„Der 20. September könnte in jeder Stiftung ein Startschuss sein“

Demonstration für Klimaschutz
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© Mika Baumeister
23.08.2019
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Hermann Falk, Mitglied im Vorstand der GLS Treuhand, über den globalen Klimastreik und die Frage, wie nicht nur Umweltstiftungen zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele beitragen können. 

Hermann Falk
© Simon Bierwald

Am 20. September findet der dritte globale Klimastreik statt. Weltweit gehen Menschen auf die Straße, um für die Einhaltung des Paris-Abkommens und gegen die anhaltende Klimazerstörung zu protestieren. Wie können Stiftungen zum Gelingen dieses Tages beitragen?
Der Klimastreik selber ist ein Mittel zum Zweck. Er soll die Politik, die Wirtschaft und die Bevölkerung zu mehr Klimaschutzanstrengungen bewegen. Daher wünsche ich mir, dass noch mehr Stiftungen aktiv werden, also beispielsweise CO2-Einsparungsziele für ihren Betrieb definieren und in ihrer Zweckverwirklichung auf die „große Transformation“ einzahlen – egal ob im Bildungs-, Umwelt-, Kultur- oder Sozialbereich. Der 20. September könnte in jeder Stiftung der Startschuss dafür sein, dass sie ihre strategische Ausrichtung entsprechend justiert und Klimaschutz in ihr Wertefundament integriert. Auf diese Weise hätte dieser eine Tag tatsächlich eine nachhaltige Wirkung, wie sie zu Stiftungen mit ihrem langen Atem so wunderbar passt.

Was haben Sie an diesem Tag geplant?
Wir planen mit mehreren Bausteinen. Zum einen wollen wir unseren Mitarbeitenden den zeitlichen Freiraum und die Berechnungstools an die Hand geben, ihren individuellen oder familienweiten CO2-Fußabdruck zu ermitteln. Zum zweiten wünsche ich mir eine lebhafte Aussprache, wo wir als Organisation noch besser werden können, um im eigenen Betrieb und in unserer Fördertätigkeit CO2 einzusparen.

Werden Sie selbst am 20. September die Arbeit ruhen lassen und auf die Straße gehen?
Das ist der dritte Baustein. Jedoch wollen und können wir die Mitarbeitenden nicht zu den Demos schicken. Das Streikrecht ist ein individuelles und kollektives Recht, das in manchen Ländern noch heute erkämpft werden muss. Ich jedenfalls gehe mit Sicherheit demonstrieren.

Dank der Fridays-for-Future-Bewegung ist Klimaschutz ganz oben auf der politischen Agenda angekommen. Was können Stiftungen von der Jugendbewegung lernen?
Besonders beeindruckt mich die Unerschrockenheit und Ehrlichkeit, die in den Worten und Taten der Jugendlichen zum Ausdruck kommen. Deshalb ist die Bewegung so wirkungsvoll – weil jeder erkennt, dass die Jugendlichen keine „Spielchen“ betreiben, wie man es manchmal in Verhandlungen unter Erwachsenen erlebt, sondern ein existenzielles Bedürfnis artikulieren. Wenn Stiftungen genauso kommunizieren: zutiefst ehrlich, uneigennützig, manchmal frech und in jedem Fall mutig gegen den Mainstream, dann entsteht gesellschaftliche Veränderung!

Vor allem die Umweltstiftungen arbeiten seit Jahren an dem Thema. Beispielsweise hat der Arbeitskreis Umwelt im Bundesverband Deutscher Stiftungen Handlungsempfehlungen und Erklärungen erarbeitet und veröffentlicht. Wie könnten auch andere Stiftungen etwas für den Klimaschutz tun?
Der erste Schritt sollte wie gesagt eine eigene Klimabilanz sein sowie stiftungseigene Einsparziele für die nächsten Jahre, am besten analog zum Ziel, das sich Deutschland gesetzt hat: bis 2030 die ausgestoßenen CO2-Mengen um mindestens 55 Prozent zu reduzieren und bis 2050 weitestgehend klimaneutral zu sein. Im zweiten Schritt könnte jede Stiftung schauen, wie sie ihren Wirkungskreis erweitert – ob man nun das Einsparziel auch seinen Förderpartner in den Förderbestimmungen auferlegt oder „nur“ einzelne klimarelevante Projekte fördert – alles hilft, wenn es von Überzeugung getragen wird. Und nicht zu vergessen: das kohlestofffreie Investieren des Stiftungsvermögens!

Kennen Sie eine Stiftung, die hier mit gutem Beispiel vorangeht?
Die Stiftung Neue Energie hat 2017 aus ihrem freien Vermögen über 50 Prozent entnommen, nämlich eine halbe Million Euro, um innerhalb von 4 Jahren einem Gesetz über eine ausnahmslose CO2-Abgabe in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen. Von diesem Geld werden Stellen im NGO-Bereich finanziert, um der Lobbykraft der alten Industrievertreter mit fundierten Konzepten und Sachinformationen zu begegnen. Vielleicht hören wir ja am 20. September vom Klimakabinett, dass eine solche Abgabe kommen wird.

Von stiftungsinternen Einsparprojekten anderswo habe ich keine Kenntnis. Ich würde mir daher wünschen, dass der Verband zu einem Erfahrungsaustausch oder Ermutigungs-Workshop einlädt.

Der Klimawandel schreitet auch nach dem 20. September weiter voran. Welche Maßnahmen hat die GLS Treuhand für die Zukunft geplant?
Wir bleiben als Fördereinrichtung der ökologischen Erneuerung verpflichtet und werden deshalb weiterhin viele Anti-Atom- und Pro-Klimaschutz-Projekte fördern. Auch die journalistische Arbeit rund um Klimaschutz werden wir kontinuierlich unterstützen. Was wir anders und noch besser machen müssen, ist die Klimaschutzwirkung unserer Investitionen konkret zu bewerten. Auch wünsche ich mir, dass wir in Zukunft von unseren Finanzierungs- und Förderpartnern genauer erfahren, wie sie selber Klimagifte vermeiden.

 

Interview Theo Starck

Über den Autor

Hermann Falk
Mitglied im Vorstand der GLS Treuhand

Klimawandel
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