Der Club der nächsten Stifter

Baustelle Philanthropie
Next Philanthropy
© Detlef Eden
16.12.2019
Next Philanthropy
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Wohin entwickelt sich das Stiften? Generalsektretär Felix Oldenburg begibt sich auf Spurensuche durch Stiftungsdeutschland.

"Wie die meisten meiner Freunde erwarte auch ich von meinem philanthropischen Engagement, dass es unternehmerisch funktioniert."
Verena Pausder (40), Digitalunternehmerin
"Klar ist das ein Thema für mich, aber ich habe noch große Rückfragen an das Modell Stiftung, bevor ich mich festlegen will."
Rubin Ritter (37), Vorstand, Zalando
"Für die meisten Stiftungsgründer bedeutet die Niedrigzinsphase, dass der Traum vom einfachen Stiften kaputt ist."
Dr. Daniel Terberger (52), Unternehmer

In einer schönen Berliner Altbauwohnung treffen sich ein Dutzend gute Bekannte überwiegend aus der Start-up-Szene zum Dinner. Wir sprechen über Finanzierungsrunden, über Familie, die aktuellen politischen Geschehnisse – und bald auch über Geld. Jede und jeder am Tisch hat Vermögen, das deutlich über den eigenen Bedarf oder auch den einer Familie hinausgeht – und interessiert sich weniger für teure Uhren oder Segelyachten als vielmehr für die Frage: Wie können wir die Welt verbessern?

Als die Rede auf Stiftungen kommt, sind aber auch die sonst in Finanzfragen überaus ausgebufften Gründerinnen und Investoren am Tisch unsicher. Sie haben die Stiftungen der Eltern- und Großelterngeneration vor Augen, die sie eher als statisch und unflexibel empfinden. Wie in ihren Unternehmen hinterfragen sie alles, suchen auch in ihrem gesellschaftlichen Engagement nach der Disruption, den Nischen, der Skalierung. Sie sind überrascht, als ich ihnen erzähle, wie viele Gestaltungsmöglichkeiten ihnen die Rechtsform der Stiftung bietet. Einige aus der Runde sehen wir wenige Wochen später bei uns im Haus Deutscher Stiftungen wieder, wo sie sich über die rechtlichen Voraussetzungen einer Stiftungsgründung beraten lassen.

Reise durch Stiftungsdeutschland

Es sind Orte wie diese, an denen ich in den letzten Jahren erleben durfte, wie das nächste Stiften Form annimmt. In diesem Artikel möchte ich Sie auf eine Reise mitnehmen, die man wie alle Reisen am besten mit großer Offenheit für das Neue und mit dem Hinterfragen des eigenen Standpunktes beginnt. Sie wird uns von den Arbeits- und Esstischen der Berliner Gründerszene über Amtszimmer der Bundesministerien und fluchtartig verlassene Büros in Budapest bis in den äußersten Südwesten der Republik, ins badische Lörrach, führen und von dort aus über einen Landgasthof in Wipperfürth im Bergischen Land, das Fußballstadion in Duisburg und die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover zurück nach Berlin ins Schloss Bellevue.

Der Bundesverband erfasst bei seinen Mitgliedern das Alter der Stiftenden nicht systematisch. Dennoch wissen wir, dass sich unter den über 500 Neumitgliedern der vergangenen drei Jahre ungewöhnlich viele Gründerinnen und Gründer finden, die schon zu Beginn und nicht erst am Ende ihrer Laufbahn stiften. Und das ist nur eine der Gemeinsamkeiten zwischen Organisationen wie der Guerrilla Foundation, der nebenan.de-Stiftung oder der Purpose Stiftung. Sie stören sich nicht daran, Anliegen auch offensiv in den politischen Raum zu tragen, sie verbinden eine gemeinnützige mit einer unternehmerischen Vision, sie binden viele Interessierte in verantwortlichen Rollen ein, sie denken und handeln entlang von Ideen, die nicht an Landesgrenzen enden. Und sie werden seltener gegründet als Stiftungen bürgerlichen Rechts und häufiger als Stiftungen in Form eingetragener Vereine oder gemeinnütziger GmbHs.

Diese Trends sind freilich keine Domäne der Jüngeren. Die Kreuzberger Kinderstiftung hat schon eine längere Geschichte hinter sich, als sie sich als gemeinnützige Stiftungs-Aktiengesellschaft sozusagen ein zweites Mal gründet. Der Stifter Peter Ackermann erzählt bei einem Spaziergang im Garten des Stiftungshauses am Berliner Landwehrkanal, wie ihn die Vision einer Übergabe in viele Hände inspiriert hat. Die Stiftung versteht er nicht als sein eigenes Instrument, sondern als Plattform für viele, die Ideen, Engagement oder Geld beitragen. Diese Öffnung für Mitstiftende ist natürlich auch eine Antwort auf die Niedrigzinsphase, die er wie fast alle anderen Gesprächspartner für diesen Artikel als prägende Herausforderung für die eigene Stiftung empfindet.

Die oftmals engen Grenzen für die Bewirtschaftung eines Grundstockvermögens sind auch ein Thema am anderen Ende Deutschlands, im badischen Lörrach. Dort beschreibt der Stifter Hans Schöpflin eine andere Lösung. Er verwaltet sein philanthropisches Vermögen in einem Family Office, und die Stiftung arbeitet aus Erträgen, die ihr jährlich überwiesen werden.

Family Offices verwalten das Vermögen einer Eigentümerfamilie in eigener Hand, und ihr Aufstieg in den vergangenen zwei Jahrzehnten hat zunehmend dazu geführt, dass sie für viele Familien auch im stifterischen Engagement eine zentrale Rolle spielen. Eine Konsequenz: Die Budgets der Stiftungen sind immer häufiger deutlich größer, als sich aus dem Vermögensstock und seinen Erträgen allein erklären ließe.

Ist die Zeit neuer großer Stiftungsvermögen vielleicht vorbei?


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