Wer Fakten sagt, muss wissen wie

Wenn es beim Klimaschutz nicht vorangeht, dann deshalb, weil die Menschen noch zu wenig über den Klimawandel wissen. Das zumindest dachten die Initiatoren von klimafakten.de. Allmählich jedoch wurde ihnen klar, dass mehr nötig ist.

© Detlef Eden

Gold, Öl, Erdgas – die Vorstellung, sogenannte Bodenschätze würden Gesellschaften praktisch von selbst den Weg zu Wohlstand und Entwicklung öffnen, hält sich hartnäckig. Doch ein Vergleich von Ländern wie Russland, Venezuela oder Brasilien mit Deutschland, der Schweiz und Südkorea zeigt: Gerade Länder, die relativ arm an solchen natürlichen Ressourcen sind, sind heute besonders wohlhabende und friedliche Demokratien.

Tatsächlich spielen Bildung und Wissen eine überragende Rolle auf dem Weg zu Prosperität und gesellschaftlichem Wohlergehen. Kein Zufall ist es daher, dass das Engagement für Wissenschaft und Bildung für Stiftungen zu den wichtigsten Arbeitsfeldern zählt. Dazu trägt bei, dass es für einen Zuwachs an Wissen keine natürlichen oder „planetaren Grenzen“ gibt. Nicht zuletzt ist kaum etwas stärker konsensfähig als eben die Bildungsförderung – ein wichtiger Faktor für viele Stiftungen, die kontroverse oder stark politisch besetzte Themen scheuen.

Allerdings gibt es da ein Problem mit dem Wissen und den Fakten. Besonders offen tritt es beim Thema Klimawandel zutage: Eigentlich ist die Sache ja klar. Seit mindestens drei Jahrzehnten warnt die Wissenschaft einhellig vor den immensen Risiken, die entstehen, wenn wir Erdöl, Erdgas oder Kohle weiterhin in großen Mengen verbrennen oder den Fleischkonsum steigern. Mit den sogenannten Weltklimaberichten des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) gibt es regelmäßige Analysen, die den gesicherten Sachstand der weltweiten Forschung zusammenfassen – ein in der Wissenschaftsgeschichte einmalig aufwändiger Prozess, an dem jeweils Hunderte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als Autoren und Redakteure beteiligt sind, für den zehntausende Studien herangezogen und bei den Anmerkungen in sechsstelliger Zahl bewertet werden.

Auf der Wissens-Seite sind die Dinge daher geklärt. Zwei Phänomene indes irritieren: Zum einen ziehen Leugner, Pseudo-Experten und professionelle Zweifler noch immer mediale und politische Aufmerksamkeit auf sich und lösen ein erstaunliches Maß an Verunsicherung aus – sowohl in Teilen von Öffentlichkeit und Politik, also auch bei denjenigen, die sich für Klimaschutz einsetzen. Zum anderen hat auch das beste Wissen bislang noch nicht zu Maßnahmen geführt, die menschengemachten Treibhausgasemissionen im ausreichenden Maße zu senken.

Fakten führen nicht unbedingt zu mehr Handeln

Vermutlich liegt hier das größte Missverständnis: Dass nämlich mehr Fakten automatisch auch zu mehr Handeln führen. In gewisser Weise sind wir mit unserem stiftungsfinanzierten Projekt klimafakten.de anfangs selbst dieser Fehlannahme aufgesessen. Denn als wir 2011 an den Start gingen, war klimafakten.de in erster Linie als argumentatives Bollwerk gedacht, um Falschbehauptungen zum Klimawandel mit Faktenchecks entgegenzutreten. Diese Argumentationshilfen veröffentlichen wir bis heute, und bis heute gilt auch unser Leitsatz: „Jeder Mensch hat das Recht auf seine eigene Meinung. Aber niemand hat ein Recht auf seine eigenen Fakten.“

Als Fehleinschätzung erwies sich allerdings, dass allein die richtigen Fakten Bewegung in die Klimapolitik bringen würden. Fakten machen keine Politik, ebenso wenig wie es Bücher und Forschungsberichte tun. Wenn Fakten also lediglich die Grundlage politischer Debatten sein können (und in jedem Fall sein müssen) – was motiviert Menschen dann, sich mit Fakten überhaupt auseinanderzusetzen? Und dann, in einem zweiten Schritt, hieraus auch Konsequenzen für das eigene Handeln abzuleiten?

Wir verstehen den Klimawandel nicht

Je intensiver man sich mit der Frage beschäftigt, warum Individuen und Gesellschaften nicht handeln, wo wir doch alles Nötige über den Klimawandel und wirksame Gegenmaßnahmen wissen (können), desto überraschender wird es in gewisser Weise, dass überhaupt gehandelt wird. Ein einfaches Beispiel soll diesen scheinbaren Widerspruch verdeutlichen. Der Mensch hat im Laufe der Evolution sein Gehirn optimal darauf eingestellt, auf plötzliche und akute Gefahren angemessen zu reagieren. Bei Hochwasser oder Feuer, wenn uns ein Braunbär oder ein Leopard gegenüberstehen, reagieren wir sofort mit Kampf, Gegenwehr oder Flucht. Hierfür bedarf es keinerlei gedanklicher Anstrengung – die verfügbaren Handlungsoptionen sind kognitiv quasi vorprogrammiert.

Das Klimaproblem entzieht sich diesem Schema. Nicht nur überfordern die langen Zeiträume, über die sich Klimaveränderungen erst verlässlich zeigen, die Möglichkeiten der unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmung. Auch die Wirkungskette zwischen dem Roden eines Waldstücks für die Rinderzucht oder dem Anlassen eines Ottomotors bis hin zur Erhöhung des Risikos von Dürren oder Hitzeperioden ist überaus komplex und alles andere als linear. Das Geschehen wird zudem von so vielen Akteuren beeinflusst, dass es uns schwerfällt, klare Verantwortlichkeiten auszumachen – was für Menschen als soziale Wesen aber extrem wichtig ist. Mit all diesen Schwierigkeiten gerät unser Denkapparat schnell an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit (wie schnell selbige erreicht sind, zeigen unzählige psychologische Laborexperimente; beispielsweise steigt bei Probanden die Bereitschaft, den Klimawandel als ernsthaftes Problem einzustufen, wenn man die Raumtemperatur deutlich erhöht).

Hinzu kommt: Menschen sind keine Computerprogramme, die auf binäre Zahlencodes reagieren, vielmehr reagieren sie auf Signale ihrer Mitmenschen. Nicht so sehr Fakten sind für unser Überleben und unseren Status in Gemeinschaften wichtig, sondern soziale und kulturelle Normen. Wir orientieren uns an dem, was für andere Menschen aus unserem Umfeld von Bedeutung ist. Wir beziehen uns auf die Werte und Vorstellungen von einem „guten Leben“ und einer „guten Ordnung in unserem Land“, denen auch andere Menschen anhängen.

Die Frage ist: Wer spricht?

Das Problem beim Klimathema ist nun, dass echter Klimaschutz nur durch entschiedenes politisches Handeln zu bekommen ist. Dem wiederum geht in einer Demokratie das Aushandeln gesellschaftlicher Kompromisse und der Streit über die Bewertung von Risiken voraus. Die vermeintlich unpolitische und daher auch von Stiftungen geschätzte Förderung von Bildung und Wissen führt für sich genommen also zunächst zu nichts. Auf der anderen Seite aber führen verschiedene Mechanismen dazu, dass unsere sozialen Antennen entweder auf Zustimmung oder auf Ablehnung schalten, sobald auch nur der Begriff Klima fällt: Dabei spielt zunächst einmal eine Rolle, wer überhaupt davon spricht – und wenn dies in der überwiegenden Zahl der Fälle als politisch eher links verortete Umweltschützer sind, nicht aber Steuerberater, Notare oder Rotarier, übertragen sich die von den Botschaftern des Themas stellenweise ausgelösten Abwehrreflexe leicht auch auf die zugrundeliegenden Fakten und die Bereitschaft, sich überhaupt mit ihnen zu beschäftigen.

Ein anderer Effekt hat mit den vorgeschlagenen Klimaschutzmaßnahmen zu tun. Ein Tempolimit, die Bepreisung von C0₂-Emissionen, das Verbot von Ölheizungen, das Abschalten von Kohlekraftwerken – es bedarf keiner gesteigerten politischen Fantasie, um sich vorzustellen, dass solche Vorschläge nicht unbedingt bei denjenigen auf Begeisterung stoßen, zu deren Grundüberzeugungen Selbstentfaltung, wirtschaftlicher Erfolg oder materieller Wohlstand gehören. Und sobald Menschen ihre Grundüberzeugungen und -werte in Gefahr sehen, ist es oft nur ein kleiner Schritt, sich mit bestimmten Informationen gar nicht erst auseinanderzusetzen, sondern in Abwehr oder gar Verleugnung zu verfallen.

Dieser kurze Problemaufriss zeigt: Wer wirksamen Klimaschutz will, darf nicht allein auf die stille Wirkmacht nüchterner Fakten setzen. Wir brauchen Strategien, wie durchdachte, sozialwissenschaftlich informierte Klimakommunikation den ganzen Menschen erreicht – mit seinen Ängsten und Werten, seinen Emotionen, Identitäten, sozialen Bindungen und dem evolutionären Gepäck eines für den Säbelzahntiger, nicht aber für Wahrscheinlichkeitsrechnung gewappneten Denkapparats.

Projekte wie klimafakten.de leisten hierzu einen wichtigen Beitrag. Wie notwendig das ist, zeigt die Bilanz der hierzulande seit Jahrzehnten geführten klimapolitischen Debatten. Insbesondere Umweltorganisationen, aber auch Protagonisten aus Wissenschaft und Philanthropie müssen erkennen, dass die bisherigen Strategien, Politik und Gesellschaft für Klimaschutz zu motivieren, nur bedingt zum Erfolg geführt haben. Höchste Zeit also, in der Klimakommunikation neue Wege zu gehen. 

Was können Stiftungen tun, die mit Falschbehauptungen über den ­Klimawandel konfrontiert werden? Und: Wie lassen sich die Fakten ­besser vermitteln?

Um es kurz zu sagen: Das kommt ganz darauf an. Eine Standardlösung für den Umgang mit schwierigen Gesprächspartnern gibt es nicht. Sehr häufig allerdings gilt: Kern der Auseinandersetzung sind weniger die zugrunde liegenden Fakten, sondern die damit verbundenen Werturteile.

Auf der Internetseite www.klimafakten.de unter „Fakten besser vermitteln: So geht’s“ zeigen wir zahlreiche Beispiele besonders gelungener Klimakommunikation. Außerdem führen wir nützliche Handreichungen auf und stellen Akteure vor, die sich neuen Formen der Klimakommunikation widmen.

Zu finden sind dort beispielsweise eine Gebrauchsanleitung für gute Grafiken zum Klimawandel oder ein Interview mit dem Wissenschaftler Matthias Beller zu der Frage: „Was ist Wissenschaft – und was Pseudo? Die Mosaiksteine, um wissenschaftliche Glaubwürdigkeit abzuschätzen.“

Über den Autor:

Carel Carlowitz Mohn ist Chefredakteur und Projektleiter von klimafakten.de. Die Stiftung Mercator und die European Climate Foundation finanzieren das in Berlin ansässige Projekt als Gesellschafter.

www.klimafakten.de

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