Wie tickt die Generation Y?

Was die nach 1980 Geborenen prägte – und was dies für Stiftungen bedeutet

Über eine einzelne Generation zu sprechen, sie zu kategorisieren und zu beschreiben, ist ein Drahtseilakt. Viel zu schnell gerät man in Versuchung, pauschal zu urteilen und Millionen Menschen einer Altersgruppe einem undifferenzierten Bild zu unterwerfen. Und doch lassen sich bei jeder Alterskohorte spezifische gesellschaftliche Prägungen, Verhaltensmuster und Präferenzen beobachten.

In der Soziologie wird als Generation gemeinhin eine Gruppe von Menschen bezeichnet, die aufgrund ihrer gemeinsamen historischen, kulturellen und sozialen Erlebnisse und Erfahrungen eine zeitbezogene Ähnlichkeit aufweist. Häufig ordnet man diese Altergruppen auch gewissen Jahrgängen zu. Bekannte Beispiele sind die Babyboomer, wie die 1955 bis 1969 Geborenen genannt werden, oder die Generation X, also die 1970 bis 1980 Geborenen. In vielen Fällen bekommen bestimmte Altersstufen klangvolle Namen zugeschrieben – so wie die von Florian Illies beschriebene „Generation Golf“ oder die von Sabine Bode so betitelten „Nachkriegskinder“.

In diesem Beitrag steht die Generation Y im Mittelpunkt. Damit wird die Bevölkerungskohorte bezeichnet, die je nach Auslegung im Zeitraum von 1980 bis 2000 geboren wurde. Nach Daten des Statistischen Bundesamtes gehören rund 22Prozent der Gesamtbevölkerung und rund 20Prozent der heutigen Erwerbstätigen zur sogenannten Generation Y (17 bis 37 Jahre). Auch in der deutschen Stiftungslandschaft nehmen Vertreterinnen und Vertreter der Generation Y – ob als Mitarbeitende, Projektpartner oder junge Führungskräfte – eine immer wichtigere Rolle ein. Viele Titel und Zuschreibungen hat man dieser Altersgruppe gegeben. Digital Natives, Generation Praktikum, die neuen Biedermeiers, aber auch „verwöhnt, faul und unfähig" (Die Welt) und „überfordert, gierig und überschätzt" (Manager Magazin). Es zeigt sich ein vielschichtiges und auch widersprüchliches Bild. Was steckt dahinter und was bedeutet dies für Stiftungen?

3 Fragen an

Generation Y
© privat (Porträts Hauer, Elsig), David Ausserhofer (Porträts Gründiger, Biskop)
Susanne Hauer, Wolfgang Gründinger, Luisa Elsig, Dr. Robert Benjamin Biskop

v.l.n.r.: Susanne Hauer, stellvertretende Geschäftsführerin und Projektleiterin Europa, Bildung und Jugend, Allianz Kulturstiftung 
Wolfgang Gründinger, Vorstand, Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen 
Luisa Elsig, Projektreferentin Internationale Verständigung, Stiftung Mercator
Dr.Robert Benjamin Biskop, Vorstand Stiftung Elemente der Begeisterung, Projektleiter im Prorektorat für Entwicklung und Transfer der Universität Leipzig

Mit welchen drei Adjektiven würdest Du deine Generation beschreiben? 
Zerrissen, konsumgesättigt, zugleich lebenshungrig. Politisiert, aber zu brav.

Warum hast Du Dich für einen Job in einer Stiftung entschieden? 
Die Welt der Stiftungen ist sehr dynamisch und man trifft neben Gleichgesinnten ständig auf neue Initiativen und interessante Projektpartner. Gerade im Bereich der Zivilgesellschaft entstehen auf lokaler, aber auch auf europäischer Ebene momentan viele Ideen und Lösungsansätze für gesellschaftliche Herausforderungen. Stiftungen haben die Möglichkeit, dafür Frei- und Handlungsräume zu schaffen und Zusammenarbeit auch über Grenzen hinweg zu fördern. Das zu begleiten, finde ich spannend und bereichernd.

Was ist Dir in Deinem Job wichtig? 
Transparenz und Fairness sollten bei jedem Arbeitgeber hoch im Kurs stehen – auch gemeinnützige Stiftungen können hier noch mehr tun. Eigene Ideen einbringen und realisieren zu können sowie die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben spielen für mich auch eine Rolle bei der Entscheidung für einen Job.

Mit welchen drei Adjektiven würdest Du deine Generation beschreiben? 
Betriebsam, verunsichert, global.

Warum hast Du Dich für einen Job in einer Stiftung entschieden? 
Als ich unter 30 war, hat mich niemand ernst genommen. Daher wollte ich die Stimme der Jungen stärken.

Was ist Dir in Deinem Job wichtig? 
Die Zusammenarbeit mit vielen anderen Gleichgesinnten, manchmal auch der konstruktive Streit über den richtigen Weg. Daraus habe ich viel gelernt.

Mit welchen drei Adjektiven würdest Du deine Generation beschreiben? 
Aufgeschlossen, agil, nach Individualität strebend.

Warum hast Du Dich für einen Job in einer Stiftung entschieden? 
Ich hatte bereits zu Beginn meines Politikstudiums den Wunsch, im Non-Profit-Bereich tätig zu werden und mich für Völkerverständigung einzusetzen. Ich glaube, dass Stiftungen die Chance bieten, Menschen aus verschiedenen Sektoren miteinander in Austausch zu bringen und so die Entstehung und Umsetzung von Ideen zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen zu fördern. Diese Schnittstelle zwischen Zivilgesellschaft, Politik, Wissenschaft, Medien und Wirtschaft ist einmalig.

Was ist Dir in Deinem Job wichtig? 
Für mich persönlich ist Fairness im Berufsleben besonders wichtig, ganz besonders im Non-Profit-Bereich. Vor allem mit Blick auf Entlohnung und Balance zwischen Beruf und Privatleben sollten Stiftungen mit gutem Beispiel vorangehen, um hier einen positiven Wandel in der Gesellschaft zu bewirken.

Mit welchen drei Adjektiven würdest Du deine Generation beschreiben? 
Idealistisch, leidenschaftlich, produktiv.

Warum hast Du Dich für einen Job in einer Stiftung entschieden? 
Die Stiftung Elemente der Begeisterung steht für Verständigung, Engagement und Bildung mit Begeisterung. Gemeinsam mit Kommilitonen der Universität Leipzig und weiteren Hochschulen habe ich diese Stiftung gegründet und aufgebaut. Ihre kontinuierliche Entwicklung, ihre Projekte und insbesondere der von ihr gemeinsam mit dem Bundesverband Deutscher Stiftungen initiierte Kreis Junge Menschen und Stiftungen bereiten mir große Freude.

Was ist Dir in Deinem Job wichtig? 
Mich motiviert dreierlei: Zum einen die Möglichkeit, vom Reden zum Handeln zu kommen und mit konkreten Schritten die Welt positiv zu verändern. Zum zweiten die Wertschätzung und Unterstützung, die ernsthaftem und ausdauernden Engagement entgegengebracht werden. Und schließlich die kooperative Zusammenarbeit mit Vertretern der jungen Stiftungsgeneration in großen und kleinen Stiftungen, insbesondere im Netzwerk des Kreises Junge Menschen und Stiftungen.

Globalisierung und Digitalisierung

Die Bezeichnung „Generation Y“ eröffnet einen guten Weg, sich dieser anzunähern. Englisch ausgesprochen, verweist der Buchstabe Y auf das englische Fragewort „why“ (zu Deutsch: „warum“) und damit auf Verhaltensweisen, die bei Angehörigen dieser Generation häufig beobachtet werden: ein ständiges Hinterfragen, eine andauernde Sinnsuche, die Weigerung, sich auf irgendetwas festzulegen. Es ist aber auch ein Hinweis darauf, dass diese Alterskohorte – ebenso wie die Gesellschaft, die sie prägte – stark diversifiziert und fragmentiert ist. Was die Generation Y eint, sind die Rahmenbedingungen der Welt, in der sie groß wurden. Aufgewachsen sind die nach 1980 Geborenen in einem wiedervereinten Deutschland, einem geeinten Europa und in einer Welt, die weniger durch klare Fronten als vielmehr durch komplexe politische und ökonomische Zusammenhänge und Abhängigkeiten geprägt ist. Vielfach werden sie auch als die ersten „Digital Natives“ beschrieben, also als Menschen, die in einer digitalen Welt aufgewachsen bzw. natürlich in sie hineingewachsen sind. In diesem Zusammenhang steht auch die Prägung durch eine in fast alle Lebensbereiche vordringende Ökonomisierung: Die Generation Y ist das Produkt einer globalisierten Leistungsgesellschaft.

Krisenerprobt, flexibel und freiheitsliebend

Zahlreiche Umbrüche und Krisen haben die Generation Y geprägt. In den sensiblen und formativen Kindheits- und Jugendjahren erlebte sie die Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York, die Finanz- und Eurokrise, soziale und kulturelle Verwerfungen sowie wachsenden Nationalismus und Populismus. Daher, so der Berliner Jugendforscher Klaus Hurrelmann, sei die Generation den Umgang mit Ungewissheiten und Unsicherheiten in der eigenen Lebensplanung gewohnt. Sie habe gelernt, „das Beste aus jeder noch so undurchsichtigen Situation zu machen, zu sondieren und zu taktieren, um sich stets möglichst viele Optionen offenzuhalten“, sagt Hurrelmann. Und weiter: „Das Leben in Unsicherheit empfindet sie aus diesem Grund als ganz normal.“ Auch ein Rückzug ins Private und die Sehnsucht nach einem stabilen familiären Umfeld als Konsequenz aus der unruhigen globalen Lage und der Prägung durch eine Leistungsgesellschaft sind laut Hurrelmann zu beobachten.

Der Job auf Lebenszeit, eine dauerhafte Anstellung, das Arbeiten und Leben an nur einem Ort ist für viele, die der Generation Y angehören, eine Erzählung aus alten Zeiten. Nie zuvor hat daher eine Altersgruppe so viel in Bildung und Ausbildung investiert, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein; und nie zuvor war eine Generation zugleich derart flexibel. Die stetig steigende Abiturienten- und Studierendenquote kann als ein Ausdruck dessen verstanden werden.

Generation Y und Stiftungen 

In Stiftungen sind Vertreterinnen und Vertreter der Generation Y in allen Hierarchiestuften und Aufgabenbereichen vertreten. Nicht ohne Grund, lässt sich doch unter jungen Menschen eine Affinität für den Non-Profit-Sektor feststellen. Verschiedenste Untersuchungen, darunter die „Millenials at Work“-Studie des Beratungsunternehmens PricewaterhouseCoopers und die Studie der Robert-Bosch-Stiftung „Die Zukunft der Arbeitswelt – Auf dem Weg ins Jahr 2030“ zeigen, dass den jungen Frauen und Männern Arbeitgeber wichtig sind, die soziale Verantwortung übernehmen und mit dem eigenen Wertekanon im Einklang stehen. Rund zehnProzent der Generation Y sehen im Non-Profit-Sektor sogar ihren bevorzugten Tätigkeitsbereich, wie eine umfassende Untersuchung des Zukunftsinstituts in Zusammenarbeit mit dem britischen Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov deutlich macht.

Dazu passt, dass es 87 Prozent der jungen Menschen wichtig ist, einen sinnstiftenden Job zu haben. Stiftungen erfüllen vielfach diese Wünsche und Kriterien. Für einen solchen Arbeitgeber sind junge Frauen und Männer auch bereit, Einbußen beim Gehalt in Kauf zu nehmen, wenn andere Kriterien wie ein angenehmes und familienfreundliches Arbeitsumfeld, Flexibilität bei Arbeitszeit und -ort sowie Möglichkeiten der betrieblichen Mitbestimmung erfüllt sind. Dahinter steht ein Bild von Arbeits- und Lebenszeit, in dem die Grenzen zwischen Job und Freizeit immer stärker verschmelzen und zugleich ein harmonisches Miteinander von beidem angestrebt wird. Starre Hierarchien und Abläufe werden von der Generation Y häufig hinterfragt oder zuweilen gar als unnatürlich empfunden. Stiftungen werden sich auf diese Generation neu und anders einstellen müssen – und vielfach tun sie dies längst. Flexiblere Arbeitszeitmodelle, digitale Arbeitsplätze, demokratische Abstimmungsprozesse und projektbezogene Aufgabenverteilung sind auch im Stiftungsalltag angekommen. Gut so! Denn darin steckt die Chance, Potenziale und Talente einer Generation zu entfalten, die den Stiftungsgedanken genuin und intuitiv in sich trägt. Sinn zu stiften, die Gesellschaft zu verbessern und sich zugleich immer wieder neu zu erfinden: Diese Haltung liegt der Generation Y besonders nahe – und macht sie zur idealen Mistreiterin im und für das Stiftungswesen. 

Autor

Martin Speer
arbeitet im Bereich politische Kommunikation beim Bundesverband Deutscher Stiftungen und gehört selbst zur Generation Y. Er ist freier Autor und bekannt für Initiativen wie #FreeInterrail oder #EsIstZeit.

StiftungsWelt 04-2017

Der Artikel wurde in der StiftungsWelt 04-2017 mit dem Schwerpunkt "Generation Stiftung? Anstöße für die Philanthropie von morgen" veröffentlicht.

StiftungsWelt 04-2017

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