"Wir sind dann gut, wenn wir unsere Kompetenzen bündeln"

Politikerin Ariane Fäscher
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Politikerin Ariane Fäscher

Frau Fäscher, Sie haben bereits öffentlich angedeutet, dass Sie nicht nur Bundestags-Berichterstatterin für das Bundes-Patenschaftsprogramm "Menschen stärken Menschen" sind, sondern sich auch selbst als Mentorin engagieren. Wo machen Sie das?
Ich bin Mentorin im Programm "Frauen aufs Podium", das vom gleichnamigen Verein getragen wird. Es geht vor allem darum, Frauen, die sich politisch engagieren wollen, praktische Tipps zu geben, sie in ihrer Motivation zu unterstützen und Erfahrungen zu teilen, wie man zum Beispiel Beruf, Familie und Engagement unter einen Hut bekommt. Das mache ich seit einem knappen Dreivierteljahr. Es gab einen Auftaktworkshop und danach persönliche Treffen zwischen den Mentorinnen und den Mentees. Zuerst haben wir einen Vertrag miteinander gemacht, wo wir die Inhalte definiert haben: Was ist das persönliche Ziel des Mentees? Wie kann die Mentorin darin unterstützen? In welcher Frequenz wollen wir uns treffen? Auf welchen Wegen tauschen wir uns aus? 

Wer ist Ihr Mentee? 
Das ist eine partei-politisch aktive junge Frau, die eine Führungsaufgabe in ihrer Organisation übernehmen und auch ihre rhetorischen Fähigkeiten weiterentwickeln wollte. Insgesamt wollte sie mutiger werden, vor Gruppen frei zu sprechen und öffentlich aufzutreten. 

Haben Sie gemeinsam schon etwas erreichen können?
Wir haben ihr Bewerbungskonzept ausgearbeitet, haben überlegt, wie sie ein Team findet, mit dem sie gemeinsam Ideen entwickelt und umsetzt. Inzwischen hat sie das Ziel erreicht, sie ist Vorsitzende ihrer Organisation und insgesamt selbstbewusster geworden. 

Wie sind Sie auf das Programm aufmerksam geworden? 
Ich wurde gefragt. Mein Mentee hat sich mich als Mentorin gewünscht und der Veranstalter hat geschaut, ob Kriterien wie inhaltliche Übereinstimmung oder räumliche Erreichbarkeit passen und dann zugestimmt.

Waren Sie selbst jemals in der Rolle des Mentees?
Immer wieder. Es gab nicht die eine Person, in deren Fußstapfen ich treten wollte. Aber natürlich habe ich versucht, von verschiedensten Menschen zu lernen. Und auch heute noch habe ich überhaupt keine Not, wenn eine Situation neu ist, jemanden anzurufen und zu fragen: Kannst du mir mal einen Tipp geben? Im Gegenteil, wir sind dann gut, wenn wir unsere Kompetenzen bündeln und voneinander lernen. Deshalb ist "Menschen stärken Menschen" beispielsweise auch so ein wahnsinnig tolles Programm und so erfolgreich, weil es Türen öffnet. Das ist es, was dann ein erfolgreiches Mentoring ausmacht: jemand anderem die Hand zu reichen, in die eigene Welt reinzukommen. Gedanklich und vielleicht sogar physisch durch Netzwerke und Kontakte. Das ist natürlich etwas Wechselseitiges, ich habe auch schon viel von meinem Mentee gelernt.

Was zum Beispiel? 
Alleine, dass ich mir ihre Brille aufsetze und wir gemeinsam Lösungen entwickeln, dadurch erarbeite ich mir ja auch selber Werkzeuge. Durch den relativ großen Altersunterschied kommt man auch aus seiner "Kenn-ich-schon-weiß-ich-schon-Position" raus und guckt nochmal mit unverstellterem Blick auf Situationen.

Geht es Ihnen bei diesem Engagement speziell darum, etwas aktiv für die Gleichstellung von Männern und Frauen zu tun?
Schon, ja. Woran die Frauenentwicklung an vielen Stellen krankt, ist, dass es wenig positive Vorbilder gibt. Frauen werden anders sozialisiert als Männer, haben eine andere Selbstwahrnehmung. Männer lesen eine Stellenausschreibung und wenn sie nur einen Punkt von dem können, was da drin steht, dann sagen sie schon: Kann ich, mach ich. Wenn eine Frau nur einen Punkt findet, den sie nicht kann, sagt sie: Oh je, da kann ich mich nicht bewerben, dafür bin ich nicht qualifiziert. Wir zeigen mit dem Programm, dass die, die schon etwas erreicht haben, genauso losgelaufen sind und sich mit der Zeit entwickelt haben. Die waren nicht von Anfang an perfekt und sind das heute auch noch nicht. So gewinnen Frauen Zutrauen in die eigenen Kompetenzen und leben nicht ständig in der Selbstüberforderung.

Der Bundestag hat für das Programm "Menschen stärken Menschen" gerade wieder 18 Millionen Euro bewilligt. Das ist zwar so viel wie im Jahr zuvor, kommt aber bei Inflation und Preissteigerungen einer Kürzung gleich. Wie zufrieden sind Sie damit?
Es liegt in der Natur der Sache, dass wir nie zufrieden sein können, solange mehr möglich wäre. Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass die Ressourcen nicht bis ins Unendliche wachsen. Insofern bin ich erstmal zufrieden, dass es gelungen ist, das Programm zu stabilisieren, während viele andere Programme und Töpfe zurückgefahren worden sind. Das wird noch Teil der Bundes-Engagementstrategie sein, dass wir überlegen, wie wir auch noch anders und besser Ressourcen erschließen können, wie wir zum Beispiel die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft stärken können.

Wie genau möchten Sie die Wirtschaft einbinden?
Wir müssen eine öffentliche Diskussion darüber führen, wie wir es uns im Moment erlauben, Potenziale liegen zu lassen. Bei "Menschen stärken Menschen" sehen wir ja, dass Mentees, die durch das Programm ermächtigt werden, andere Bildungsgänge nehmen, andere Jobs finden. Und darum muss es ja gehen, dass wir Menschen qualifizieren, auf welchen Wegen auch immer. Das hilft allen, nicht nur den Menschen selber, sondern auch der Volkswirtschaft. Jeder hat etwas Wertvolles einzubringen und es ist unsere gemeinsame Verantwortung, das zu ermöglichen. Da ist die Wirtschaft ein Teil der Gesellschaft und vielfach engagiert sie sich ja auch schon durch Stiftungen, aber das dürfte durchaus noch struktureller gedacht sein. Denkbar wären vielleicht in gewissem Umfang Freistellungen für ehrenamtliche Aufgaben oder Fortbildungen, wie wir das bisher nur im Blaulichtbereich kennen.

Ein anderer Pferdefuß des Programms ist die Befristung auf ein Jahr. Sehen Sie Chancen für eine Entfristung?
Ich bin kein Fan von vielen Programmen, die nebeneinander stehen, wo es immer einen Zeithorizont gibt. Wir bauen Kompetenzen und Perspektiven auf und wissen nicht, ob wir die halten oder in eine andere Finanzierung überführen können. Deshalb würde ich gerne wegkommen von Programmen hin zu strukturellen Lösungen. Und das bedeutet einfach, eine weltoffene, chancengerechte Gesellschaft zu haben. Am Ende führen viele Wege nach Rom, wenn es uns gelingt, das Bewusstsein zu öffnen. Da sehe ich in dieser Legislatur eine große Chance, dass wir ganz anders auf Menschen und ihre Potenziale schauen.

 

Ariane Fäscher

Ariane Fäscher ist seit 2021 direkt gewählte Bundestagsabgeordnete der SPD für den Wahlkreis 058: Oberhavel - Havelland II. Zudem ist sie stellvertretende Vorsitzende des Bundestages-Unterausschusses für Bürgerschaftliches Engagement und Berichterstatterin für das Bundespatenschaftsprogramm "Menschen stärken Menschen".

Lachende und fröhliche Menschen
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Programm Chancenpatenschaften

Der Bundesverband Deutscher Stiftungen unterstützt als Träger des Bundesprogramms "Menschen stärken Menschen" Stiftungen bei der Durchführung ihrer Mentoring- und Patenschaftsprojekte.

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