Was Stiftungen gegen Diskriminierung tun können

Autorinnen: Emilia Roig (links) und Julia Gaiser (rechts). (Credit: Mohamed Badarne / privat)
Autorinnen: Emilia Roig (links) und Julia Gaiser (rechts). (Credit: Mohamed Badarne / privat)

Was ist gemeint und warum ist es wichtig?

Intersektionalität beschreibt den Prozess der Überschneidung und Gleichzeitigkeit von Ungleichheitssystemen, wie etwa das Patriarchat, Kapitalismus und Rassismus. Die daraus entstehenden Formen von Diskriminierung, basierend auf Geschlecht, “Rasse”, Ethnizität, sexuelle Orientierung, Behinderungen, Klasse, Religion, und anderen Kategorien, resultieren in individuellen und dynamischen Formen von Diskriminierung. Intersektionalität erkennt an, dass alle Systeme von Ungleichheit sich gegenseitig bekräftigen und voneinander abhängig sind. Deswegen müssen alle Diskriminierungsformen gleichzeitig analysiert und bekämpft werden, um nachhaltige intersektionale Gerechtigkeit zu erreichen.

Für die Herangehensweisen von gemeinnützigen Organisationen und Stiftungen muss Intersektionalität ein leitendes Grundkonzept sein, um das Bewusstsein von intersektionalen Diskriminierungsformen gegenüber Mitarbeiterin*innen und Leistungsempfänger*innen auf allen Ebenen zu fördern. Mithilfe dieses Bewusstseins können Entscheidungen getroffen werden, die für mehr Chancengleichheit und Inklusivität von marginalisierten Menschen sorgen. Zum Beispiel, bei Maßnahmen zur Sicherung der Gendergerechtigkeit ist es unabdingbar, nicht nur den Machthierarchien zwischen dem Männlichen* und dem Weiblichen* entgegenzuwirken, sondern auch andere Formen von Diskriminierung mit einzubeziehen.

So erfährt eine muslimische Frau Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Religion. Diese sich überschneidenden Formen von Diskriminierung zu trennen, ist unmöglich. Nur durch einen intersektionalen Ansatz kann sichergestellt werden, dass keiner im Kampf für Gerechtigkeit und Gleichheit übersehen wird.

Trotz bereits eingeführter Anti-Diskriminierungs- und Gleichstellungsgesetze sehen wir zu wenig Fortschritt. Es liegt unter anderem an einem fehlenden intersektionalen Ansatz in vielen politischen Maßnahmen. Deswegen wäre ein Zeichen der Solidarität für intersektionale Gerechtigkeit von gemeinnützigen Organisationen und Stiftungen ein wichtiger Schritt.

Empfehlungen: Wer kann was tun?

Um intersektionale Gerechtigkeit in allen Bereichen einer Institution des privaten, öffentlichen oder zivilgesellschaftlichen Sektors zu gewährleisten, sei es eine Stiftung oder eine gemeinnützige Organisation, gilt es folgende Schritte umzusetzen:

1. Miteinbeziehung von marginalisierten Menschen

Damit ist die Inklusion von Menschen gemeint, die aufgrund von Diskriminierungsmerkmalen, wie ethnische Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, Behinderungen, geschlechtliche Identität, und/oder sexuelle Orientierung, in unserer Gesellschaft systemisch unterdrückt, ausgeschlossen und unterrepräsentiert werden. 

  • Bei Neuanstellungen von Mitarbeiter*innen sollte nicht nur auf genormte akademische Leistungen geachtet werden, wie z.B. ein abgeschlossenes Hochschulstudium, sondern auch andere Qualifikationen in Betracht gezogen werden, wie persönliche Weiterbildung außerhalb akademischen Kreisen, und soziale Kompetenzen. Aufgrund bestehender rassistischen und sexistischen Praktiken in vielen akademischen Institutionen erhalten z.B. Schwarze Frauen weniger Zugang zu dieser Form von Bildung. Die dadurch entstehende Bildungsungleichheit kann durch ein Überdenken alter Evaluierungsmuster ausgebessert werden.
  • Um die Miteinbeziehung von marginalisierten Menschen zu fördern, sollten Sie explizit offenlegen, wie Ihre Organisation/Stiftung mit Diskriminierung umgeht, und wie Sie sich für intersektionale Gerechtigkeit einsetzen. Dieser Schritt signalisiert potenziellen Mitarbeiter*innen, ob und wie sie in ihrem Arbeitsumfeld geschützt und respektiert werden können.
  • Bei Entscheidungen, die der Förderung von Menschen mit Diskriminierungserfahrung dienen, sollten Sie die Meinungen und Expertise von Mitarbeiter*innen/Berater*innen zentrieren, die eine bestimmte Form von Diskriminierung persönlich erfahren. 
  • Bei Prozessen in Bezug zu Neueinstellungen oder der Vergabe von Fördermittel sollten Sie Entscheidungs-Komitees aufstellen, die divers sind und eine heterogenere Mitarbeiterschaft wählen.

2. ‘Affirmative Action’ - korrektive Maßnahmen

Affirmative Action, also korrektive Maßnahmen zur Gewährleistung von mehr Gleichheit und adäquatere Repräsentation von marginalisierten Menschen, ist vor allem im akademischen Kontext ein wichtiges Instrument geworden.

  • Es sollten Förderungsmöglichkeiten ausschließlich für marginalisierte Gruppen, z.B. für Schwarze transgender Menschen, zur Verfügung gestellt werden. Durch diesen Schritt können Sie explizit von Diskriminierung betroffene Menschen erreichen und Fördermittel auf bestimmte Bedürfnisse anpassen.
  • Sie sollten eine Quote einführen, die die Repräsentation von z.B. Menschen mit Behinderungen in ihrer Organisation/Stiftung garantiert. 
  • Diese Quote sollte begleitet sein von Bewusstseinsschulungen gegen internalisierte Bias und Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderungen und andere Formen von Diskriminierung.

3. Antidiskriminierende Sprache

Sprache spiegelt und formt gleichzeitig unsere Gesellschaft. Deswegen ist es unabdingbar, geschriebene und gesprochene Worte bewusst inklusiv zu gestalten, um aktiv normalisierter diskriminierender Sprache entgegenzuwirken. Eine konsequente Berücksichtigung von Vielfalt und Gender kann Ihre Reichweite maßgeblich erweitern und eine diverse Gruppe an Bewerber*innen motivieren.

  • Sie sollten das Sternchen (*) zur Einbeziehung von Geschlechtervielfalt einführen, z.B. Mitarbeiter*innen, Student*in.
  • Stigmatisierende Bezeichnungen wie “Flüchtlinge” sollten ersetzt werden mit z.B. Geflüchtete. Grundsätzlich sollten Beschreibungen von marginalisierten Gesellschaftsgruppen auf deren Selbstidentifizierung basiert werden.
  • Bei geschriebenen und gesprochenen Worten sollten Sie darauf achten, dass eurozentrische Perspektiven in Deutschland standardisiert sind. Es ist wichtig, dass Sie dem kritisch gegenüberstehen und verinnerlichte Normen ablegen.

Autorinnen: Emilia Roig und Julia Gaiser, Center for Intersectional Justice | CIJ

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Emilia Roig und Julia Gaiser

Center for Intersectional Justice

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