Wissensatlas Bildung der Stiftungen zeigt wichtige Publikationen zum Thema Demokratie

Unsere Demokratie
10.04.2019
Unsere Demokratie
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Stiftungen engagieren sich für unsere Demokratie in vielfältiger Art und Weise. Um dieses Engagement zu zeigen, steht der Deutsche StiftungsTag 2019 unter dem Motto „Unsere Demokratie“. Auch der Schwerpunkt des Wissensatlas Bildung der Stiftungen geht in diesem Jahr der Frage nach, welche Stiftungen in ihren Publikationen und Studien sich mit dem Thema Demokratie auseinandersetzen.

Dr. Angela Borgwardt
© privat
Dr. Angela Borgwardt, Politikwissenschaftlerin und Germanistin, arbeitet als freie Publizistin und Redakteurin für verschiedene Stiftungen, Verlage, Bildungsinstitutionen und Hochschulen.

Darüber haben wir mit der Politikwissenschaftlerin und Germanistin, Frau Dr. Angela Borgwardt gesprochen. Frau Borgwardt hat in den vergangenen Monaten das umfangreiche Angebot durchforstet und die relevantesten Publikationen wieder in der bewährten Form als Steckbriefe aufgearbeitet. Die Ergebnisse ihrer Recherche finden Sie unter www.wissensatlas-bildung.de

Der Deutsche StiftungsTag 2019 steht in diesem Jahr unter dem Motto „Unsere Demokratie“. Wo sehen Sie die Rolle der Stiftungen in unserer Demokratie? Was können und was sollen Stiftungen tun, um unsere Demokratie weiter zu stärken?
Für eine stabile und lebendige Demokratie ist eine aktive Zivilgesellschaft von zentraler Bedeutung – und Stiftungen agieren als starke zivilgesellschaftliche Kraft. Sie entfalten bürgerschaftliches Engagement auf vielfältige Weise. Ein wichtiges Handlungsfeld ist dabei die Demokratieförderung. Hier leisten Stiftungen bereits durch eigene Aktivitäten und die Förderung Dritter wichtige Beiträge. 

Vor dem Hintergrund, dass demokratische Werte in Europa zunehmend unter Druck geraten, und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik schwindet, könnten Stiftungen ihre Potenziale noch intensiver für die Stärkung der Demokratie einsetzen. Denkbar wären hier vielfältige Initiativen, etwa die Unterstützung des Dialogs zwischen Bürgerschaft und Politik oder die Erprobung von innovativen Mitwirkungsformen, um politische Entscheidungsprozesse auf eine breitere gesellschaftliche Basis zu stellen. Indem Stiftungen den Status quo immer wieder kritisch hinterfragen und sich für die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen einsetzen, könnten sie zu starken Innovationsmotoren einer sich erneuernden Demokratie werden.  

Mit Blick auf die Studien und Veröffentlichungen aus dem Stiftungssektor: Womit beschäftigen sich Stiftungen im Bereich Demokratie aktuell? Wo sehen Sie vielleicht auch weiße Flecken? Womit sollten sich Stiftungen stärker auseinandersetzen?
Eine kleine Anmerkung vorweg: Ich habe für den Wissensatlas Bildung der Stiftungen keine repräsentative Untersuchung durchgeführt, sondern interessante Publikationen mit Stiftungsbeteiligung zum Themenbereich Demokratie ausgewertet. Bei der Recherche wurde deutlich, dass viele Stiftungen sich hier bereits einem breiten Spektrum an Themen widmen, etwa der demokratischen Wertevermittlung im Schulunterricht, der Erinnerungskultur und dem Zusammenhang von Demokratie und Digitalisierung.

Drei thematische Schwerpunkte zeichnen sich aus meiner Sicht ab: Ein Schwerpunkt liegt auf den Herausforderungen in einer Einwanderungsgesellschaft und der Rolle, die Bildungsakteure dabei spielen können, insbesondere im Umgang mit Vielfalt und bei der Integration von Geflüchteten. Ein anderer Schwerpunkt betrifft den Themenbereich Mitbestimmung und Partizipation. Im Fokus stehen hier zum Beispiel Mitbestimmungsmöglichkeiten von Schülerinnen und Schülern oder neue Formen der Bürgerbeteiligung, die Verfahren der repräsentativen Demokratie sinnvoll ergänzen können. Der dritte Schwerpunkt betrifft politische Bildung und Wertebildung, was zum Beispiel Service Learning (Lernen durch Engagement) oder Kommunikationsstrategien gegen rechtsextremen Hate Speech in den sozialen Medien einschließt. 

Drei thematische Schwerpunkte:

  • Herausforderungen durch Zuwanderung in den Bildungsinstitutionen (Kita, Schule) und in der Gesellschaft, z.B. Abbau von Diskriminierung und Rassismus, Umgang mit ethnischer/kultureller Vielfalt, Vermittlung von Toleranz und demokratischen Prinzipien
  • Förderung einer demokratischen Schulkultur
  • Interkulturelle Öffnung von Schulen
  • Abbau von strukturellen Benachteiligungen im Bildungssystem in Bezug auf Kinder und Jugendliche mit Migrations- und Fluchthintergrund oder aus Familien mit geringen kulturellen, sozialen und finanziellen Ressourcen   
  • Integration von Geflüchteten ins Bildungssystem und in die Gesellschaft
  • Ehrenamtliche Arbeit mit Geflüchteten
  • Lehrerbildung und Rolle der Lehrkräfte bei der Demokratieförderung
  • Wertebildung und Wertedialog in einer Einwanderungsgesellschaft
  • Beitrag des zivilgesellschaftlichen Engagements für gesellschaftlichen Zusammenhalt
  • Gleichberechtigte Bildungsteilhabe, z.B. von Sinti und Roma

  • Partizipation von Kindern und Jugendlichen in Bildungsinstitutionen, z.B. in der Schule (Schülerhaushalt, Schülerfirma)
  • Verschiedene Formen der Bürgerbeteiligung in der Kommune oder im Gemeinwesen, vor allem bei kommunalen Themen und im Quartiersmanagement
  • Eröffnung und Gestaltung von Kommunikationsräumen zwischen Bürgerschaft und Politik, z.B. Bürgerdialoge, Community Communication
  • Qualitätsfaktoren von Bürgerbeteiligung
  • Partizipative und kooperative Stadtteilentwicklung
  • Rolle von zivilgesellschaftlichem Engagement für die Demokratie

  • Demokratiebildung und politische Bildung an Schulen/im Unterricht
  • Förderung der Debattenkultur unter Jugendlichen in den sozialen Medien, pädagogische Interventionen gegen Hate Speech und rechtsextreme Denkmuster im Netz
  • Europapolitische Bildung
  • Abbau von Ungleichheiten bei der Weiterbildungsteilnahme
  • Erinnerungskultur, z.B. mit Fokus auf die Zeit des Nationalsozialismus
  • Wertebildung in der Jugendarbeit mit jungen Geflüchteten
  • Politische Bildungsarbeit in der Kommune
  • Service Learning (Lernen durch Engagement), z.B. in MINT-Fächern an der Schule
  • Demokratisierung der Wissenschaft, z.B. partizipative, nachhaltigkeitsorientierte Forschung
  • Demokratieentwicklung im ländlichen Raum
  • Neue Lernorte für politische Bildung, z.B. Lernzentren in Fußballstadien
  • Zusammenhang von Demokratie und Digitalisierung

Ich denke, Stiftungen könnten ihre Perspektive bei der demokratischen Wertebildung noch erweitern und die Gruppe der Erwachsenen stärker in den Blick nehmen. Wertebildung ist niemals abgeschlossen, sondern als permanenter Prozess zu begreifen. Durch gesellschaftliche Entwicklungen wie Globalisierung, Digitalisierung oder auch Migration sind Werte einem Wandel unterworfen. Deshalb bedarf es immer wieder einer intensiven gesellschaftlichen Verständigung über Werte, um eine gemeinsame, tragfähige demokratische Wertebasis auszubilden und demokratiefeindlichen Tendenzen entgegenzuwirken. 

Welche Demokratie-„Perle“ haben Sie bei Ihrer Recherche entdeckt? Welche Studie oder Publikation war Ihr persönliches Highlight?
Angesichts der thematischen Breite und hohen Qualität vieler Studien fällt mir eine Auswahl schwer. Dennoch möchte ich zwei Studien hervorheben: zum einen die Publikation „Dorfgespräch“ der Stiftung Mitarbeit. Hier wird ein neues Gesprächsformat vorgestellt, das die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger mit einem Wertedialog verbindet. So soll in ländlichen Gebieten, wo die Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Politik oft groß ist, Demokratie und offene Gesellschaft befördert werden. Sehr interessant fand ich auch die Studie „Junges Europa 2018“ der TUI Stiftung, die einen Einblick in das politische Denken der 16- bis 26-Jährigen in Europa gibt. Im Kontrast zur verbreiteten Europaskepsis und in Zeiten von Brexit zeigt sich hier, dass die junge Generation in den letzten zwei Jahren die Errungenschaften des europäischen Projekts zunehmend erkannt hat: Die jungen Menschen verstehen sich häufiger als Europäerinnen und Europäer und stehen der Europäischen Union positiver gegenüber. Ein großer Teil verbindet mit der EU Menschenrechte und demokratische Werte, Freiheit und Frieden. Dies gibt Anlass zur Hoffnung, dass die Demokratie in Europa insgesamt wieder an Stabilität gewinnen wird.  

Über den Wissensatlas

Der Wissensatlas ist ein gemeinsames Online-Portal des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen und des Netzwerkes Stiftungen und Bildung. In der Datenbank finden Sie rund 200 Fachpublikationen, Handlungsempfehlungen oder Projektberichte in Steckbriefen zu den Themen Schule, Lehrerbildung oder berufliche Bildung, Diversität und Inklusion, Engagementförderung, Wirtschaft, Digitalisierung und dem neuen Schwerpunktthema Demokratie.  

Der Wissensatlas wird gefördert von der Joachim Herz Stiftung, der Robert Bosch Stiftung, der Schöpflin Stiftung und der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius.

www.wissensatlas-bildung.de

Alle Stiftungen sind eingeladen, auf ihre neu erschienenen Fachpublikationen zum Thema Bildung bzw. Demokratieförderung aufmerksam zu machen. Hier geht es zum Formular für den Vorschlag einer Publikation.

Das Netzwerk Stiftungen und Bildung ist die bundesweit größte Allianz von Stiftungen und zivilgesellschaftlichen Akteuren zum Thema Bildung. In den Stiftungsnetzwerken Bildung auf Länderebene teilen die Teilhaber und Teilhaberinnen Wissen und Erfahrungen und sorgen so für mehr Transparenz und Kooperation.

www.netzwerk-stiftungen-bildung.de
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