütziger Stiftungen fördern, aber auch einschränken können. Anhand des Programms Transnational Giving der Maecenata Stiftung sollen im Folgenden die derzeitigen Hürden für grenzüberschreitendes Stiften aufgezeigt und Lösungsansätze präsentiert werden. Dem Gemeinnützigkeitsrecht als Teil des deutschen Steuerrechts kommt dabei eine bedeutende Rolle zu.   

Das Transnational Giving Europe Network  

1997 wurde von einigen großen europäischen Stiftungen das Netzwerk Transnational Giving Europe (TGE) ins Leben gerufen. Das Netzwerk hat sich zur Aufgabe gemacht, durch die Zusammenarbeit seiner Partner das Spenden ins Ausland zu erleichtern. Diese Zusammenarbeit ist notwendig, um sich über die Partner von der Gemeinnützigkeit ausländischer Empfängerorganisationen und der Qualität des geförderten Projekts zu überzeugen. Das Netzwerk wird von der in Belgien ansässigen King Baudouin Foundation koordiniert und umfasst inzwischen 21 Länder in Europa (Stand 01/2020) und mittelbar auch die USA.   

Da keine bestehende deutsche Stiftung die gestellten Aufgaben erfüllen konnte, der Wunsch nach einem deutschen Partner aber immer dringlicher formuliert wurde, wurde 2001 der eingetragene Verein Maecenata International e.V. gegründet, der im Netzwerk als deutscher Partner fungierte. Zum 1. Oktober 2010 ging der Verein in der Maecenata Stiftung auf, die seitdem Deutschland im Netzwerk vertritt. Transnational Giving ist heute ein Programm der Maecenata Stiftung. Zweck des Programms ist es, grenzüberschreitendes Spenden und Fördern einfacher und transparenter zu gestalten. Konkret werden zweckgebundene ausländische Spenden und Fördermittel an deutsche steuerbegünstigte Organisationen weitergeleitet sowie Spenden und Fördermittel aus Deutschland dem gewünschten ausländischen Zweck zugeführt.  

Fallkonstellationen der internationalen Philanthropie  

Grenzüberschreitendes stifterisches Handeln wird in drei Konstellationen durch inhaltliche Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts erschwert. Zunächst kann eine inländische Organisation selbst unmittelbar im Ausland fördernd tätig werden – entweder durch die eigenen Organe bzw. verfassungsmäßigen Vertreter oder durch Hilfspersonen im Sinne des § 57 Abs. 1 S. 2 AO. Agiert die inländische Körperschaft nicht selbst im Ausland, so kann sie dennoch als Förderkörperschaft im Sinne des § 58 Nr. 1 AO oder durch Mittelweitergabe an eine ausländische Körperschaft nach § 58 Nr. 2 AO Zwecke im Ausland unterstützen. Die dritte Konstellation ist die Fallgruppe der Direktspenden eines inländischen Steuerpflichtigen an eine ausländische Organisation, wobei die Frage der Abzugsfähigkeit nach § 10b EStG im Raum steht.  

Hürden für internationales stifterisches Handeln und Lösungsansätze 

1. Steuerrecht als nationales Recht – Inlandsbezug 

Das Steuerrecht und damit auch das Gemeinnützigkeitsrecht sind nationales Recht. Der mit dem Status der Gemeinnützigkeit verbundene Steuervorteil für gemeinnützige Körperschaften und auch für Spender geht allein zulasten des deutschen Fiskus. Daraus folgert die Finanzverwaltung, dass das Gemeinnützigkeitsrecht strukturell von einer Verwirklichung der gemeinnützigen Zwecke im Inland ausgeht. 

§ 51 Abs. 2 AO besagt, dass, wenn gemeinnützige Zwecke im Ausland verwirklicht werden, eine Steuerbegünstigung nur dann infrage kommt, wenn „natürliche Personen, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, gefördert werden oder die Tätigkeit der Körperschaft neben der Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke auch zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland beitragen kann“.   

Die Erfahrung der Maecenata Stiftung im Rahmen ihres Programms Transnational Giving zeigt, dass dieser Vorschrift für die Praxis der grenzüberschreitenden Philanthropie – insbesondere innerhalb der Europäischen Union (EU) bzw. des Europäischen Wirtschaftraumes (EWG) – kaum beschränkende Wirkung zukommt. Zum einen mangelt es der Vorschrift an ausreichender Justiziabilität; zum anderen steht sie im Verdacht, europarechtswidrig zu sein. Schließlich wird die Vorschrift in einschlägigen Urteilen des Bundesfinanzhofs sehr weit ausgelegt, sodass sie keine einschränkende Wirkung mehr entfaltet.  

Eine Begrenzung philanthropischer Tätigkeiten, die eine gemeinnützige Organisation im Ausland verfolgen kann, kann sich zudem dadurch ergeben, dass manche steuerbegünstigte Zwecke ihrem Wesen nach auf inländische Tätigkeiten begrenzt sind, ihnen also ein Inlandsbezug inhärent ist. So knüpfen die gemeinnützigen Zwecke der Förderung des Denkmalschutzes (§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 AO), des Naturschutzes und der Landschaftspflege (Nr. 8) sowie der Förderung des demokratischen Staatswesens (Nr. 24) an deutsche Gesetze an. Eine Auslandstätigkeit ist unter Bezugnahme auf diese Zwecke ausgeschlossen. Allerdings lassen sich die vorgenannten Zwecke nicht selten auch über andere als gemeinnützig anerkannte Zwecke verwirklichen – Denkmalschutz über Kunst und Kultur (Nr. 5), Naturschutz über Umweltschutz (Nr. 8), demokratisches Staatswesen über Bildung (Nr. 7) oder Förderung der internationalen Gesinnung (Nr. 13) über Entwicklungszusammenarbeit (Nr. 15). Dies ist in solchen Fällen meistens der Lösungsansatz, den die Maecenata Stiftung in der Vorbereitung und Durchführung der einzelnen Maßnahmen des Programms Transnational Giving wählt.  

2. Anerkennung der steuerlichen Absetzbarkeit 

Trotz wegweisender Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) erweist es sich schon innerhalb der EU als schwierig, von einem ausländischen Empfänger ausgestellte Zuwendungsbestätigungen steuerlich abzusetzen. Bestätigungen aus Ländern außerhalb der EU werden grundsätzlich nicht anerkannt. Hier setzt das Netzwerk TGE an, indem es Spendern ermöglicht, ihre Spende zweckgebunden einer inländischen steuerbegünstigten Körperschaft zuzuwenden, die diese dann als Fördermittel an einen ausländischen – auch außerhalb Europas - Empfänger vergibt.  

Maecenata hat 2000/2001 mit der zuständigen Oberfinanzdirektion die Grundsätze des Programms und insbesondere das Prüf- und Dokumentationsverfahren diskutiert und eine grundsätzliche Zustimmung erhalten. Seither ist die Maecenata Stiftung routinemäßig mehrfach überprüft worden. Zudem wurden zu bestimmten Einzelfragen wiederholt wissenschaftliche Gutachten in Auftrag gegeben. Die Anwälte und steuerlichen Berater von Großspendern haben ebenfalls das Verfahren wiederholt einer Prüfung unterzogen.  

Da viele Stiftungen, auch wenn dies eigentlich nicht ganz korrekt ist, von ihren Förderpartnern eine Zuwendungsbestätigung wie für eine Spende verlangen, befinden sie sich, so gesehen, in der gleichen Lage wie private Spenderinnen und Spender.  

3. Due Diligence 

Das deutsche Steuerrecht verlangt, dass ausländische Empfänger von Fördermitteln mit einer deutschen steuerbegünstigten Körperschaft vergleichbar sein oder zumindest die Mittel in einer vergleichbaren Weise verwenden müssen. Dies ist vorab zu prüfen. Das Programm Transnational Giving hilft, die formalen Vorgaben der Finanzverwaltung zu erfüllen. Dazu wird eine Überprüfung der Projekte, die im Ausland gefördert werden sollen, durchgeführt (Due Diligence). Diese umfasst zunächst eine Satzungsprüfung, so wie sie das Finanzamt bei einer Neugründung durchführen würde. Hierzu prüft die Stiftung eine Reihe von organisatorischen Dokumenten und sieht sich die Jahresabschlüsse und -berichte des Empfängers der Förderung an. Zu den wesentlichen Punkten gehört die Prüfung, welchen gemeinnützigen Zwecken das geplante Wirken per Spende zugeordnet werden kann. Dabei ist es nicht nur wichtig, dass das Wirken sowohl mit den gemeinnützigen Zwecken gemäß der Abgabenordnung (AO) vereinbar ist, sondern auch mit der Satzung der Maecenata Stiftung. Schließlich wird auch die Bankverbindung untersucht. Die Bank des Empfängers muss bestätigen, dass das Konto auf den Namen der Empfängerorganisation ausgestellt ist – in vielen Ländern, in denen sich NGOs schwertun, überhaupt ein Konto zu eröffnen, stellt das eine große Hürde dar.  

Anschließend wird – bei positiver Bewertung – die eigentliche Abwicklung des Geldtransfers vorgenommen. Der deutsche Spender erhält eine deutsche Zuwendungsbestätigung. Die Stiftung sorgt für die Erfüllung der notwendigen Berichtspflichten und überwacht die Verwendung der Mittel. Aufgrund der langjährigen Erfahrung der Stiftung wird sie inzwischen oft auch von deutschen Stiftungen und sogar öffentlichen Fördermittelgebern eingeschaltet, für die die Zuwendungsbestätigung ohne Bedeutung ist, die jedoch von dem eingespielten Due-Diligence-Verfahren profitieren wollen.  

4. Mittelverwendung 

Stiftungen müssen bei gemeinnütziger Tätigkeit mit Auslandsbezug erhöhte Mitwirkungspflichten für den Nachweis der gemeinnützigen Mittelverwendung erfüllen (§ 90 Abs. 2 AO). Dies gilt sowohl für operativ tätige Stiftungen, die also vor Ort unmittelbar selbst Projekte durchführen, als auch für fördernde Stiftungen, die sich auf finanzielle Unterstützung beschränken, sowie für Spender, die eine Spende ins Ausland tätigen. Der Grund hierfür liegt in der auf das Inland begrenzten Steuerhoheit der Finanzverwaltung. Das bedeutet, dass die Finanzämter nur inländische Steuertatsachen von Amts wegen überprüfen können. In Fällen mit Auslandsbezug kommt dem Steuerpflichtigen damit eine erhöhte Nachweispflicht zu. Die Anforderungen an den Nachweis für die satzungsgemäße Mittelverwendung im Ausland werden von der Finanzverwaltung leider nicht einheitlich gehandhabt.

5. Rechtsunsicherheit und stärkere Regulierung 

Ebenso wie für ihre Netzwerkpartner bleibt trotz aller Vorsicht und Genauigkeit für die Maecenata Stiftung stets ein Restrisiko, dass die Finanzämter diese Praxis oder einzelne Aspekte daraus im Einzelfall nicht anerkennen. Die Gemeinnützigkeit wird bekanntlich immer retrospektiv überprüft. Das betrifft die Erfüllung des Satzungszweckes sowie Prüfungen von Empfängern und der gemeinnützigen Zwecke. Das führt insgesamt zu einer vergleichsweise großen Rechtsunsicherheit. Dieser wirken die Partner auch durch einen intensiven und kontinuierlichen Erfahrungsaustausch entgegen.  

Wichtige Punkte für die zunehmende Rechtsunsicherheit liegen beispielsweise in Änderungen des Gemeinnützigkeitsrechts, die in einem Partnerland erfolgen können. Diese Entwicklungen werden aufmerksam beobachtet und analysiert.  

In Deutschland hat die Diskussion über das Ausmaß politischer Tätigkeit steuerbegünstigter Körperschaften für große Unruhe gesorgt. Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Organisation Attac und inzwischen zahlreicher anderer zivilgesellschaftlicher Organisationen hat erhebliche Auswirkungen auch auf die internationale Arbeit vieler Stiftungen und Vereine. Hinzu kommen neue Regulierungen mit Blick auf Bekämpfung von Terrorismus und Geldwäsche, die von der intergouvernementalen Organisation Financial Action Task Force (FATF) vorgegeben werden. Bei der Arbeit von FATF erweist es sich insbesondere als Problem, dass die dort zuständigen Experten sich nur wenig im Bereich der Zivilgesellschaft auskennen.  

Es ist zu beobachten, dass die deutschen Finanzämter über die letzten Jahre insgesamt deutlich strenger geworden sind. Zuwendungsbestätigungen für Spenden innerhalb der EU werden nicht immer anerkannt. Ab 2020 wird es zudem, verursacht durch den Brexit, neue Probleme mit Großbritannien geben.  

Hier könnte die Übernahme des pragmatischen niederländischen Vorgehens im Bereich der Gemeinnützigkeit einen Beitrag leisten. Danach müssen sich Organisationen, die aus den Niederlanden heraus Spenden oder Fördermittel empfangen wollen, einmal bei einer niederländischen Behörde registrieren. In dem Prozess zur Registrierung müssen sie auf ihrer eigenen Webseite bestimmte Unterlagen einstellen und diese fortlaufend ergänzen bzw. auf dem neuesten Stand halten. Die Behörde prüft aufgrund der dort verfügbaren Unterlagen.  

Zusammenfassung und Ausblick 

Für das Anliegen, weltweit stifterisch tätig zu sein, das in unserer kosmopolitischen offenen Gesellschaft immer wichtiger wird, hat sich das TGE-Netzwerk mit seinen zahlreichen Partnern als hilfreiches Instrument erwiesen. Über 20 Jahre Erfahrung zeigen, dass damit Empfänger in praktisch jedem Land der Erde erreicht werden können. Darüber hinaus hat das Netzwerk ein hohes Maß an Expertise zum globalen stifterischen Handeln einerseits und zu dem durch den Verdacht der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung erzeugten Misstrauen andererseits akkumuliert. Es steht nicht zu erwarten, dass die Nationalstaaten in absehbarer Zeit ihre restriktive Haltung und ihr Misstrauen gegenüber transnationaler Stiftungstätigkeit und transnationalem Spenden aufgeben werden. Umso wichtiger bleiben auch in der Zukunft zivilgesellschaftliche Netzwerke wie das TGE-Netzwerk, die unter strikter Beachtung aller gesetzlichen Vorschriften sowohl im Konkreten helfen als auch allgemein dazu beitragen können, vorhandenes Misstrauen abzubauen. 

Quellen

Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, 158 Lieferung 10.2019, § 52, Rn. 38.

Eingehend zum rechtlichen Kontext von § 52 Abs. 2 Nr. 15 AO und den Einordnungsproblemen Schienke-Ohletz, FR 2012, 616 (621).