Neues Gesetz: Beschlüsse von Stiftungsorganen zukünftig auch digital möglich

Gremiensitzungen in Krisenzeiten
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Am 9. Februar 2023 hat der Bundestag das Gesetz zur Ermöglichung hybrider und virtueller Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht beschlossen. Über die Verweisungsnorm im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 86 BGB) finden die neuen Regelungen auch Anwendung für die Beschlussfassung von Stiftungsvorständen und anderen Stiftungsorganen. Was Stiftungen im Blick haben müssen.


Satzungsänderungen für Stiftungen können problematisch sein

Für Stiftungen brachte die Corona-Pandemie einen umfassenden Digitalisierungsschub mit sich. Die dafür befristet geschaffene Rechtsgrundlage, das Gesetz mit der umständlichen Abkürzung GesRuaCOVBekG, ist zum 31. August 2022 ausgelaufen. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen hat bereits im Mai 2022 auf das Auslaufen hingewiesen und die Bundesratsinitiative aus Bayern für eine dauerhafte Nachfolgeregelung unterstützt. Einige Stiftungen haben Satzungsänderungen angestoßen, um schnell Rechtssicherheit herzustellen. Allerdings haben wir im Beratungsalltag erlebt, dass Stiftungsbehörden derartige Satzungsänderungen teilweise nicht genehmigt haben.

Die Änderungen im Detail

Mit dem Gesetz ist es dem Vereinsvorstand als sog. Einberufungsorgan künftig erlaubt, hybride Mitgliederversammlungen auch ohne ausdrückliche Grundlage in der Satzung einzuberufen. Positiv zu vermerken ist, dass die Ampel-Koalition in letzter Minute versucht hat, dem Wunsch auch nach rein virtuellen Formaten nachzukommen, so wie von uns in der Sachverständigenanhörung des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag vertreten. Das Bündnis für Gemeinnützigkeit, in dessen Sprecher*innenrat der Bundesverband aktiv ist, hatte nochmals mit Nachdruck auf die Notwendigkeit hingewiesen. 

Mit dem Gesetz wird in § 32 BGB ein neuer Absatz 2 eingefügt. Dieser lautet:

„Bei der Berufung der Versammlung kann vorgesehen werden, dass Mitglieder auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation an der Versammlung teilnehmen und andere Mitgliederrechte ausüben können (hybride Versammlung). Die Mitglieder können beschließen, dass künftige Versammlungen auch als virtuelle Versammlungen einberufen werden können, an der Mitglieder ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen und ihre anderen Mitgliederrechte ausüben müssen. Wird eine hybride oder virtuelle Versammlung einberufen, so muss bei der Berufung auch angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können.“

Damit kann den Vereinsmitgliedern zukünftig die virtuelle Teilnahme an Mitgliederversammlungen und die virtuelle Ausübung anderer Mitgliederrechte ohne die physische Anwesenheit des Mitglieds in der Versammlung ermöglicht werden (sog. hybride Mitgliederversammlungen). Die Ausübung der Mitgliederrechte ist im Wege jedweder geeigneten elektronischen Kommunikation (z. B. Telefonkonferenz, „Chat“, Abstimmung per E-Mail) zugelassen und nicht nur durch Bild- und Tonübertragung im Sinne einer Videokonferenz. Bei der Einberufung einer hybriden oder virtuellen Versammlung muss angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können.

Darüber hinaus wird die Möglichkeit geschaffen, dass die Mitglieder auf einer Mitgliederversammlung durch Beschluss das Einberufungsorgan – in der Regel ist das der Vorstand – auch zur Einberufung (rein) virtueller Versammlungen ermächtigen können (vgl. § 32 Absatz 2 Satz 2 BGB n.F.). Eine Satzungsregelung, die eine rein virtuelle Mitgliederversammlung erlaubt, ist dann nicht mehr notwendig. Für einen entsprechenden Beschluss ist grundsätzlich die einfache Mehrheit ausreichend. Der Beschluss ist mit der für einfache Beschlüsse vorgesehenen Mehrheit zu fassen, also in der Regel mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

Damit gilt: Vor einer entsprechenden Beschlussfassung ist die Abhaltung einer präsenten oder hybriden Mitgliederversammlung notwendig, nach einer entsprechenden Beschlussfassung wird auch eine rein virtuelle Versammlung für die Zukunft ermöglicht. Die Einhaltung qualifizierter Mehrheits- oder Eintragungserfordernisse ist nicht notwendig.

Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, dass der entsprechende Beschluss, die virtuelle Durchführung künftiger Sitzungen zu ermöglichen, außerhalb einer Mitgliederversammlung im Umlaufverfahren, dem alle Mitglieder zustimmen müssen, gefasst wird.  

Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Hinweis, dass die Ermächtigung des Einberufungsorgans, künftige Versammlungen als virtuelle Versammlung einzuberufen, durch einen neuen Beschluss der Mitgliederversammlung wieder zurückgenommen wird.

Die Regelungen sind auf die Sitzungen von mehrköpfigen Vereinsvorständen und Stiftungsvorständen und andere Stiftungsorgane entsprechend anwendbar. Das heißt, auch diese können unter den in § 32 BGB genannten Voraussetzungen als hybride oder nach einem Beschluss als virtuelle Versammlungen durchgeführt werden.

Vereine und Stiftungen können in ihrer Satzung aber auch hybride oder virtuelle Mitgliederversammlungen ausschließen.

Das Gesetz ist am 21. März 2023 in Kraft getreten.

Bewertung und Empfehlung

Zu begrüßen ist, dass die seit einem halben Jahr bestehende Regelungslücke für Stiftungen und Vereine geschlossen wurde. Mag auch die im Ergebnis gewählte gesetzliche Regelung ein gewisses Stirnrunzeln mit sich bringen, da für das Stiftungs- und Vereinsrecht durch die Einführung einer „gesetzlichen Öffnungsklausel“ rechtliches Neuland betreten wurde. Denn die Neuregelung ermöglicht, dass von der gesetzlichen Regelung, wonach Mitgliederversammlungen (und damit auch Vorstandssitzungen) präsent oder hybrid abzuhalten sind, durch einfachen Beschluss abgewichen werden kann, ohne dass es dazu einer formalen Satzungsänderung bedarf.

Diesem Stirnrunzeln gegenüber überwiegt aber sicherlich am Ende das Ergebnis, dass mit der gesetzlichen Neuregelung zukünftig Stiftungsvorstände sowohl hybride als auch rein virtuelle Beschlüsse fassen können, ohne hierzu ein formales Satzungsänderungsverfahren durchzuführen. Denn auch für die Beschlussfassung von Stiftungsvorständen gilt, dass auf einer Vorstandssitzung mit einfacher Mehrheit beschlossen werden kann, dass zukünftig die Sitzungen und Beschlussfassungen rein virtuell durchgeführt werden. Insofern hat ein entsprechender Beschluss die Qualität einer Satzungsänderung, ohne dass eine Genehmigung der Stiftungsaufsichtsbehörde notwendig ist. Das ist ein wirklicher Fortschritt, gerade wenn für Stiftungen eine Satzungsänderung nicht ohne weiteres möglich ist. 

Stiftungen, die regelmäßig digital tagen wollen, sollten trotzdem in Erwägung ziehen, ob sie bei einer ohnehin anstehenden Satzungsänderung rein virtuelle Sitzungen trotzdem ausdrücklich in der Satzung regeln wollen, um sich potenzielle Diskussionen mit den Aufsichtsbehörden oder Gremienmitgliedern über die Wirksamkeit von Beschlüssen zu ersparen. Daneben besteht nun die Möglichkeit, in der nächsten Sitzung einen entsprechenden Beschluss zur virtuellen Beschlussfassung für die Zukunft zu treffen. Zu raten ist, dass ein entsprechender Beschluss rechtssicher dokumentiert, abgelegt und bei einem Wechsel des Stiftungsvorstandes übergeben wird.

Kontakt

Dr. Verena Staats

Telefon (030) 89 79 47-60