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Dreilinden – Gesellschaft für gemeinnütziges Privatkapital mbH

SDGs + LGBTIQ = Leaving no one behind

Preisträgerin Ise Bosch
© Lucas Wahl

Sinnvolle Förderaufgaben gibt es unendlich viele und große. Die SDGs helfen, den Überblick zu behalten, um dann besser zusammenzuarbeiten. Dieser Blick ist nicht nord-südlich, sondern global. Die Arbeit hierzulande betrachtet die SDGs aus internationaler Perspektive. Das kann neue Allianzen, Foren, Kommunikation inspirieren.  

Pragmatisch sollten Stiftungen ja grundsätzlich zusehen, dass sie den größtmöglichen gesellschaftlichen Mehrwert erbringen. Für Stiftungen in relativ gut situierter Umgebung heißt das, proaktiv neue Zusammenarbeit anzustoßen und so neue Potenziale für die SDGs zu erschließen: Finden sich Einrichtungen in Regionen, wo diese Ziele weiter entfernt liegen? Haben sie die gleichen Entwicklungsziele wie wir? Brauchen sie uns als Partner?

Ise Bosch Geschäftsführerin, Dreilinden – Gesellschaft für gemeinnütziges Privatkapital mbH
SDG 5 - Geschlechtergleichheit SDG 10 - weniger Ungleichheiten SDG 17 - Partnerschaften zur Erreichung der Ziele

Rechte von Frauen, Mädchen und LGBTIQ-Personen

Stifterin Ise Bosch stärkte schon vor über 15 Jahren die Rechte von Frauen, Mädchen und LGBTIQ-Personen (lesbisch, schwul, bi, trans, inter, queer), als sie 2016 mit 40 Millionen Euro die Dreilinden – Gesellschaft für gemeinnütziges Privatkapital mbH gründete. Als Rechtsform wählte sie die gemeinnützige GmbH, um damit neue Wege in der SDGs-konformen Kapitalanlage und in der Förderung von Menschen zu gehen. 

Dreilinden geht davon aus, dass Gesellschaften menschlicher und stärker sind, wenn Geschlechterrollen weniger stark binär ausgeprägt und weniger hierarchisch aufgebaut sind. Daher fördert Dreilinden die gesellschaftliche Akzeptanz von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt. LGBTIQ-Personen sind als Teil jeder Bevölkerung von allen SDGs-relevanten Themen betroffen, und auch Lesben, trans- und inter-Frauen sind Frauen.  

Die SDGs stellen die Welt des Fortschritts auf den Kopf. Nicht die, die schon vorneweg sind, sollen gesehen und gestärkt werden. Stattdessen soll es zuerst um die gehen, die am stärksten ausgeschlossen und an den Rand gedrängt sind. Ihre Würde soll der Maßstab des Fortschritts sein. 193 Länder haben sich dazu verpflichtet, niemanden zurückzulassen.

Ise Bosch Geschäftsführerin der Dreilinden – Gesellschaft für gemeinnütziges Privatkapital mbH

Die Arbeit von Dreilinden berührt stark das Ziel 10 der SDGs: Es geht darin um die Ungleichheit zwischen denen, die sich im angenommenen Mainstream einer Gesellschaft befinden, und denen, die aufgrund verschiedener Merkmale Ausschlusserfahrungen machen: aufgrund ihrer Hautfarbe, sexuellen Orientierung, ethnischen Zugehörigkeit oder körperlichen Beschaffenheit. 

Dabei arbeitet Dreilinden mit einer holistischen Herangehensweise aus Förderung („Grantmaking“) und Investitionen („Impact Investing“). Im Rahmen der Förderung sucht Dreilinden stets die Schnittstellen verschiedener Ausschlussgründe (Intersektionalität) und stärkt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen. Generell gehen zwei Drittel der Gelder in die Arbeit im Globalen Süden. 

Neue Wege in Projekten und der Investmentstrategie 

Dreilinden ist stets auf der Suche nach neuen Wegen, die nachhaltige Finanzierung ermöglichen – insbesondere unter dem Gesichtspunkt, niemanden zurückzulassen. So hat Dreilinden eine neue Strategie erprobt, die sogenannten Property Purchase Grants. Drei Organisationen in Uganda, Simbabwe und Bulgarien wurden darin unterstützt, eigene Immobilien zu kaufen. Dreilinden sieht darin eine Investition in die Nachhaltigkeit, Stabilität und Sicherheit der Organisationen. 

Die SDGs sind eine Selbstverständigung der internationalen Gemeinschaft. Ob und inwieweit Stiftungen in Deutschland die Zielsetzungen der SDGs als Richtlinien für ihre Arbeit annehmen, wäre erst zu evaluieren – ebenso wie die Frage, ob Stiftungen mit ihrer Arbeit auf die Umsetzung der SDGs hinarbeiten oder ob ihre Arbeit im Sinne dieser Maßstäbe effektiv ist.

Claudia Bollwinkel Senior Program Advisor der Dreilinden – Gesellschaft für gemeinnütziges Privatkapital mbH

Dialog über die Zukunft des Stiftens 

Mit der neuen Stiftungsinitiative #VertrauenMachtWirkung möchte Dreilinden die Zukunft des Stiftens weit über die eigene Organisation hinaus prägen. Auch hierbei geht es um unsere grundsätzlichen Ziele: Wandel initiieren und nachhaltig gestalten, transformatives Stiften stärken und mit den Menschen, die unterstützt werden, partizipativ die Förder- und Finanzierungsprogramme gestalten. Mit der Initiative möchte Dreilinden ein Mehr an Transparenz, Partizipation, Diversität und Geschlechtergerechtigkeit im Philanthropiesektor bewirken. 

Das Ziel: Wirkung noch weiter stärken

Dreilinden macht weiter so – das Ziel lautet „deepening impact“. In den nächsten fünf Jahren will Dreilinden mindestens 10 Millionen Euro in Förderungen sowie Impact Investments in Höhe von weiteren 10 Millionen Euro bewegen. Das Dreilinden-Team ist um zwei Fachreferent*innen angewachsen, weitere Personen arbeiten mit Werkverträgen. Die Geschäftsleitung liegt nach wie vor im Ehrenamt bei Ise Bosch.

Die Dreilinden – Gesellschaft für gemeinnütziges Privatkapital mbH verfolgt den Ansatz des „Mission“ bzw. „Impact“ Investings: Neben einer stetigen Rendite soll die Geldanlage selbst durch gezielte Investments die spezifischen Förderziele der Organisation unterstützen.

Dreilindens Richtlinien

Investments sind in folgenden Anlagen möglich:

  • nachhaltige Aktien- und Rentenpapiere 
  • nachhaltige Immobilienfonds 

Impact Investments oder Darlehen sind in folgenden Bereichen möglich:

  • qualitativ hochwertige Mikrofinanzfonds, Fonds für kleine und mittlere Unternehmen in Entwicklungsländern 
  • sozial orientierte Direktinvestitionsfonds mit Sitz in Entwicklungsländern 
  • sozial orientierte Direktinvestitionen in Entwicklungsländern 

Dabei legt Dreilinden Wert darauf, genderspezifische Kriterien zu berücksichtigen.

Bei Anlagen bedeutet dies:

  • Beachtung aller für Frauen besonders relevanten Teilaspekte in den Bereichen Work-Life-Balance, Sozialstandards bei Zulieferern und Geschlechtergerechtigkeit

Im Bereich Impact Investments bedeutet dies:

  • Impact Investments mit sozialer Wirkung für Frauen in Entwicklungsländern 
  • geeignete und langfristige Investitionspartnerschaften für Direktinvestitionen 

Dreilinden baut derzeit ein Portfolio an LGBTQI-spezifischen Impact Investments (Queer Impact Investments) auf.

Außerdem erstellt das Criterion Institute in unserem Auftrag derzeit ein Weißbuch zum Thema „Rainbow Lens Investing“.

Hier finden Sie weitere Informationen zur Anlagestrategie und dem derzeitigen Portfolio von Dreilinden.

Welche Rolle spielen Stiftungen bei der Umsetzung der SDGs?
„Leave no one behind“ ist DIE Begründung für philanthropisches Engagement, und zwar sowohl für eine transformative Philanthropie als auch für karitatives Geben. 

Wie viele Ressourcen setzen Sie für Ihr SDGs-relevantes Wirken ein?
Das gesamte Engagement der Dreilinden – Gesellschaft für gemeinnütziges Privatkapital mbH ist auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. 2019 betrug die Gesamtfördersumme über 2 Millionen Euro. 

Welche Wirkung konnten Sie damit erzielen?
Mehr als vier Fünftel der von Dreilinden Geförderten sagen, dass sie mit dem Geld von Dreilinden Arbeit tun konnten, die vorher noch nicht getan wurde. 86 Prozent berichten, dass die Förderung zu einer Stärkung ihrer Organisation geführt hat, die noch immer spürbar ist. 

Dreilinden setzt sich außerdem dafür ein, dass deutsche Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit mehr Geld für die Arbeit mit LSBTI-Personen (lesbisch, schwul, bi, trans und intersexuelle Menschen) im Globalen Süden und Osten geben. Das ist ein langfristiger Prozess, der nicht zu schnellen Ergebnissen führt. 

Welches sind Ihre wichtigsten Erfahrungen?
Unsere zentrale „Lesson Learned“: Vertrauen lohnt sich. Transformative Philanthropie funktioniert nicht ohne eine gute Kenntnis des Förderthemas und ohne persönliche Kontakte und Beziehungen zu den Menschen, die das Thema bewegen. Wir brauchen mehr Institutionen, in denen Menschen mit gelebter Erfahrung den Kurs bestimmen. 

Welche Hürden gibt es für Stiftungen beim Engagement für die SDGs?
Die Sprache der SDGs ist eine konzeptionelle Hürde, viele Stiftungen arbeiten bereits im Einklang mit den Forderungen der SDGs, sehen und nennen das aber nicht so. Die SDGs gelten auch für Deutschland. Es kann nicht nur um eine Analyse des Geldes gehen, das nach draußen fließt. Die Frage ist auch: Was geschieht hier in Deutschland im Sinne von „Leave no one behind“?

Was muss passieren, damit Stiftungen mehr Engagement für die SDGs zeigen?
Eine sprachliche bzw. kommunikative Brücke zu „humanitärer“ oder „karitativer“ Arbeit müsste geschlagen werden – sowohl für internationale Arbeit als auch für die Anwendung der SDGs auf die Arbeit in Deutschland.