Die Engagementlandschaft

Was ist das Stiften eigentlich? Vielfach älter als heute noch geltendes Recht. Auch ist das Stiften nicht nur auf Stiftungen des bürgerlichen Rechts begrenzt. So hat zum Beispiel bei Weitem nicht jede bestehende Stiftung die Rechtsform einer Stiftung des bürgerlichen oder des öffentlichen Rechts. Und schließlich gibt es zusätzlich zu der deutschen Begrifflichkeit noch eine globale Diskussion über die Philanthropie, deren eher angloamerikanische Prägung auch Stiftende in Deutschland inspiriert. Eine hilfreiche Beschreibung des Begriffes „Philanthropie“ ist durch das Center for Philanthropy Studies der Universität Basel vorgenommen worden: „Philanthropie umfasst jede private freiwillige Handlung für einen gemeinnützigen Zweck.“ Zeit also für einen aktuellen Überblick, der die wichtigsten Rechtsformen und Instrumente für gemeinnütziges Handeln und das Stiften in Deutschland beschreibt. 

Der Bundesverband Deutscher Stiftungen hat 2019 mit ausgewählten Expertinnen und Experten über das Stiften heute und in der Zukunft diskutiert. Dabei wurden immer wieder drei spezifische Charaktere des Stiftens betont: Im Kern geht es erstens immer um eine längerfristige Bindung an einen oder mehrere gemeinwohlorientierte Zwecke. Für diesen Zweck werden zweitens freiwillig Vermögenswerte eingesetzt. Dazu gehören für viele Engagierte nicht nur liquide Vermögen, sondern auch unveräußerliche oder ideelle Werte. Und drittens binden sich die Stiftenden dafür an einen Rahmen, sei es eine Satzung, eine Institution, eine Selbstverpflichtung, eine Governance.  

Diese Umschreibung schließt nicht aus, Handeln auch dann als Stiften zu beschreiben, wenn es sich jenseits der (steuerrechtlich definierten) Gemeinnützigkeit bewegt. Sie fordert kein ewiges Bestehen eines Vermögens, sondern ermöglicht auch einen begrenzten Zeithorizont. Und schließlich versteht sie das Stiften nicht ausschließlich als privaten Akt einer Einzelperson, sondern schließt kollektives Stiften – z. B. in Bürgerstiftungen – sowie auch staatliches Stiften – z. B. in öffentliche Stiftungen – mit ein.  

Zudem ist zu beachten: Stiftungen stehen mit einem Bein – ihren Förder- und operativen Budgets – in der Zivilgesellschaft, mit einem anderen – der Bewirtschaftung ihres Vermögens oder der Eigentümerschaft an Betrieben – in der Wirtschaft. Je nachdem, welche Seite stärker betont wird, kann die Selbstbeschreibung sehr unterschiedliche Begriffe priorisieren. 

Engagementlandschaft
– ein Überblick

Engagementformen

Das Stiften tritt in zahlreichen unterschiedlichen Ausprägungen in Erscheinung. Um es am Beispiel der Stiftungen deutlich zu machen: Der Begriff „Stiftung“ wird vielfältig verwendet und ist weder einheitlich definiert noch rechtlich geschützt. Daraus ergibt sich ein breites Spektrum an Formen des Stiftens, die rechtlich unterschiedlich konstruiert sind. Nachfolgend sollen die Stiftungsbegriffe voneinander und von den sonstigen Formen des stifterischen Wirkens abgegrenzt werden.

Instrumente des Stiftens

Viele Formen des Stiftens sind wenig oder gar nicht institutionalisiert. Es wird dann keine eigene juristische Person errichtet, um das Gemeinwohl zu fördern. Vielmehr bedienen sich Stiftende einer bereits bestehenden Stiftung oder sonstigen Einrichtung, um einen gemeinnützigen oder sozialen Zweck zu erfüllen. Die Instrumente dieser Form der Stiftens sollen hier kurz vorgestellt werden.

Welche Kräfte prägen diese Engagementlandschaft aktuell?

Erstens das veränderte Kapitalmarktumfeld mit niedrigen Anleihezinsen. Für bestehende Stiftungen gibt es uneinheitliche Auswirkungen dieser Entwicklung: Viele haben mit rückläufigen Erträgen zu kämpfen, sodass bereits der Erhalt des Stiftungskapitals zur Herausforderung wird. Nach Ergebnissen einer Befragung des Stiftungspanels des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen lagen im Jahr 2017 14 Prozent der befragten Stiftungen mit der Rendite der Vermögensanlage nach Abzug aller Kosten unterhalb der Inflationsrate. Im Jahr 2018 stieg dieser Anteil auf knapp 28 Prozent. Für 2019 schätzen Stiftungen ihre Rendite wieder positiver ein. Nur noch rund 20 Prozent der befragten Stiftungen erwarten eine Rendite unterhalb der Inflation. Besonders für Stiftungen mit einem Kapital unter einer Million Euro gestaltet sich der reale Kapitalerhalt schwieriger als für größere Stiftungen1. Es ist davon auszugehen, dass die aktuelle Krise um Covid-19 die angespannte Lage an den Finanzmärkten im Jahr 2020 und damit vermutlich auch die Auswirkungen auf das Stiftungswesen wieder verstärken wird. 

Andererseits werden viele seit der Jahrtausendwende neu gegründete Stiftungen von Menschen in der Mitte des Lebens gegründet, die für das Geschehen in der Stiftung und für die Entwicklung eine deutlich größere Rolle spielen als einem Stifter nach seinen Lebzeiten nachfolgende Vorstände, das bislang vorherrschende Stiftungsmodell. Nimmt man die Präsenz des Themas in den entsprechenden Netzwerken und Konferenzen als Beleg, so wird das Stiften im Leben von Vermögenden außerdem immer früher zu einem Thema. Der Stifterstudie „Stifterinnen und Stifter in Deutschland" des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen von 2015 zufolge werden zwar nach wie vor die meisten Stiftungen nach dem aktiven Erwerbsleben gegründet, aber die Auseinandersetzung mit der Frage nach dem eigenen stifterischen Engagement beginnt heute oft bereits bei den 30- bis 40-Jährigen. Auch um eine frühe Festlegung zu vermeiden, suchen viele auf der „philanthropischen Reise“ zunächst eher Gestaltungsformen, die ihnen eine stärkere Mitwirkung, ein dynamisches Lernen ermöglichen und irreversible Vermögensentscheidungen vermeiden helfen. In welchem Umfang dieses Engagement letztlich in Stiftungsgründungen mündet und wie diese dann aussehen werden, bleibt abzuwarten. 

Und dann formulieren viele jüngere Stiftende zunehmend den Wunsch nach einem unternehmerischen Vermögenseinsatz für das Gemeinwohl. Aus den Diskussionen der Veranstaltungsreihe #nextphilanthropy des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen heraus zu urteilen, erwarten sie neben oft grenzüberschreitenden und skalierbaren Lösungen auch eine digitale Verfügbarkeit von Daten und Abbildung von Prozessen für ihr Engagement. Hier konvergieren die Merkmale unternehmerischen und stifterischen Handelns.


Quelle 

Online-Befragung unter den 605 Teilnehmenden des Stiftungspanels, Erhebungszeitraum: 22. Januar bis 5. Februar 2020, Rücklaufquote: 42,3 Prozent.