Neue Regelungen für den Kapitalertragsteuerabzug für gemeinnützige Stiftungen ab 2019

Stiftungsrecht
03.01.2019
Stiftungsrecht
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Mit dem Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Jahressteuergesetz 2018) werden ab 1. Januar 2019 weitere Verschärfungen beim Kapitalertragsteuerabzug für gemeinnützige Organisationen bei sammelverwahrten Aktien und Genussscheinen eingeführt.

Was ist neu ab 2019?

Derzeit kann die Bank bei Auszahlung der Dividendenerträge von der Einbehaltung der Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlags Abstand nehmen, wenn der Anleger durch Vorlage der NV-Bescheinigung oder des § 60a AO-Bescheides nachweist, dass er steuerbegünstigt ist. Gemeinnützige Stiftungen konnten demnach Dividendenerträge direkt steuerfrei vereinnahmen, ohne mit der Kapitalertragsteuer belastet zu werden.

Zukünftig darf die Bank bei Auszahlung der Dividendenerträge an die Gemeinnützigen nicht mehr vom Steuereinbehalt Abstand nehmen, soweit

  • die Kapitalerträge aus inländischen sammelverwahrten Aktien und Genussscheinen 20.000 Euro übersteigen und
  • die Stiftung nicht seit mindestens einem Jahr ununterbrochen wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien und Genussscheine ist (vgl. § 44a Abs. 10 Satz 1 Nr. 3 Einkommensteuergesetz-EStG-neu).

Liegen diese Voraussetzungen vor, muss die Bank Kapitalertragsteuer in Höhe von 15 Prozent der Dividende sowie Solidaritätszuschlag einbehalten und an das Finanzamt abführen. Die gemeinnützige Stiftung kann dann einen Antrag auf Erstattung beim Finanzamt stellen (vgl. § 44b Abs. 2 EStG-neu). Der Erstattungsantrag ist allerdings nur erfolgreich, wenn die Voraussetzungen des § 36a Abs. 1-3 EStG erfüllt sind. Zum Regelungsinhalt des jetzt schon geltenden § 36 a EStG beachten Sie bitte den Beitrag in unserer Servicebeilage „Stiftungsinfo“ Herbst 2018.

Ihr Bundesverband Deutscher Stiftungen hatte sich gegen Verschärfungen bei der Kapitalertragsteuer für gemeinnützige Organisationen im Gesetzgebungsverfahren eingesetzt und auf den erhöhten Verwaltungsaufwand sowie starke Liquiditätsnachteile für gemeinnützige Stiftungen aufmerksam gemacht. Allerdings will der Gesetzgeber mit dieser Gesetzesänderung unerwünschte Cum/Cum-Geschäfte steuerlich unattraktiv machen, sodass wir mit unserer Argumentation leider nicht durchdringen konnten.

Wer ist von der Neuregelung betroffen?

Die Neuregelung betrifft alle inländischen gemeinnützigen, kirchlichen und mildtätigen Organisationen, die inländische sammelverwahrte Aktien oder Genussscheine halten.

Sie gilt aber auch für Spezialinvestment-Fonds, die zur Transparenz optiert haben. Nimmt ein Spezialinvestment-Fonds die Transparenzoption wahr, entfällt auf Fondsebene die Steuerpflicht. Auf Ebene der Anleger werden die inländischen Fondserträge dann steuerlich so behandelt, als wären sie dem Anleger unmittelbar selbst zugeflossen (vgl. §§ 30, 31 Investmentsteuergesetz-InvStG). Die oben dargestellten neuen Verschärfungen zum Kapitalertragsteuerabzug gelten damit auch für die entsprechenden inländischen Fondserträge. Folglich werden ab 2019 auch bei entsprechenden Fondserträgen, die auf Einnahmen aus sammelverwahrten Aktien und Genussscheinen beruhen, Steuer einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, wenn die Voraussetzungen des § 44a Abs. 10 Satz 1 Nr. 3 EStG-neu vorliegen (s.o.).

Problematisch ist dann im Rahmen des Erstattungsverfahrens durch die gemeinnützigen Stiftungen, dass die Voraussetzungen des § 36a Abs. 1-3 EStG auf Fondsebene vorliegen müssen. Zu den Voraussetzungen des § 36a Abs. 1-3 EStG gehört, dass

  • der Fonds für eine gewisse Mindestdauer (jeweils 45 Tage vor und nach dem Dividendenstichtag) wirtschaftlicher Eigentümer der inländischen sammelverwahrten Aktien und Genussscheine ist,
  • der Fonds während dieser Mindestdauer das Mindestwertänderungsrisiko ununterbrochen trägt, d.h. keine Kurssicherungsgeschäfte ausführt, die dazu führen, dass der Fonds das Risiko aus einem sinkenden Wert von unter 70 Prozent trägt und
  • der Fonds nicht verpflichtet ist, die Dividende mittelbar oder unmittelbar zu vergüten.

Wie und in welchem Umfang gemeinnützige Stiftungen diese Voraussetzungen prüfen können, ist derzeit noch unklar.

Was ist für in 2018 zugeflossene Dividenden zu beachten?

In 2018 werden die Depotbanken bei den Dividendenausschüttungen an gemeinnützige Stiftungen aus inländischen sammelverwahrten Aktien und Genussscheinen wohl noch vom Steuereinbehalt Abstand genommen haben, wenn ihnen ein Nachweis der Steuerbefreiung vorgelegt wurde. Entsprechendes gilt für Fondserträge, die aus inländischen sammelverwahrten Aktien und Genussscheinen resultieren.

Wenn keine Steuer einbehalten wurde, müssen Stiftungen dennoch prüfen, ob die Voraussetzungen des § 36a Abs. 1-3 EStG vorliegen. Ist das nicht der Fall, muss die Stiftung dies bei ihrem zuständigen Finanzamt anzeigen und die Kapitalertragsteuer nachzahlen, es sei denn

  • die Dividenden aus inländischen sammelverwahrten Aktien und Genussscheinen übersteigen nicht 20.000 Euro im Kalenderjahr oder
  • die Stiftung war bei Dividendenauszahlung mindestens ein Jahr lang ununterbrochen wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien und Genussscheine.

Bitte beachten Sie hierzu den Beitrag in der „Stiftungsinfo“ Herbst 2018.

Kommt die Stiftung nach Prüfung zu dem Schluss, dass Kapitalertragsteuer für 2018 nachzuzahlen ist, ist die Erklärung bis spätestens 10. Januar 2019 abzugeben. Entsprechendes gilt auch für Stiftungen, die in Spezial-Investmentfonds mit Transparenzoption investiert haben.

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