Wenn Arme den Ärmsten helfen

Globales Engagement
© Felita Viegas / RDT
07.10.2020
Globales Engagement
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Die Corona-Pandemie hat Indien schwer getroffen. Dennoch ist die Solidarität in der Bevölkerung groß. Ein Bericht über die Arbeit vor Ort der Vicente Ferrer Stiftung.

Weltweit engagieren sich viele Menschen unermüdlich im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Indien trifft die Pandemie mit besonderer Härte: Bereits über 5,5 Millionen Menschen sind an dem Virus erkrankt. In Andhra Pradesh, einer Projektregion der Vicente Ferrer Stiftung im Südosten Indiens, leben die meisten Menschen in großer Armut. Hier ist die Hilfsbereitschaft untereinander überwältigend: Obwohl viele Kleinbauern selbst nur knapp über dem Existenzminimum leben, spendeten sie zu Beginn des Lockdowns über Wochen tagtäglich Körbe und Lastenwagen voller Gemüse, Obst und anderer Nahrungsmittel, um das Elend der Menschen in Anantapur zu lindern, die aufgrund der Ausgangssperre noch weniger hatten als sie selbst. In Anantapur waren Tausende Wanderarbeiter gestrandet. Die meisten von ihnen kamen aus Zementfabriken und Steinbrüchen, die infolge des Corona-Lockdowns schließen mussten. Die obdachlos gewordenen Arbeiter wurden in Notlagern untergebracht. Die Vicente Ferrer Stiftung Indien versorgt sie mit Nahrungsmitteln sowie Hygieneartikeln und betreut sie so gut wie möglich.

Flexibles Stiftungshandeln: Die CORONA-Soforthilfe der Vicente Ferrer Stiftung

Durch den Lockdown musste die Stiftung schnell und flexibel handeln und den Fokus neu ausrichten. „Bevor wir an Corona sterben, verhungern wir“, so die Befürchtung vieler armer Menschen in Anantapur. Deshalb wurden innerhalb kürzester Zeit auf dem Campus sowie in der Sports Academy der Stiftung zwei Großküchen eingerichtet und Mahlzeiten gekochte, die in den Slums und Notunterkünften verteilt wurden. Bis zu 10.000 Mahlzeiten pro Tag konnten auf diese Weise an Bedürftige verteilt und so Tausende Menschen vor dem Hungertod gerettet werden.

Aktuelle Hilfsmaßnahmen im Überblick

Die Vicente Ferrer Stiftung stellt zusammen mit bezahlten Näherinnen und Nähern der Region Tausende Stoffmasken pro Woche her: Bis Ende Juli konnten bereits mehr als 5,5 Millionen Masken produziert werden. Da viele Menschen in den Dörfern als Tagelöhner arbeiten und ihre Arbeit verloren haben, finden sie durch das Nähen von Masken eine neue Einnahmequelle. Bis zu 50 Masken können pro Tag von einer Person hergestellt werden. Pro Maske erhält eine Näherin bzw. Näher von uns 6 INR und kann so ihre Familie weiter unterstützen. 2081 Menschen in 375 Dörfern des Projektgebiets haben bereits mitgeholfen. Die Masken werden an Menschen in den Dorfgemeinschaften, aber auch an Mitarbeitende der Stiftung, die Aufklärungsarbeit in den Dörfern leisten, die Polizei sowie Regierungsmitarbeitende verteilt.

Unser Stiftungs-Krankenhaus in Bathalapalli ist eines der ersten in Andhra Pradesh, das von der Landesregierung als COVID-19-Krankenhaus ausgewiesen wurde. Da das Krankenhaus über ein Labor für mikrobiologische Untersuchungen verfügt, können hier Tests auf COVID-19 durchgeführt und COVID-19-Infizierte behandelt werden. Insgesamt verfügt Bathalapalli über 405 Betten für Menschen, die an Corona erkrankt sind. Besonders freut es uns, dass das Krankenhaus am 15. August von der indischen Regierung als eines der zwei besten privaten COVID-19-Krankenhäuser im gesamten Bundesstaat Andhra Pradesh sowie für das beste Pflegepersonal ausgezeichnet wurde.

Die Abteilung für Geburtshilfe des Krankenhauses in Bathalapalli ist im Mai in die Klassenräume der Stiftungsfachschule umgezogen und betreut die Patientinnen seit dem am neuen Standort.

Wir erstellen – auch für Analphabeten sowie Menschen mit Sehbehinderung – verständliche Corona-Aufklärungsmaterialien und informieren die Menschen vor Ort, welche Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus ergriffen werden müssen.

Wir danken unseren Förderern sowie Spenderinnen und Spendern für die Unterstützung, die den Familien in Andhra Pradesh und Telangana in diesen schwierigen Zeiten Hoffnung gibt!

Über die Autorin

Dr. Andrea Rudolph, Geschäftsführerin Vicente Ferrer Stiftung gGmbH

Über die Vicente Ferrer Stiftung Deutschland

Die Vicente Ferrer Stiftung Deutschland ist Teil der Stiftungsfamilie Vicente Ferrer, die sich bereits seit 50 Jahren für die Verbesserung der Lebensbedingungen der am stärksten Benachteiligten im ländlichen Indien einsetzt. Gemeinsam mit der Vicente Ferrer Stiftung Indien, der ausführenden Organisation vor Ort, der Fundación Vicente Ferrer Spanien sowie der Vicente Ferrer Foundation USA, werden Programme in den Bereichen Bildung, Familie, Gesundheit, Inklusion, Landwirtschaft und Infrastruktur realisiert. Der ganzheitliche Ansatz der Stiftung setzt Entwicklungsprojekte im Dialog mit den Betroffenen um, d.h. alle Maßnahmen und Aktivitäten werden gemeinsam mit den Zielgruppen identifiziert und realisiert. Heute ist die Stiftung in 3.700 Dörfern der südindischen Bundesstaaten Andhra Pradesh und Telangana tätig.

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