Die Stiftungsrechtsreform kommt

08.07.2021
Stiftungsrecht
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Sieben Jahre nach dem Startschuss zur Reform des Stiftungsrechts ist es nun so weit: Das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts wurde auf den letzten Metern der Legislaturperiode im Bundestag und im Bundesrat verabschiedet. Es tritt am 1. Juli 2023 in Kraft. Der Gesetzgeber hat wichtige Forderungen des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen und der Wissenschaft aufgegriffen und macht damit Verbesserungen für kleine und große Stiftungen möglich.

Der Gesetzesentwurf zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts wurde mit den Stimmen der großen Koalition am 24. Juni 2021 im Bundestag verabschiedet und gleich am Folgetag auch im Bundesrat. Damit ist das Ziel, das Gesetz in dieser Legislatur zu verabschieden, erreicht. Das war gerade für die notleidenden Stiftungen, die auf Erleichterungen bei der Fusion von Stiftungen und auf die Möglichkeit der Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung warten, besonders wichtig. Nun tritt es allerdings erst in zwei Jahren in Kraft, um den Stiftungen Zeit für die Anpassung ihrer Satzung sowie den Stiftungsaufsichten Zeit für die Anpassung an das neue Stiftungszivilrecht und für Änderung der Landestiftungsgesetze zu geben. Bis zum Inkrafttreten kann bei stiftungsaufsichtlichen Entscheidungen jedoch mit einer Vorwirkung des Gesetzes gerechnet werden.

Mehr Rechtssicherheit für alle Stiftungen:


Bundeseinheitliches Stiftungsrecht

Trotz vielfacher Kritik setzt das Gesetz wichtige Forderungen aus der Praxis um. So wird ab Juli 2023 ein bundeseinheitliches Stiftungsrecht für alle Stiftungen gelten und das bisher geltende zersplitterte materielle Landesstiftungsrecht ablösen. Das bedeutet für alle Stiftungen – ob groß oder klein – mehr Rechtssicherheit durch die Entwicklung einheitlicher Rechtsprechung, einer einheitlichen Stiftungsaufsichtspraxis entsprechend dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Der Umzug einer Stiftung aus einem Bundesland in ein anderes wird keinen Wechsel der Rechtsgrundlage mehr nach sich ziehen. Praktisch relevante Sachverhalte wie etwa die Zu- und Zusammenlegung, die bislang nicht oder nur unzureichend erfasst waren, werden einheitlich geregelt und die Stiftungstätigkeit hängt nicht mehr von der Rechtsauffassung der örtlichen Stiftungsbehörden ab.

 


Meilensteine zur Stiftungsrechtsreform

Eine Reform des deutschen Stiftungsrechts war lange überfällig. Sieben Jahre Einsatz des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen haben sich gelohnt:
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Mehr Rechtssicherheit bei Haftungsfragen

Mehr Rechtsicherheit erhalten Stiftungen auch durch die Kodifizierung der Business Judgement Rule, wonach Stiftungsorgane dann nicht für eine Fehlentscheidung haften, wenn sie bei der Geschäftsführung unter Beachtung von Satzung und Gesetzen sowie auf Grundlage angemessener Informationen annehmen durften, dass sie zum Wohle der Stiftung handeln. Zudem gilt die bewährte Haftungsregelung des § 31a BGB fort. Danach haften Organe nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, solange sie keine oder eine Vergütung von nicht mehr als 840 Euro jährlich erhalten. Weiterhin kann nun auch die gesetzliche Haftung in der Satzung erleichtert oder ausgeschlossen werden, statt – wie im Regierungsentwurf noch vorgesehen – nur in der Errichtungssatzung. Dies ist besonders wichtig für Vorstandsmitglieder mit einem Entgelt von mehr als 840 Euro jährlich, die für jedes Verschulden haften.

Auswege für notleidende Stiftungen: Umwandlung und Zu- und Zusammenlegung

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Niedrigzinsphase stellen auch die Umwandlung einer Ewigkeitsstiftung in eine Verbrauchsstiftung und die Vereinfachung der Zu- und Zusammenlegung eine Verbesserung gerade für notleidende Stiftungen dar.

Durch die Kodifizierung der Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung ist ein Mehr an Rechtssicherheit gewonnen. Nachdem in der Anhörung von vielen Expert:innen Erleichterungen bei den Voraussetzungen der Umwandlung gefordert wurde, verzichtete der Gesetzgeber nun darauf, dies nur bei der Unmöglichkeit der Zweckerfüllung zuzulassen. Künftig wird nur noch im Rahmen einer Prognoseentscheidung darauf abgestellt, ob der Zweck dauerhaft und nachhaltig nicht mehr erfüllt werden kann. Zudem konnte der Bundesverband verhindern, dass Verbrauchsstiftungen künftig einen Verbrauchsplan aufstellen müssen.

Durch die Kodifizierung der Zu- und Zusammenlegung kann nun in allen Bundesländern auf eine einheitliche Rechtsgrundlage zurückgegriffen werden, so dass Stiftungen einfacher fusionieren können. So gilt künftig bundeseinheitlich die Gesamtrechtsnachfolge  und damit müssen nicht mehr umständlich im Wege der Einzelrechtsnachfolge alle Verpflichtungen und Rechte, alle Genehmigungen und alle Vermögensgegenstände einer Stiftung einzeln übertragen werden.

Satzungsänderungen

Satzungsänderungen werden einheitlich und strukturiert in Zweckänderungen, Änderungen prägender Bestimmung, wie zum Beispiel Sitz oder Name der Stiftung, oder einfache Satzungsbestimmung zum Wohl der Stiftung geregelt. Zudem sieht das Gesetz nun erleichterte Möglichkeiten für spätere grundlegende Satzungsänderungen vor.

 


Fachbegriffe des Stiftungsrechts verständlich erklärt

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Umschichtungsgewinne

Erfreulicherweise wurde im Gesetz von der Surrogationsthese Abschied genommen und ausdrücklich klargestellt, dass Umschichtungsgewinne für die Zweckverwirklichung eingesetzt werden dürfen, soweit der Stifterwille dem nicht entgegensteht und das Stiftungskapital erhalten bleibt. Damit muss keine Stiftung ihre Finanzierungsstrukturen umstellen und Stiftungsvorstände können flexibler ihre Stiftung durch die Niedrigzinsphase navigieren.

Stifterwille entscheidend

Die vielfach kritisierte Satzungsstrenge des Referentenentwurfs wurde gestrichen und der mutmaßliche Stifterwille als bewährte Auslegungshilfe zur Fortentwicklung der Ewigkeitsstiftungen wieder aufgenommen.

Stiftungsregister

Weiterhin ist nun endlich auch ein Stiftungsregister mit Publizitätswirkung vorgesehen. Damit wird der Nachweis der Vertretungsmacht vereinfacht und die umständlichen, mitunter zu Verzögerungen führenden Vertretungsbescheinigungen abgelöst. Der Kritik an der ursprünglich vorgesehenen uneingeschränkten Einsichtnahme ins Stiftungsregister wurde im Gesetz Rechnung getragen und die berechtigten Interessen der Stiftungen sowie die Persönlichkeitsrechte der Stifter:innen im Regierungsentwurf gewahrt. Die Details werden in der kommenden Legislatur in einer Verordnung geregelt, die wir als Bundesverband eng begleiten werden. Mit dem neuen Rechtsformzusatz ab Eintragung ins Stiftungsregister – für Stiftungen „e.S.“ bzw. für Verbrauchsstiftungen „e.Vs.“ – werden Stiftungen als Rechtsmarke etabliert.

Vereinheitlichung als erster Schritt gelungen – weiterer Modernisierungsbedarf erforderlich

Der Bundesverband sieht mit dem Gesetz wichtige Forderungen erfüllt. Dennoch sind aus Sicht der Praxis und der Wissenschaft noch weitere Schritte für ein modernes Stiftungsrecht notwendig. Der Gesetzgeber sollte in der neuen Legislatur die Chance ergreifen, eine Modernisierung des Stiftungsrechts umzusetzen und die Rechte der lebenden Stifter:innen zu stärken, Stiftungen auf Zeit auch außerhalb der Verbrauchsstiftung zu ermöglichen und zur Good Governance eine Erweiterung der Klagebefugnis vorzusehen. Erfreulich ist, dass der Gesetzgeber die Problematik der zu Unrecht aufgelösten Stiftungen erkannt und der Bundesregierung den Prüfauftrag erteilt hat, bis 1. Juli 2022 Lösungen zu entwickeln.

Weiterentwicklung des Stiftungsrechts steigert Attraktivität der Rechtsform Stiftung

Durch eine Weiterentwicklung des Stiftungsrechts wird die Rechtsform Stiftungen attraktiver für potentielle Stifter:innen, die ihre finanziellen Mittel, ihre Zeit und ihr Know-How für das Gemeinwohl oder die Familie einsetzen wollen. Sie erfreut sich unverändert großer Beliebtheit, da mit der Stiftung auf Dauer oder für begrenzte Zeit Vermögen einer bestimmten Zweckverwirklichung gewidmet werden kann und dies durch die Rechtsaufsicht durch staatliche Aufsichtsbehörden abgesichert wird. Die Reform des Stiftungsrechts wird, auch wenn nicht alle Wünsche des Bundesverbandes im Gesetzestext niedergelegt worden sind, zu mehr Rechtssicherheit führen und die Attraktivität der Stiftung als Gestaltungsmittel für die eigene Nachfolge weiter steigern.

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© Illustration: Thomas Fuchs

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