Regenbogenphilanthropie

Unsere Demokratie
19.02.2018
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Felix Oldenburg, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, spricht anlässlich einer Tagung zur Regenbogenphilanthropie über die Frage "Warum in LSBTI* investieren?".

 

Sehr geehrte Anwesende,

dies ist als ein TED-Style-Talk angekündigt, damit verbindet sich natürlich die Erwartung, mit einer wahnsinnig originellen Idee anzutreten, mit neuen Einsichten, mit echtem Expertentum. Sie alle hier haben sich viel länger mit ihrem Thema beschäftigt als ich, ich bin kein Experte. Aber anders als manche möchte ich mich eben auch nicht davor drücken, deshalb nichts dazu zu sagen. Denn ich stehe hier nicht nur als Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, ich stehe hier auch einfach als Mensch und immerhin reden wir hier ja – und das ist der erste Grund, die erste Antwort auf die Frage – über Menschenrechte. Und Menschenrechte sind Rechte für uns alle, egal, ob sie uns nun mal gerade angehen, oder nicht. Und die Rechte von Lesben, Schwulen, Bi-Sexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI*) sind nun einmal schlicht weg da und wir müssen sie alle miteinander schützen. Wir müssen alle miteinander gegen Diskriminierung arbeiten.

Das Problem der Shrinking Spaces

Jetzt reicht es aber offenbar vielen nicht. Diese Begründung sollte aber eigentlich ausreichen, der Talk sollte hier aufhören! Schluss: Rechte! Punkt! Aber er hört hier natürlich nicht auf, weil es damit erst losgeht. Wir haben es – und das ist vielleicht die zweite Antwort – mit einer besonderen Dringlichkeit zu tun. Wir müssen uns davon verabschieden, dass der Vormarsch von Demokratie, von Raum, von Platz, von Space für die Zivilgesellschaft, für Andersdenkende unaufhaltsam ist. Dass wir einfach nur warten müssen, bis sich die Probleme lösen. Vielmehr haben wir es mit einem Problem der Shrinking Spaces zu tun. Um uns herum, erschreckend nah, werden die Räume für diejenigen, die wagen anders zu denken, in einer enormen Geschwindigkeit kleiner. Und das ist kein Problem mehr von immer den anderen, das ist eben auch ein Problem von uns – ganz bestimmt ein Problem von uns im Stiftungssektor – dass wir gegen dieses Problem der Shrinking Spaces arbeiten müssen, denn es sind nicht nur die Shrinking Spaces für uns als Stiftungen, für uns als Zivilgesellschaft, sondern für alle, die wagen, anders zu denken.

Je diverser, desto erfolgreicher

Und wer dann wirklich noch einen Grund braucht, dem kann man vielleicht auch noch einen dritten Grund erzählen. Ich habe vergangenes Jahr im Atlantic in der letzten einer langen Serie von Studien darüber gelesen, was Orte wettbewerbsfähig, innovativ, ökonomisch, erfolgreich macht. Natürlich gibt es eine direkte Korrelation: Der beste Indikator für den Erfolg einer Stadt in z.B. Hightech-Industrien ist der Anteil von Homosexuellen, von Menschen mit anderen sexuellen Orientierungen. Ich kann das nachvollziehen: Ich habe lange für Social Entrepreneurs gearbeitet, für Menschen, die mit anderen Ideen, oft mit radikalen, mit unwahrscheinlich scheinenden Ideen antreten und ich habe erlebt, was für einen hohen Anteil von Menschen aus LSBTI-Communities es dort gibt. Und das ist kein Zufall – weil sie Menschen sind, die mit einer neuen Perspektive oft an den Schnittstellen, oft auch aus Konfliktsituationen, aus Erfahrungen des Andersseins neu auf die Gesellschaft blicken und daraus neue Ideen, oft radikale neue Lösungen für unsere Welt entwickeln.

Stiftungen dürfen nicht die letzten sein

Wenn wir als Stiftungen neue Antworten für die Herausforderungen unserer Welt finden möchten, müssen wir Magneten werden für genau diese Menschen. Wir müssen uns fragen, wie werden wir Orte, an denen genau diejenigen, die anders, die neu über Gesellschaft nachdenken, sich zuhause fühlen. Es ist nicht die Kür nachdem wir alle anderen Probleme gelöst haben. Sondern vielleicht ist es erst die Voraussetzung dafür, dass wir neue Ideen generieren, um die Probleme zu lösen, mit denen wir uns befassen.

Stiftungen sind nicht die ersten – leider – die sich LSBTI-Themen vornehmen. Das zeigen sehr deutlich die Studien der Regenbogenphilanthropie: Ja, mehr Geld, aber eine stagnierende Anzahl von Akteuren, wir sind noch weit von einem Mainstreaming entfernt. Wir können nicht einfach warten und denken, es wird schon automatisch mehr werden. Stiftungen sind nicht die ersten, aber sie dürfen auch eben nicht die letzten sein. Für mich ist die Frage nicht, ob und auch nicht wann, sondern nur noch wie. Und ich würde gerne dazu meinen Beitrag leisten, dass der Stiftungssektor in den nächsten Jahren diese Frage ehrlich beantwortet. Danke.

Ihr

Felix Oldenburg

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