Verantwortungseigentum weiter denken

Die Berliner Stiftung „Verantwortungseigentum“ hat einen Regelungsvorschlag für eine „GmbH mit gebundenem Vermögen“ (GmbH-gebV) vorgelegt. Nachdem die Idee einer GmbH-gebV Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hat, wird die rechtliche Umsetzbarkeit aktuell kontrovers diskutiert. Aus Sicht des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen ist die Rechtsform weder geeignet noch erforderlich für die Zielsetzung eines nachhaltigen und verantwortungsvollen Unternehmertums.

Berlin, 7. September 2022. Aus unternehmerischer Sicht ist es grundsätzlich zu begrüßen, wenn verschiedene gesellschaftsrechtliche Unternehmens- und Stiftungsformen zur Verfügung stehen, die auch für kleinere und mittlere Unternehmen nutzbar sind, heißt es in dem Positionspapier des BDI und des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. Ebenfalls wünschenswert ist es, wenn Unternehmen sich noch stärker der Zielsetzung eines nachhaltigen Unternehmertums verpflichten. Gleichzeitig werten die Verbände den Vorschlag einer GmbH-gebV in der aktuellen Form als Verstoß gegen Privatautonomie und Verbandsfreiheit. Der Vorschlag berge eine hohe Missbrauchsanfälligkeit und sorge zugleich für steuerliche Gerechtigkeitslücken. Zudem kritisiert das Verbändepapier das Ausspielen verschiedener Rechtsformen. Spätestens in wirtschaftlichen Krisenzeiten bestünden hier Finanzierungsdefizite.

Der aktuelle Rechtsrahmen sieht bereits einen großen Gestaltungsspielraum vor

„Die deutsche Wirtschaft achtet bereits heute das Prinzip des Verantwortungseigentums. Die stark durch den Mittelstand und Familienunternehmen geprägte, in vielen Fällen auch stiftungsrechtlich organisierte deutsche Wirtschaft legt großen Wert auf Nachhaltigkeit. Die deutsche Industrie unterstützt die Fortentwicklung des Gesellschaftsrechts. Beweggrund für die Schaffung einer neuen Rechtsform sollte nicht eine moralische Erwartungshaltung sondern die Schließung einer Regelungslücke sein“, sagt Iris Plöger, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des BDI.

„Das Recht und das Steuerrecht sollte weiterhin zwischen gemeinnützigem Wirken im Interesse der Allgemeinheit und privatwirtschaftlichem Wirken unterscheiden.“
Kirsten Hommelhoff, Generalsekretärin des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen

„Die in Deutschland existierende Vielfalt an Rechtsformen - etwa der Stiftung, der Kapital- oder Personengesellschaften, der Genossenschaft oder des Vereins - ermöglicht bereits heute nachhaltiges und werteorientiertes Unternehmertum. Der aktuelle Rechtsrahmen sieht dafür einen großen Gestaltungsspielraum vor. Eine GmbH-gebV würde nicht nur über dieses Instrumentarium hinaus keine weitergehenden Handlungsoptionen bereithalten. Mehr noch: Oftmals wird fälschlicherweise suggeriert, dass diese neue Rechtsform – gewissermaßen als ‚Gemeinnützigkeit light‘ – ein altruistisches Wirtschaften im marktwirtschaftlichen Gewand ermöglicht. Das Recht und das Steuerrecht sollte weiterhin zwischen gemeinnützigem Wirken im Interesse der Allgemeinheit und privatwirtschaftlichem Wirken unterscheiden“, sagt Kirsten Hommelhoff, Generalsekretärin des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. 

Die Verbände freuen sich auf einen regen Austausch mit dem Gesetzgeber

Denkbar für eine zukünftige Weiterentwicklung wäre die Diskussion etablierter, ausländischer Regelungsmodelle als Vorbilder. Zudem regen die Verbände die Idee eines gesetzlichen oder privatrechtlichen Zertifizierungsregimes an, das dem Grundgedanken der GmbH-gebV Rechnung tragen könne. Eine solche Zertifizierung könne verdeutlichen, dass sich ein Unternehmen besonders nachhaltig und gemeinwohlverträglich ausrichtet, und müsse deshalb allen Rechtsformen offenstehen. Der BDI und der Bundesverband Deutscher Stiftungen freuen sich auf einen regen Austausch mit dem Gesetzgeber darüber, inwieweit die vorhandenen Rechtsformen dem gesellschaftlichen und unternehmerischen Bedarf nach mehr „Corporate Purpose“ angepasst werden sollten.

Katrin Rupprecht

Referentin Politische Kommunikation
Telefon : (030) 89 79 47-84

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