Wo Stiftungen nicht gern hingucken: Die blinden Flecken in der Stiftungslandschaft

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06.09.2019
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Blinde Flecken sind Herausforderung und Chance zugleich. Sie zeigen einem, was man nicht sehen wollte und geben zugleich einen Hinweis, wo es sich lohnt, genauer hinzuschauen. Im Rahmen des Deutschen StiftungsTages hat der Bundesverband Deutscher Stiftungen fünf Gäste eingeladen und gefragt, wo unsere blinden Flecke liegen.

Als „Blinde Flecken“ werden in der Psychologie Aspekte bezeichnet, die Personen nicht wahrnehmen können oder wollen. Jeder Mensch hat ein Bild von sich, dass nicht mit dem übereinstimmt, wie er auf andere Menschen wirkt. Psychologen sprechen hier vom Selbst- und Fremdbild. Auch Soziale Systeme unterliegen diesem Phänomen. Wie alle Organisationen, haben auch Stiftungen ihre ganz eigene Art, auf die Welt zu schauen. Stiftungen haben zugleich aber den Anspruch, die Gesellschaft im positiven Sinne zu verändern. Mit Blick auf die immer größer werdende Komplexität unserer Gesellschaft und der damit einhergehenden Beschleunigung, ist es umso wichtiger, den Blick zu weiten, um sich selbst kritisch zu hinterfragen: Wo liegen die eigenen Blinden Flecken und wie können diese überwunden werden?

Demokratie beginnt mit Zuhören

Der diesjährige Deutsche StiftungsTag, der unter dem Motto „Unsere Demokratie“ stand, bot den idealen Rahmen, um den Fokus auf die Punkte zu lenken, wo Stiftungen manchmal lieber wegsehen. In der Veranstaltung „Die Blinden Flecken in der Stiftungsarbeit“ wurden fünf Personen aus verschiedensten Arbeitsumfeldern gebeten, aus ihrer Sicht zu berichten, wo sie Stiftungen als problematisch erlebt haben, wo sie Stiftungen auf etwas hinweisen möchten und wo Stiftungen noch genauer hinschauen müssen. Der Einladung sind gefolgt die Chefredakteurin von edition F, Teresa Bücker; die Gründerin und Geschäftsführerin, Violence Prevention Network, Judy Korn; der Diplom-Meterologe, Özden Terli; das Vorstandsmitglied der Generationen Stiftungen, Claudia Langer und der Geschäftsführer von Foodwatch International, Dr. Thilo Bode. Moderiert wurde die Veranstaltung vom Generalsekretär des Bundesverbandes Felix Oldenburg.  

In den kommenden Wochen werden wir die fünf Blinden Flecken vorstellen, über die unsere Gäste auf dem Deutschen StiftungsTag sprachen: 

Haben wir verstanden?

Die fünf Statements sowie die anschließende Diskussion zeigten, dass es auch im Stiftungsbereich zahlreiche Blinde Flecken gibt. Zugleich wurde aber deutlich, wie wichtig die Auseinandersetzung damit ist. Denn nur, wer sich seinen Schatten stellt und Kritik nicht als Kritik, sondern als Ausgangspunkt einer gemeinsamen Reflexion versteht, kann sich weiterentwickeln und damit auch Dinge verändern. Daher an Sie die Aufforderung und Frage: 

  • Wo gibt es Ihrer Meinung nach noch weitere Blinde Flecken? 
  • Wo sollen und wo müssen sich Stiftungen Ihrer Meinung nach mehr engagieren? 
  • Wo und wie müssen wir auf dem #DST20 in Leipzig (weiter-)diskutieren? 

Was denken Sie? Diskutieren Sie hier mit uns:

2 Kommentare

Dr. Gabriela Rieck schrieb am 30.09.2019:

Sehr geehrter Herr Schulz,

zunächst ein herzlicher Dank an Sie, an Herrn Oldenburg und an die engagierten Menschen, die sich in diese Überlegungen einbringen! Das sind wichtige Maßnahmen, um Inhalte voranzutreiben und gute Möglichkeiten eröffnen zu können.

"Entwicklung" ist ein wichtiges Stichwort (das nicht umsonst auch Teil meines unternehmerischen Tuns ist). Es ist ein Begriff, der menschlicher und mutiger ist als z.B. "Transformation". Denn Entwicklung kann jede und jeder - im Kleinen wie im Großen -, während die Transformation scheinbar wie ein Damoklesschwert bleischwer über uns hängt.
Mit Entwicklung kann man die Dinge stattdessen aktiv, in einer angemessenen Zeit und lebenswert gestalten.

Ich würde entsprechend diese gesellschaftlichen, mitmenschlichen und verbindenden Aspekte - auch in kreativer Form - noch viel stärker nach vorne bringen! Und damit nicht Defizite ("Krisen", Machtmissbrauch, Fehler etc.) in den Vordergrund stellen, sondern Möglichkeiten aufzeigen und Anregungen geben, wie wir all die Themen, die uns betreffen, mit positivem Vorzeichen in unser Tun und Leben einbauen können.

Ich stehe für weitere Impulse und gerne auch für kreative Maßnahmen zur Verfügung.

Mit herzlichen Grüßen auch an Herrn Oldenburg,
Gabriela RIeck

Thomas Leppert schrieb am 11.09.2019:

Möglicherweise haben sich nach 70 Jahren strukturelle Funktionsdefizite unserer staatlichen bzw. gesellschaftlichen Organisation eingeschlichen. Populistische Strömungen machen sich die latente Unzufriedenheit mit diesen Defiziten zu Nutze und entziehen sie dadurch aber auch einer konstruktiven Diskussion. Wenn diese Vermutung stimmt, müssten wir uns fragen, welche Defizite es ehrlicherweise zu konstatieren gibt (das wäre der blinde Fleck) und wie wir eine "Inspektion unserer Gesellschaft" mit demokratischen Kräften organisieren können. Ziel müsste es sein, eine Reform und Weiterentwicklung unserer gesellschaftlichen Grundordnung nicht jenen Kräften zu überlassen, die daran eigentlich nicht interessiert sind.

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