Einzelne Forderungen des Bundesverbands, die teilweise der gesetzlichen Klarstellung und damit der Vereinfachung im Vollzug dienen, ließen sich in dem diesjährigen Hauruckverfahren nicht durchsetzen. Hier machte sich das Fehlen eines eigenen Gesetzes mit einer Verbändeanhörung im ministeriellen Verfahren und einer Expertenanhörung im parlamentarischen Verfahren sehr bemerkbar. Diese Forderungen werden wir mit dem Ziel einer weiteren Stärkung des Ehrenamtes aktiv und konstruktiv in der nächsten Legislaturperiode mit unserer Expertise aus der Praxis in die politische Diskussion einbringen.
1. Rahmen für politische Tätigkeit von gemeinnützigen Organisationen klarstellen
Nicht in das Gesetz gelangt ist die politisch umstrittene Klarstellung der politischen Tätigkeit von gemeinnützigen Organisationen. Damit konnten wir die wünschenswerte Rechtssicherheit durch eine gesetzliche Normierung nicht erreichen, weshalb die Rechtslage vorerst die Gleiche bleibt: Innerhalb des eigenen Satzungszwecks ist eine politische Betätigung erlaubt, und auch außerhalb der eigenen Zwecke dürfen sich gemeinnützige Organisationen weiterhin gelegentlich politisch äußern, beispielsweise bei Aufrufen gegen Rassismus oder zur Unterstützung bei der Bewältigung der Klima- oder Flüchtlingskrise. Was sie nicht dürfen, ist ein allgemein politisches Mandat wahrnehmen und außerhalb der eigenen Zwecke für politische Veränderungen zu streiten.
2. Zweckkatalog an veränderte gesellschaftliche Bedürfnisse anpassen
Die Erweiterung des Zweckkatalogs springt zu kurz, da sie die veränderten gesellschaftlichen Bedürfnisse wie den Schutz von Menschenrechten, gemeinnützigen Journalismus und weltweite Demokratieförderung nicht aufgreift.
3. Business Judgement Rule einführen
Nicht berücksichtigt wurden die von uns geforderte Kodifizierung der Business Judgement Rule sowie eine entsprechende Angemessenheitsprüfung, damit den Organen gemeinnütziger Organisationen mehr Rechtssicherheit bei im guten Glauben getroffenen Entscheidungen zugebilligt wird, die sich im Nachhinein als Fehlentscheidung erweisen, jedoch im Zeitpunkt der Entscheidung vertretbar waren. Das Gemeinnützigkeitsrecht sollte auch hier mit dem derzeit laufenden Gesetzgebungsverfahren zur Stiftungsrechtsreform harmonisiert werden.
4. Sektorübergreifende Kooperationsmöglichkeiten erlauben
Es fehlt nach wie vor an Regelungen, die neue Formen der Förderung wie Venture Philanthropy, Impact Investing, institutionelle sowie partizipative Förderung im Rahmen gemeinnütziger Tätigkeiten ermöglichen, um eine nachhaltige Wirkung im Sektor zu erzielen. Zudem bedarf es dabei Förderinstrumenten in Form von Investitionen (Risikokapital, Beteiligungskapital und Vergabe von Darlehen) und auch institutionelle Förderungsmöglichkeiten. Ausschlaggebend ist, dass im Rahmen dieser Förderungen die Mittelzuwendung nur noch mittelbar dem eigentlichen Zweck zugutekommt. So ist etwa die partizipative Förderung eine neue Form der Förderung, die sich dadurch auszeichnet, dass die Mittelempfangenden größtenteils autonom über den Projektverlauf entscheiden. Um solche neuen Formen der Förderungen zu fördern, müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass die Gebenden keiner überspitzten Prüf- und Aufsichtspflicht unterliegen und die Mittelempfangenden eine handhabbare Prüfpraxis anwenden können. Dafür müssen auch zweckgebundene (sektorübergreifende) Zuschüsse als steuerlich unschädliche Betätigung gelten, da nur sie das Zusammenarbeiten auf Augenhöhe erlaubt, und gerade diese z.B. in der Entwicklungszusammenarbeit für den Erfolg gemeinnütziger Tätigkeit wesentlich ist.
5. Abgestuftes Sanktionssystem einführen
Wir halten die Regeln über die Rechtsfolgen bei kleineren Verstößen gegen Gemeinnützigkeitsvorschriften für unverhältnismäßig, da nach geltender Rechtslage auch kleinere Verstöße den vollständigen Verlust der Gemeinnützigkeit und damit der Steuervergünstigung zur Folge haben können. Wir fordern deshalb eine Neuregelung, die auf ein abgestuftes Sanktionssystem zielt, das auf kleinere Verstöße bei der gemeinnützigen Mittelverwendung mit abgestuften Strafzahlungen reagiert. Der BFH hat jüngst in seiner Entscheidung zu Geschäftsführergehältern im gemeinnützigen Sektor bereits eine Bagatellgrenze festgestellt. In Anlehnung an dieses Urteil sollte zur Rechtssicherheit ein abgestuftes Sanktionssystem für kleine Verstöße bei der Mittelverwendung kodifiziert werden.
6. Zweckbetriebe praxisnah definieren
Gemeinnützige Organisationen brauchen eine praxisnahe Definition des Zweckbetriebs, da die zu enge Rechtsaufassung der Finanzbehörden gemeinnützige Organisationen über Gebühr einschränkt. Zum einen erkennen die Finanzbehörden einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nur dann als Zweckbetrieb an, wenn dieser notwendig ist. Dass ein Betrieb zur Verwirklichung satzungsmäßiger Zwecke nur hilfreich oder nützlich ist, soll hingegen nicht ausreichen. Dadurch droht zunehmend, dass die gemeinnützige Tätigkeit, die durch nicht kostendeckende Entgelte mitfinanziert werden muss, wegen eines drohenden schädlichen Dauerverlustes von vornherein unterbleibt. Zum anderen stehen die Zweckbetriebe gemeinnütziger Körperschaften immer mehr einer kommerziellen Konkurrenz gegenüber. Bisher zweifelsfrei als Zweckbetrieb behandelte Tätigkeiten verlieren diese Zuordnung, da die gesetzliche Regelung teilweise dahingehend ausgelegt wird, dass bereits ein potenzieller Wettbewerb, ohne Beachtung der Verhältnisse am örtlich relevanten Markt, zu einer Versagung der Zweckbetriebseigenschaft führt.
7. Vereinfachte Nachweispflichten bei EU-grenzüberschreitenden Spenden einführen
Sowohl das grenzüberschreitende Spenden, als auch das Investieren bei der Vermögensanlage zu „Gemeinnützigkeitskonditionen“ sind in der Europäischen Union noch nicht zufriedenstellend geregelt. Trotz Kapitalverkehrsfreiheit und Nicht-Diskriminierungsgebot auch für philanthropische Geldflüsse sind die Regelungen in der Praxis oft unklar, kompliziert und mit vielen Kosten und Mühen verbunden. Der Bundesverband spricht sich daher weiterhin für eine Harmonisierung des Gemeinnützigkeitsrechts auf europäischer Ebene aus. Nationale und europäische Rechtsvorschriften sollten die Philanthropie stärken und in Einklang mit den EU-Grundrechten und -werten sowie den Grundfreiheiten stehen. Im Sinne der europäischen Integration ist es erforderlich, dass die Zweckerfüllung auch für Aktivitäten innerhalb der EU geltend gemacht werden kann, ohne dass dabei das Ziel der Völkerverständigung verfolgt wird. Darüber hinaus sind praktikable Anforderungen an Nachweispflichten der gemeinnützigen Mittelverwendung bei Weiterleitung an ausländische Körperschaften erforderlich.
8. Unbürokratischen Ausstieg aus der Gemeinnützigkeit ermöglichen
Das geltende Recht verhindert faktisch einen Wechsel gemeinnütziger Organisationen in die Steuerpflicht. Ein Ausstieg ist in der Praxis kaum umsetzbar, da er aufgrund des Grundsatzes der Vermögensbindung und der zu verzinsenden rückwirkenden Besteuerung mit sehr hohen finanziellen Belastungen und Risiken verbunden ist. Eine zeitgemäße Weiterentwicklung des Vermögensbindungsgrundsatzes beim Verlust der Gemeinnützigkeit ist wünschenswert, um unbillige Härten beim Verlust der Gemeinnützigkeit zu vermeiden.
Team Recht und Vermögen
Margit Klar
Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin)
Fachanwältin für Steuerrecht
Ariane Kügow
Assistentin Recht und Vermögen
Telefon (030) 89 79 47-75
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