Dokumentation von Anlageentscheidungen: Worauf Stiftungsvorstände achten müssen

30.07.2019
Stiftungsvermögen
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Das Vermögen einer gemeinnützigen Stiftung ist sicher und ertragbringend zu verwalten. Jeder Stiftungsvorstand befindet sich damit im Spannungsfeld zwischen dem Gebot des Vermögenserhalts und der Notwendigkeit, Erträge zur dauerhaften und nachhaltigen Erfüllung der Stiftungszwecke zu erwirtschaften. Ein besonderes Augenmerk gilt daher der Dokumentation. Wie Vorstände ihrer Dokumentationspflicht nachkommen können, zeigt das Beispiel der Hauck & Aufhäuser Kulturstiftung. 

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Vermögenserhalt und die Ertragserwirtschaftung resultieren vorrangig aus der Stiftungssatzung, in der Stiftungszweck, Organe der Stiftung und etwaige Vorgaben zur Vermögenserwirtschaftung durch den Stifter festgehalten werden. Weitere Rahmenbedingungen folgen aus den Stiftungsgesetzen der Länder. Alle Landesstiftungsgesetze verlangen, dass das Stiftungsvermögen in seinem Bestand zu erhalten ist. 

Grundsätzlich hat der Stiftungsvorstand bei der Vermögensanlage einen Ermessenspielraum. Um dieses Ermessen fehlerfrei ausüben zu können, empfiehlt es sich, die notwendigen Aufgaben im Rahmen der Vermögensanlage zu zergliedern und anschließend die entsprechenden Dokumentationen vorzunehmen. 

1. Feststellung des Grundstockvermögens 

Der Stiftungsvorstand sollte das Stiftungsvermögen ermitteln und gliedern. Dabei hat er zu berücksichtigen, dass das Grundstockvermögen, das aus Erstausstattung und eventuellen Zustiftungen besteht, in seinem Bestand dauerhaft zu erhalten ist. 

In der Praxis der Hauck & Aufhäuser Kulturstiftung existiert eine sogenannte Kapitalerhaltungsrechnung unter Einbeziehung der Inflationsrate, des Kapitalziel- und Kapitalrealwerts. 

2. Ermittlung des Mittelbedarfs anhand der zugesagten Stiftungsprojekte  

Der Mittelbedarf ergibt sich aus einer differenzierten Einnahmen- und Ausgabenrechnung. Auf der Einnahmenseite stehen beispielsweise Spenden und Erträge aus der Vermögensanlage. Aber auch Einnahmen aus (steuerbegünstigten) Zweckbetrieben oder (steuerpflichtigen) wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben sind hier zu berücksichtigen. 

Auf der Ausgabenseite finden sich neben der Erfüllung der Stiftungszwecke die Verwaltungsausgaben, wie beispielsweise die Kosten für die Vermögensanlage. In der Praxis der Hauck & Aufhäuser Kulturstiftung sieht das wie folgt aus: Die Einnahmen- und Ausgabenrechnung erfolgt kontinuierlich über das laufende Jahr sowie weitere drei Jahre im Voraus. Sie wird mindestens einmal im Jahr in der Vorstandssitzung kommentiert. So hat der Stiftungsvorstand schnell einen detaillierten Überblick über bestehende und zugesagte Förderungen bzw. die Planung weiterer Förderprojekte. 

3. Entwicklung einer Anlagestrategie (Ertrags-Risiko-Verhältnis) 

Die Anlagestrategie beschreibt, wie die Stiftung das Verhältnis zwischen den Zielen Kapitalerhalt und Renditeoptimierung zur Erfüllung der Stiftungszwecke konkretisieren will. Die Entwicklung einer Anlagestrategie basiert daher auf dem Rendite-Risiko-Profil der Stiftung und der Risikotragfähigkeit. Entscheidend hierbei ist, dass das festgelegte Risikoprofil der Stiftung auch immer mit den subjektiven Kenntnissen, Erfahrungen und dem Risikoempfinden des Stiftungsvorstands übereinstimmt. Bekommt der Stiftungsvorstand trotz einer klar definierten Anlagestrategie in bestimmten Marktphasen „kalte Füße“ und liquidiert die Anlagen aus emotionalen Gründen, resultiert daraus im Nachhinein eine suboptimale Anlagestrategie. 

4. Anlagestrategie in einer Anlagerichtlinie fixieren 

Wenn sich der Stiftungsvorstand auf eine Anlagestrategie geeinigt hat, kann und sollte diese auch Eingang in eine Anlagerichtlinie finden. Das hat den Vorteil, dass diese Anlagerichtlinie neben der internen Nutzung (Risiko emotionaler Entscheidungen in schwierigen Marktphasen) auch zur Nutzung bei Banken und Vermögensverwaltern geeignet ist. Zum anderen minimiert es Haftungsrisiken des Vorstands durch entsprechende Dokumentation des Handlungsrahmens und der Entscheidungsprozesse. 

In der Praxis der Hauck & Aufhäuser Kulturstiftung sieht das wie folgt aus: Die Anlagerichtlinie enthält neben der Aufteilung auf einzelne Asset-Klassen (Asset Allocation) auch die Wahl der Umsetzungsform – Kaufen und Halten (strategisch) oder aktives Kaufen und Verkaufen (taktisch) zur systematischen Ertragserwirtschaftung – sowie eine Grundsatzentscheidung über die Einbeziehung Dritter. 

5. Umsetzung der Anlagestrategie u. Beauftragung der Vermögensanlage 

Die Anlagerichtlinie ist der Leitfaden für zukünftige Anlageentscheidungen des Stiftungsvorstands und ersetzt nicht die konkrete Dokumentation jeder einzelnen Vermögensanlageentscheidung. 

Die Dokumentation der Anlageentscheidung sollte einer klaren Struktur folgen. In der Praxis der Hauck & Aufhäuser Kulturstiftung sieht das wie folgt aus: 

  • Anlass der Anlageentscheidung (z. B. Mittelzufluss, Wiederanlage) 
  • Anlagehorizont (unbeschränkt, da keine Verbrauchsstiftung) 
  • Markteinschätzung im Entscheidungszeitpunkt (z. B. Markt- und Zinssituation, mögliche Alternativen) 
  • Feststellung der Einhaltung der Anlagestrategie bzw. Dokumentation der Abweichung nebst Begründung 

6. Kontrolle des Vermögensverwalters (Reporting) 

Die Überwachung der Vermögensanlage ist wiederum ureigene Aufgabe des Stiftungsvorstands. Er kann zwar die operative Anlage auf einen Dritten, beispielsweise einen Vermögensverwalter, auslagern, jedoch nicht die Verantwortung für das Anlageergebnis. 

Der Stiftungsvorstand sollte daher die Wertentwicklung des Portfolios, beispielsweise anhand der monatlichen Reportingunterlagen des Vermögensverwalters, überwachen und sich fortlaufend über die Rendite- und Risikobeurteilung des Vermögensverwalters informieren. Zielführend ist ein Jahresgespräch mit dem Vermögensverwalter im Rahmen einer Vorstandssitzung, um den Gesamtvorstand über die getätigten Investments zu informieren und auf die jeweiligen Kenntnisse, Erfahrungen und das Risikoempfinden jedes einzelnen Stiftungsvorstands eingehen zu können. 

In der Hauck & Aufhäuser Kulturstiftung sieht das wie folgt aus: Die Reportingunterlagen werden zum einen auf Einhaltung der Anlagerichtlinie kontrolliert, die Erträge und Gebühren in der Einnahmen- und Ausgabenrechnung erfasst, sowie die erzielte Performance mit der Marktentwicklung und Zielrendite verglichen. 

7. Kontrolle der Anlagestrategie 

Ausgehend von der aktuellen Niedrigzinsphase und einer für 2019 prognostizierten Inflationsrate von 2,0 Prozent ist die Anlagestrategie der Stiftung engmaschig zu kontrollieren. Gegebenenfalls muss sich der Stiftungsvorstand mit alternativen Investments – beispielsweise Erbbaupacht – auseinandersetzen und diese in seine Anlageentscheidungen einbeziehen. Dies ist insbesondere für einen ehrenamtlichen Stiftungsvorstand mit erheblichem Kenntnisaufbau und großer Eigeninitiative verbunden. 

Zusammenfassend gilt, dass ein Stiftungsvorstand bestmöglich eine Kapitalerhaltungsrechnung, eine Einnahmen- und Ausgabenrechnung zur Ermittlung des Mittelbedarfs, ein Ertrags-Risiko-Profil und daraus folgend eine Anlagerichtlinie erfassen sollte. Jede daran anschließende Anlageentscheidung ist nachfolgend zu dokumentieren. Zum Ende des Berichtszeitraums sollte ein etwaiger Vermögensverwalter das Investment dem Stiftungsvorstand darlegen und der Vorstand sollte seine Anlagestrategie bestätigen oder entsprechend justieren. 

Autorin

Karen Krämer 
Hauck & Aufhäuser Kulturstiftung 

Transparenzhinweis

Artikel von externen Autoren: Transparenz und Selbstverständnis

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